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Heimat Friedrichsholz weckt Erinnerungen

Viele Ältere können Geschichten zum Zerbster Friedrichsholz erzählen. Dort wurde gesungen und getanzt.

Von Thomas Kirchner 24.03.2018, 00:01

Zerbst l „Das ist natürlich die ehemalige Gaststätte Waldfrieden, ehemals Friedrichsholz“, hat Almut Paulsen als Zerbsterin sofort erkannt. Der frühere Park, heute immer noch ein schönes Waldgebiet, liege vielen Zerbstern am Herzen. Die Stürme vergangener Jahre seit „Kyrill“ hätten sehr am Waldstück genagt, auch die Gaststätte gibt es nicht mehr – dafür einen Sport- und Spielplatz für Kinder und Jugendliche.

„Bereits 1946, kurz nach dem Krieg, wurden die Räumlichkeiten mit als erste als Kindergarten in Zerbst genutzt, erinnert sich die Zerbsterin. Meine Tante, Ruth Wecke, schreibt in den Zerbster Neusten Nachrichten im Oktober 1964:

„Ich arbeitete 1946 im Kindergarten Waldfrieden. Die Kinder waren auf der Bühne untergebracht. Im Winter war es dort bitter kalt. Wir hatten kein Licht, wussten uns allerdings zu helfen. Wir öffneten das Feuerloch unseres Küchenherdes, auf dem wir Kaffee kochten und hatten es so wenigstens hell genug, um zu basteln.

Von der Bühne zogen wir später um in die Kegelbahn der Gaststätte, dann ins Vereinszimmer. Ich entsinne mich noch an einige Kinder, die im Winter barfuß in Holzpantoffeln kamen. Für sie flochten wir aus Stroh Hausschuhe, damit sie tagsüber warme Füße hatten“.

Sie selbst habe diese Waldfrieden-Kindergartenzeit als kleines Mädchen miterlebt und alles in guter Erinnerung. In den späteren 1950er und 1960er Jahren sei ihr das Pfingstsingen in guter Erinnerung. „Ellen Arndt leitete den damaligen Chor der Wema bei seinen Auftritten. Für unsere eigenen Kinder war der Waldfrieden das Spielparadies ihrer Kindheit“, schwärmt Almut Paulsen.

„Heute liegt mir der Waldfrieden in Wohnnähe noch immer sehr am Herzen und ich hoffe, dass er uns als Wald noch lange erhalten bleibt“, schreibt Almut Paulsen.

„Ich bin im letzten Haus auf der rechten Seite der Friedrichsholzallee vor der Gaststätte geboren worden“, erzählt Fritz Schmidt. Er sollte als kleiner Steppke mal Zigaretten aus der benachbarten Gastwirtschaft „Friedrichsholz“ holen.

„Ich konnte noch nicht einmal richtig sprechen. Ich also rüber und sage dem Wirt, ich möchte ‚Zgretten‘ haben. Worauf er antwortete: „Na dann komm mal heute Abend mit deinem Papa wieder, dann kriegst Zgretten.“

Da habe ich vor Wut an den Tresen gepullert“, schildert der Rentner lachend. Das sei für seinen Vater teuer geworden, der musste nämlich anschließend eine Lokal-Pullerrunde für alle ausgeben.

Auch Ingeborg Flügel verbindet schöne Erinnerungen mit der Gaststätte Waldfrieden. „In meiner Sturm- und Drangzeit habe ich kaum eine Tanzveranstaltung verpasst“, erzählt die Zerbsterin am Telefon.

Regelmäßig sei sie mit ihren Freundinnen in den Waldfrieden zum Tanzen gegangen. „Besonders gut erinnere ich mich an die Geburtstagsfeier meines Vater“, sagt Ingeborg Flügel.

Er sei 65 Jahre alt geworden. „Es war eine wunderschöne Feier unter der damaligen Gaststättenleiterin Renate Wieske sowie Küchenleiter und Koch Thomas Kirchner“, freut sie sich noch heute.

