Tierschutz Bushaltestelle in Polenzko wird zur Vogelfalle
In Polenzko bei Zerbst steht sein einiger Zeit ein neues, modernes Buswartehäuschen. Aber statt Freude, breitet sich Sorge aus.

Polenzko - Die Polenzkoer konnten sich im November des vergangenen Jahres freuen. Die Bushaltestelle wurde erneuert. Das Dorf hat einen der modernen gläsernen Fahrgastunterstände erhalten. Aber die Freude über das neue Wartehäuschen währte nicht lange. Immer wieder liegen auf der Bank tote Vögel.
Solche Glasunterstande wurden im Zerbster Umland nicht nur in Polenzko, sondern auch in Bärenthoren, Nedlitz und Jütrichau im vergangenen Jahr installiert. Einschließlich Tiefbau liegen die Kosten bei rund 25.000 Euro pro Wartehäuschen. In Gehrden und Lindau sollen ebensolche in diesem Jahr gesetzt werden, in den Folgejahren in weiteren Dörfern.
Mittlerweile zeigt sich allerdings, dass die Objekte eine Gefahr für die Vögel darstellten. Die Vögel nehmen das Glas nicht wahr, fliegen mit voller Geschwindigkeit in die Scheiben und verenden. An die 30 Tiere sind bislang zu beklagen. Drosseln, Meisen, Buchfink, Sperber und Turmfalke wurden schon gefunden. An den Scheiben hinterlassen sie ihre Abdrücke, die Kadaver liegen dann da, wo die Leute auf den Bus warten. Ein Anblick, der auch den Kindern, die auf dem angrenzenden Spielplatz spielen, nicht vorbehalten bleibt.
Die Hersteller solcher Unterstände müssten das Problem doch kennen und auch die Stadt als Auftraggeber hätte das bei der Auswahl bedenken müssen, meint ein besorgter Nachbar. Das Ordnungsamt der Stadt sei inzwischen schon da gewesen. Auch der Naturschutz ist informiert. So könne es schließlich nicht weitergehen. Fuchs, Marderhund und Katzen haben den neuen Futterplatz schon für sich entdeckt. Der Polenzkoer hatte die Idee, mit Tarnnetzen schnell eine provisorische Lösung zu schaffen, damit nicht noch mehr Vögel sterben, aber man habe ihn gewarnt, hier eigenständig einzugreifen.
Der Kreisnaturschutzbeauftragte Matthias Keller war vor Ort, um sich die Gegebenheiten anzuschauen. „Eine Katastrophe für die Vögel“, sagte er. "Die hinter dem Unterstand befindliche Wiese, die Hecken und die Bäume sind Anflugflächen für die Vögel“, erläuterte er. Den Glaskasten nehmen sie nicht als Hindernis wahr und prallen in vollem Flug gegen das Glas. Vögel, die nur verletzt werden, sind dann leichte Beute. Betroffen seien alle Kleinvögelarten, so Matthias Keller. Und im Frühjahr wird es mehr tote Tiere an der Bushaltestelle geben, wenn die Vögel zurückkehren, prophezeite er. Dass die Vögel sich an den Glaskasten gewöhnen, damit sei nicht zu rechnen.
"Hier muss sofort etwas gemacht werden", sagt der Kreisnaturschutzbeauftragte. Er hat auch die Untere Naturschutzbehörde informiert, mit der Stadt wurde noch einmal Kontakt aufgenommen. In der Vogelschutzwarte Steckby ist man alarmiert. Etwas Provisorisches, wie das vorgeschlagene Tarnnetz etwa, müsste sofort veranlasst werden, drängt Matthias Keller. In Bärenthoren hat man bereits versucht, dem Vogelschlag mit schwarzen Vogelaufklebern entgegenzuwirken. Die Aufkleber verhindern allerdings erfahrungsgemäß nur selten Kollisionen.
Der Handlungsbedarf ist da, das zeigt auch ein Blick ins Bundesnaturschutzgesetz. Dort ist im Paragrafen 44 verboten, „wild lebende Tiere der besonders geschützten Arten… zu verletzen oder zu töten“. Alle heimischen Vogelarten sind „besonders geschützt“. Das Tötungsverbot umfasst auch Handlungen, die nicht das Töten zum Ziel haben, bei denen es aber die Folge ist, was auch bei Glasfassaden zutrifft. Laut Gesetz müsste also die Gefahrensituation entschärft werden. Und da gibt es durchaus Möglichkeiten.
Gängigster Weg ist, das Glas sichtbar zu machen. Etwa indem, Ornament - und Strukturgläser, Milch- oder Profilglas verbaut werden, was von den Vögeln als Hindernis erkannt wird, aber trotzdem lichtdurchlässig ist. Auch geätztes oder mattiertes, bedrucktes oder gefärbtes Glas kann verwendet werden. Einfache Streifen in bestimmten Abständen können Vogelschlag schon verhindern. Laut Schätzung der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten aus dem Jahr 2017 wurde die Zahl der jährlich an Glas verunglückten Vögel in Deutschland auf rund 100 bis 115 Millionen pro Jahr geschätzt, wobei nur Gebäude – vom Einfamilienhaus bis zu Hochhäusern, öffentliche Gebäude, Schulen, Verwaltungen, Krankenhäuser – berücksichtigt waren.
