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Albert-Schweitzer-Familienwerk eröffnet neue Intensiv-Jugendwohngruppe in Deetz Erzieher helfen auf dem Weg zur Selbstständigkeit

Von Daniela Apel 20.09.2012, 05:20

In das einstige Kinderdorfhaus in Deetz ist neues Leben eingezogen. Fortan ist dort eine Intensiv-Jugendwohngruppe untergebracht. Betrieben wird die zum Geschwister-Scholl-Heim in Zerbst gehörende Einrichtung vom Albert-Schweitzer-Familienwerk.

Deetz l Als behagliches Heim präsentiert sich das einstige Lehrlingswohnheim nach der erfolgten Generalsanierung. Sieben Mädchen und Jungen im Alter von 10 bis 17 mit individuellen Problemlagen haben hier ein vorübergehende Zuhause gefunden. Bis zu zwei Jahre werden sie in der neu geschaffenen Intensiv-Jugendwohngruppe bleiben. In dieser reizarmen Umgebung, gepaart mit klarer Struktur und hoher Betreuungsdichte, erhalten sie die speziellen pädagogischen und therapeutischen Angebote, die sie benötigen.

Bereits am 1. April nahm die Einrichtung ihre Arbeit auf. "Uns war es wichtig, ein Haus mit dieser Aufgabenstellung nicht als sterile Institution zu präsentieren, sondern als einen lebendigen Ort, an dem seine dort lebenden Jugendlichen und Mitarbeiter ihre ersten Spuren hinterlassen haben", begründete Rainer Schnelle die erst jetzt stattgefundene offizielle Eröffnung des Hauses. Dieses ergänzt fortan das Leistungsspektrum des von ihm geleiteten Geschwister-Scholl-Heimes in Zerbst, das zum Albert-Schweitzer-Familienwerk (ASF) gehört.

Eigene Stärken sollen entdeckt und gefördert werden

"Die Überlegung zur Intensiv-Jugendwohngruppe ergab sich aus den Erfahrungen innerhalb unserer Verselbstständigungsgruppe am Weinberg sowie einer Zunahme an Anfragen zur Aufnahme von Jugendlichen im Anschluss an eine stationäre Therapie", blickte Schnelle zurück. Als Gebäude bot sich das mehrgeschossige Haus in der Zerbster Straße in Deetz an, in das 1991 die erste Kinderdorffamilie einzog. "2009 endete die Nutzung als Kinderdorfhaus, da es immer schwieriger wurde, engagierte Eltern für diese Aufgabe zu finden."

Vorübergehend diente es daraufhin unter anderem als Heim für Klein- und Kleinstkinder. Schließlich stand es wieder leer. "Aber Leerstand ist Verfall und das hat dieses Haus nicht verdient", berichtete Schnelle, wie das neue Nutzungskonzept geboren wurde. Um es umzusetzen, musste das Gebäude zunächst saniert werden. Nach der Erneuerung des Daches ging es im Frühjahr 2011 mit dem Innenausbau weiter.

Das Ergebnis ist ein gemütliches Heim. Den Jugendlichen stehen schmucke Einzelzimmer zur Verfügung, in die sie sich bei Bedarf zurückziehen können. Es gibt eine geräumige Essküche mit Couchecke und einen weitläufigen Garten. Dort befindet sich seit Neuestem ein Volleyballfeld, das dank Sponsoren errichtet werden konnte. Als Einweihungsgeschenk soll die Anlage als Ansporn für die weitere Arbeit dienen, warf Schnelle Teamleiterin Beatrice Vogel buchstäblich den Ball zu.

Insgesamt zehn Frauen und Männer umfasst das Team. Neben einer Psychologin kümmern sich fünf Erzieher - zwei sind immer vor Ort - um die Jugendlichen, die durch das Jugendamt vermittelt werden und freiwillig hier sind. Unterstützung bekommen sie von zwei pädagogischen Mitarbeitern sowie einer Hauswirtschafterin. Zusammen sorgen sie für einen strukturierten Tagesablauf und ein stabilisierendes Umfeld für die pädagogische Arbeit mit ihren Schützlingen.

Rainer Schneller sprach von der Aufarbeitung von Schlüsselsituationen durch die Schaffung einer Vertrauensbasis und die Mobilisierung eigener Ressourcen. "Die Entwicklung einer gesunden Akzeptanz gesellschaftlicher Normen und Werte sowie einer realistischen Lebensplanung sind ein gesetztes Ziel", führte er aus.

Respektvoller Umgang untereinander ist das Ziel

Das Wecken von Freizeitinteressen und die Förderung von Begabungen sei ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Wege zur Selbstständigkeit. Die derzeit fünf Mädchen und zwei Jungen erhalten die Möglichkeit herauszufinden, in welchen Bereichen ihre Stärken liegen. Dazu dient die nachmittägliche Freizeit, in der sie ihr handwerkliches Geschick testen, ihrer kreativen Ader nachgehen oder beim Fußball ihr sportliches Talent entdecken können.

Darüber hinaus sind die Jugendlichen aufgefordert, im gemeinsamen Haushalt mit anzupacken - angefangen beim Treppe fegen bis zum Geschirr wegräumen. Auch an die gemeinsam erstellte Hausordnung sollten sie sich halten. Das Erzieherteam arbeitet mit systemischen Ansätzen. Das bedeutet, positives Verhalten wird individuell anerkannt und verstärkt durch die Vergabe von "Sternchen", die beispielsweise gegen Kinobesuche eingetauscht werden können, wie Beatrice Vogel erzählt. Ein respektvoller und wertschätzender Umgang untereinander soll gefördert werden und zu einer Wohlfühlatmosphäre im Haus beitragen.

Nicht zuletzt werden die Eltern der Jugendlichen eng einbezogen. So waren die Mütter und Väter am Eröffnungstag ebenfalls eingeladen, sich die Einrichtung einmal anzusehen und die Erzieher kennenzulernen. Und das Angebot wurde gut angenommen. So klang der Tag beim Kaffeetrinken und Volleyballspiel gesellig aus.