„Ich ging damals in die Grundschule 1 und unsere Abschlussfeier fand am 4. Juli 1954 in der Gaststätte Waldfrieden statt“, erinnert sich Helmut Lehmann, als sei es gestern gewesen.

Nun sei dieses Datum ja auch ein denkwürdiges für Deutschland gewesen, denn im Berner Wankdorf-Stadion wurde zur selben Zeit das Fußball WM-Endspiel zwischen Deutschland und Ungarn ausgetragen.

„So hatte glücklicherweise jemand ein kleines Kofferradio mitgebracht, so dass wir dieses „Rahn schießt! Rahn schießt! Tooooor!!! Tooor!! Tooor! Toor für Deutschland!“ live miterleben konnten. Im Saal brach ein Jubel aus, dass die Wände wackelten“, schildert Lehmann den deutschen WM-Sieg auch im Zerbster Waldfrieden.

Gisela Thiem war am Donnerstag bei ihrer Nachbarin Waltraud Kirchner auf dem Kleinen Wall zum Geburtstagskaffee eingeladen. „Sie wurde 88 Jahre alt und hat mich schon an der Tür empfangen: „Hast´ gesehn´? Heute wird das Lokal Friedrichsholz gesucht.“, erzählt Gisela Thiem. Natürlich „der“ Anlass, beim Kaffee Geschichten und Erinnerungen auszutauschen.

An die vielen Disko- und Tanzveranstaltungen denkt auch Andreas Indenbirken gerne zurück. Als kleiner Steppke habe er sich außerdem regelmäßig im Waldfrieden das Taschengeld aufgebessert.

„Ich habe jeden Donnerstag in der Kegelbahn die Kegel aufgestellt. Drei Mark habe ich dafür bekommen, bei Wettkämpfen sogar fünf“, erzählt Indenbirken am Telefon.

Früher war das Friedrichsholz mehr als Park angelegt. „Es gab wunderschöne Wege mit Sichtachsen die auf einer Lichtung zusammenkamen. Dort waren mehrere Skulpturen aufgestellt“, beschreibt Jürgen Schmidt den Friedrichsholz-Park. Die Skulpturen seien später zerstört, der Park zum Forst umgewidmet worden“, erklärt Jürgen Schmidt.

„Aus dem ehemaligen „alten Hainholz“ wie das Waldstück um 1310 genannt wurde, entstand durch die Initiative der Mutter von Katharina der Großen, Fürstin Johanna Elisabeth, eine Parkanlage, die 1749 den Namen „Friedrichsholz“ zur Ehren ihres Sohnes Johann Friedrich erhielt“, weiß Siegfried Schellin aus Güterglück.

Es seien ein Jäger- und Bruthaus sowie ein Zwinger erbaut sowie Wege angelegt worden. Im Jahre 1793 wurde die erste Gaststätte im Jägerhaus eingerichtet und später im Bruthaus ein Tanzsaal in Betrieb genommen.

Was so ziemlich alle Anrufer und Email-Schreiber gemeinsam haben: Die Erinnerungen an Pfingsten im Waldfrieden mit dem alljährlichen Chortreffen, Musik und Tanz. Die vielen Geschichten zum Friedrichsholz und Waldfrieden hätten eine weitere Zeitungsseite füllen können.

Erkannt haben das Ausflugslokal unter anderem auch Lisa Ludolf, Harald Neupert, Helmut Morbach, Heinz Stamann, Ursula Hackemesser, Fritz Rekow, Marlies Walk, Erich Schönemann, Bärbel Krolop, Wolfgang Gens, Detlef Teßmann, Frau Falkenberg aus Nutha, Helga Reinald, Ina Morgenstern, Robert Walk, Lothar Platte und Ulrich Hellwald.

Unser kleiner Sachpreis geht in dieser Woche an Bärbel Krolop und kann wochentags in der Lokalredaktion im Sparkassengebäude abgeholt werden.