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Corona Hals über Kopf zurück nach Hause

Irland-Erfahrungen sammelte die junge Zerbsterin Maja Kestler. Wegen Corona musste sie ihr Schuljahr im Ausland jedoch abbrechen.

Von Petra Wiese 30.04.2020, 06:00

Zerbst l Wer träumt nicht von der großen weiten Welt? Fremde Länder, Sprachen und Kulturen erleben? Schon für Schüler gibt es da tolle Angebote für Sprachreisen oder ein Austauschjahr. Eine tolle Sache, kann Maja Kestler aus Zerbst da nur sagen. Ihr Abenteuer begann im August des vergangenen Jahres. Eigentlich war ihre Rückkehr erst im Juni geplant. Aber Corona machte einen Strich durch die Rechnung. „Innerhalb von vier Tagen mussten wir nach Hause“, erzählt die Schülerin. So war ihr Schuljahr in Irland am 24. März zu Ende. Siebeneinhalb statt zehn Monate Aufenthalt. Zu schade, so war das nicht geplant. Aber dennoch waren es tolle Erfahrungen, die sie sammeln konnte.

Über die Organisation Education First (EF) reiste Maja nach Irland. Zu Hause hatte man in der Familie darüber gesprochen, ob ein Austauschjahr eine Option wäre, erzählt die Schülerin. Man informierte sich, EF wurde empfohlen und „es stand ganz schnell fest, dass es diese Organisation sein sollte“. Im Dezember 2018 ging es zum Meeting.

Gern hätten es auch die USA sein können, aber Maja war noch 14 zum Beginn des Schüleraustausches. Da war dann Irland die Option. Hier verschlug es die Zerbsterin nach Clara im County Offaly – ganz in die Mitte von Irland, so ziemlich genau auf der Hälfte der Strecke zwischen Dublin und Galway, rund 3000 Einwohner. Zusammen mit ihrer spanischen Gastschwester traf sie bei der Familie ein. Zuvor war noch das Einsteigercamp der Organisation mit allen Austauschschülern an der Reihe. Dort feierte Maja ihren 15. Geburtstag.

Die Gastmutter war 73 und quasi der Gastvater war deren Sohn, der noch im Haushalt lebte. Etwas außerhalb das Einfamilienhaus mit Garten, Hund und Katzen. Ein eigenes Zimmer für jedes Gastkind. Die Familie hatte schon vorher Schülerinnen aus Deutschland bei sich aufgenommen. Ein Glückstreffer, wie sich herausstellen sollte. Als „einen der liebsten Menschen, den ich kennengelernt habe“, beschreibt Maja ihre Gastmutter.

Das war natürlich hilfreich, denn von zu Hause weg zu gehen, war trotz aller Träume und Illusionen ein großer Schritt. „Es gab auf jeden Fall Tränen beim Abschied“, gibt Maja gerne zu. Aber sie wollte das durchziehen, sich auf das Neue, Unbekannte einlassen, mal bei Null anfangen.

Das Schulsystem war dann eine weitere Herausforderung. „Das ist mit Deutschland nicht vergleichbar“, so Maja. Das seien sechs Jahre Grundschule und sechs Jahre Realschule oder Gymnasium, beschreibt sie es. Und dann gibt es da noch das „Transition Year“, das zwischen 9. und 10. Klasse angeboten wird, eine Art Orientierungsjahr, freiwillig. Keine Bücher, keine Tests, keine Klassenarbeiten, fand Maja das ganz gut. „Noten gibt es nur auf Projekte“, weiß sie.

Am Anfang der Begeisterung stand jedoch der erste Schultag. „Das war der schlimmste Tag“, so Maja. Man wurde nicht wirklich aufgenommen. „Ich habe mich total unwohl gefühlt.“ Zu Hause habe sie sich erst einmal bei ihrer Gastmutter ausgeweint. Zwei Tage später seien dann die Klassenkameraden aufgetaut und auf die Neue zugekommen. Freundschaften entstanden. „Fast jeden Tag haben wir was zusammen gemacht“, erzählt Maja. Der Vorteil dieses besonderen Schuljahres war viel Freizeit.

In verschiedenen Gruppen war die Deutsche mit ihren neuen Freunden unterwegs, mal ins Kino, mal nach Dublin. Ja, eine neue beste Freundin fand sich auch. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich mit Englisch so gut zurecht komme“, sagt die 15-Jährige, „aber wenn du musst, wird es immer besser.“ Ihre Eltern hätten es immer bedauert, dass sie nicht besser Englisch können. Nun kann es Maja fließend.

Irisch ist nach wie vor eine Fremdsprache für sie. „Eine total sinnlose Sprache“, findet sie. Irish mussten die Austauschschüler, von denen es einige an der Schule gab, nicht belegen. Alle anderen Fächer in der Schule wurden in Englisch unterrichtet. Von ausgefallen Fächern kann Maja berichten. Da gab es zum Beispiel Holzwirtschaft, Innenarchitektur und Business oder Technologisches Designen am PC.

Ein bisschen Heimweh kam nur in den ersten Ferien auf, aber dann kaum noch. Auch nach Hause fahren hätte die Zerbsterin zwischendurch können, aber das wollte sie nicht. Die Eltern besuchten sie im Dezember, ihre Schwester war im Februar da und danach nochmal ihre Mama, kurz bevor sie selbst abreisen musste.

„Ich bin viel rum gekommen“, kann Maja sagen. Auch über die Organisation wurden einige Trips durchs Land angeboten. Neben Dublin lernte sie Cork und Galway kennen. „Es gibt schöne Städte in Irland.“ Am beeindruckendsten fand sie jedoch die Cliffs of Moher – „einfach gigantisch“. Am Rande der Klippen zu stehen, sei ein „befreiendes Gefühl“ gewesen.

Und noch ein Ereignis wird ihr in ewiger Erinnerung bleiben. Der Abschlussball vom Jahrgang, der im Januar stattfand. „Das war beinahe wie in einem typischen Highschoolfilm.“ Nicht vergessen wird sie auch das irische Weihnachtsfest. Nicht so anders als zu Hause, nur die Vorweihnachtszeit war heftiger. „Wir haben eine Woche gebraucht, um das Haus zu schmücken.“ Gefeiert wurde dann nur der 24. Dezember – da rückte die ganze Familie an, vollzählig, alle acht Kinder mit Partnern und 24 Enkelkinder.

Maja möchte die Zeit in Irland nicht missen. „Man lernt viel dazu und für die Zukunft“, sagt sie, „ich bin selbstbewusster und organisierter geworden, kann mein eigenes Geld verwalten.“ Man lerne, offenen mit anderen Menschen und Kulturen umzugehen und bestimmte Dinge positiv zu sehen, kann sie anderen Jugendlichen ein Austauschjahr nur empfehlen.

An der Mentalität der Iren schätzt sie, dass sie sehr entspannt sind, „die machen sich eigentlich meistens keinen Kopf“. Es sei nicht alles so strikt und geordnet wie in Deutschland. Das Essen von zu Hause habe sie jedoch vermisst. Die besten Köche seien die Iren nicht. Bei ihrer Gastmutter habe es viel Fettiges und Gebratenes gegeben und immer nur Leitungswasser.

Nun ist alles offen, wie es schulisch weiter gehen wird. Für alle und für Maja. Sie wollte eigentlich noch ein Jahr in Irland dran hängen. Corona steht im Raum. Maja ist derzeit regulär in der 9. Klasse am Zerbster Francisceum. Das Home schooling hat sie noch in Irland kennengelernt. Da war schon vor ihrer Abreise zwei Wochen Online-Unterricht.