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PersonalmangelBald keine Entbindungen mehr

Zerbster Babys werden künftig nicht mehr in ihrer Heimatstadt das Licht der Welt erblicken. Die Entbindungsstation wird geschlossen.

Von Thomas Kirchner 19.06.2018, 01:01

Zerbst l Nun ist es Realität. Ab 1. Juli 2018 wird es keine Entbindungen mehr im Zerbster Krankenhaus geben, wie die Klinikgeschäftsführung am Montag mitteilte. Seit Jahren schon schwebten Diskussionen um die Schließung wie ein Damoklesschwert über der Entbindungsstation der Zerbster Helios Klinik.

„Unser Engagement für werdende Eltern und die Investitionen in eine neue Station und das Eltern-Kind-Zentrum sollten Grundlage für eine langfristige wohnortnahe Betreuung sein“, sagt Klinikgeschäftsführer Georg Thiessen. Bereits seit über drei Jahren sei man daher auch auf intensiver Personalsuche gewesen. „Dies haben wir sowohl in Zeitungen, Radio, Internet und den sozialen Medien sowie über Vermittlungsagenturen, Headhunter und das Arbeitsamt forciert. Trotzdem bekommen wir zunehmend den Fachkräftemangel zu spüren. So können wir keine dauerhafte qualifizierte stationäre Betreuung werdender Mütter aufrecht erhalten“, sagt Thiessen.

Um genau diese Versorgung von Mutter und Kind zu gewährleisten, sind insgesamt 5,6 Vollkräfte im Dreischichtsystem bei den Hebammen sowie fünf bis sechs Mitarbeiter im ärztlichen Dienst, zum Beispiel vier Fachärzte und zwei Assistenzärzte, notwendig. Derzeit gebe es in der Klinik aber nur drei Ärzte, davon ist eine Ärztin nicht verfügbar, sowie sechs Hebammen, davon ist eine in Elternzeit und eine im Langzeitkrank.

Vor erst zwei Jahren, am 10. August 2016, weihte die Klinik moderne Kreißsäle und eine neugestaltete Entbindungsstation ein. 1,7 Millionen Euro hatte Helios in den Neubau investiert. „Das Projekt ist wichtig fürs Haus“, betonte Thiessen damals und das es ein Signal sei, den Standort zu sichern. Nun wird die neue Station in wenigen Tagen geschlossen.

Mit dem aktuellen Personalbestand könne man nicht mehr reagieren, wenn Kollegen krankheits- oder urlaubsbedingt ausfallen. „Wir sind den Hebammen und Ärzten sehr dankbar für Ihren bisherigen Einsatz, wissen aber auch, dass ein weiterer massiver Überstundenaufbau eine zu hohe Belastung für jeden einzelnen ist und damit keine dauerhafte Lösung sein kann“, so Thiessen. Die intensive Personalsuche hätte nur kurzzeitig Besserung verschafft. Die Gynäkologie wird als Belegabteilung weitergeführt.

Das Alternativangebot: Eine Kooperation mit den Geburtsabteilungen der Kliniken in Köthen und Burg. Sie soll eine lückenlose Betreuung von Schwangeren gewährleisten. „Das Storchentaxi bringt werdende Mütter auf Wunsch in eine der beiden Kliniken, wo sich ein erfahrenes Team während der Geburt um Mutter und Kind kümmert“, sagt Thiessen. Auch die in der Klinik ansässige Facharztpraxis für Gynäkologie und Geburtshilfe soll weiterhin für Schwangere und Patientinnen geöffnet bleiben. Geplant sei außerdem der Aufbau einer Hebammenpraxis am Zerbster Standort.

Die Teams der Geburtskliniken aus Köthen und Burg stellen sich am 27. Juni, von 15 Uhr bis 17 Uhr, in der Zerbster Klinik vor. „Werdende Mütter und Väter sowie frisch gebackene Eltern liegen uns auch weiterhin am Herzen“, betont Thiessen. Eine weitere Alternative ist natürlich das städtische Klinikum in Dessau, welches auch über eine Kinderstation verfügt

„Mit den Mitarbeitern der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe sind wir im engen Austausch und kümmern uns um eine Weiterbeschäftigung in den geburtshilflichen Abteilungen der Helios Kliniken in Köthen und Burg oder in anderen Helios Kliniken“, wird informiert.

Auch der Betriebsrat wurde erst am Montag über die Schließung der Station informiert. „Wir müssen uns erst einmal beraten. Die Geschäftsführung hat ihre Gesprächsbereitschaft über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan signalisiert“, erklärt Yves Zelmanski, Betriebsratsvorsitzender auf Volksstimme-Nachfrage. Mehr könne er im Moment nicht sagen.

Bürgermeister Andreas Dittmann (SPD) zeigt sich entsetzt von der Nachricht über die Schließung der Entbindungsstation. „Ich erhielt heute Morgen einen Anruf von Klinikgeschäftsführer Georg Thiessen“, erklärt Dittmann gegenüber der Volksstimme.

Man könne auf Grund der Personalsituation eine Behandlung 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche nicht mehr gewährleisten. Zudem sei dies medizinische nicht mehr zu vertreten, habe der Geschäftsführer ihm gegenüber erklärt. „Das ist eine niederschmetternde Nachricht“, sagt der Rathauschef betroffen. Dass die Klinik auf allen Kanälen auf der Suche nach Fachkräften ist, habe er natürlich mitbekommen, doch mit einer Schließung so kurz nach dem Neubau der Station, einer Millioneninvestition, habe er nicht gerechnet.

„Ich wollte natürlich vom Geschäftsführer wissen, ob das der Einstieg in den Ausstieg ist“, erklärt Dittmann, das habe Georg Thiessen kategorisch verneint, der Standort Zerbst als Ganzes stehe nicht zur Debatte.

Ob die Entscheidung für die Schließung der Geburtsstation endgültig sei oder man weiter auf Personalsuche gehe, um in Zerbst doch wieder Babys auf die Welt zu holen, wurde seitens des Klinikums eindeutig beantwortet mit: „Leider trifft der deutschlandweite massive Mangel an Hebammen und Fachärzten auch unsere Geburtshilfe. Deshalb beschäftigen wir uns schon seit Jahren intensiv mit der Personalsuche und sehen hier weder eine kurzfristige noch langfristige Entspannung der Lage. Das oberste Ziel einer Geburtshilfe ist die sichere Versorgung von Mutter und Kind. Durch den derzeitigen Mangel an Fachkräften ist es uns bei Ausfällen wegen Urlaub, Krankheit oder Elternzeit leider nicht mehr möglich diese hohen Qualitätsstandards aufrecht zu erhalten. [...] Deshalb werden wir keine stationären Entbindungen mehr anbieten, was wir sehr bedauern.“