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Harz-Hochwasser Rückkehr an die Holtemme

2017 drohte die Holtemme, den Harz-Ort Silstedt zu überfluten. Im Hochwassereinsatz waren damals auch Kräfte aus Anhalt-Bitterfeld.

Von Daniela Apel 06.08.2019, 07:00

Silstedt/Steutz l Sanft plätschert die Holtemme dahin. Das Laub der Bäume raschelt, während sich Getreideähren im Wind wiegen. Ein Naturidyll. Einzig die steinerne Ufermauer erinnert an die drohende Katastrophe vor zwei Jahren. Zu einem reißenden Strom war der kleine Fluss angeschwollen. Die Bilder hat Ronny Leseberg bis heute vor Augen. Er war Einsatzleiter, als die Holtemme drohte, ganz Silstedt zu überfluten.

Zuvor hatte es im Harz ununterbrochen geregnet. „250 Liter auf dem Brocken, 200 in Wernigerode, 180 in Schierke“, listet der Ortswehrleiter die enormen Niederschlagsmengen auf, die Silstedt zunehmend bedrohten. „Man konnte zusehen, wie das Wasser anstieg“, schildert er das Geschehen. Es war der 26. Juli 2017, als die Holtemme rasant anschwoll und immer unbezähmbarer wurde. Ein Damm brach und der Fluss ergoss sich ungehindert ins Unterdorf. Die Fluten umspülten auch das Wohnhaus von Ronny Leseberg. „Plötzlich hatte ich ein Inselgrundstück“, kann er heute darüber scherzen.

Damals schossen ihm ganz andere Gedanken durch den Kop, während er im Dauereinsatz ist und versucht, Schäden einzudämmen und anderen zu helfen. „An dem Tag hätte ich mehr Kräfte gebraucht“, sagt Ronny Leseberg. Unterwegs waren sie. Auch aus Anhalt-Bitterfeld. Unter der Leitung von Kreisbrandmeister Heiko Bergfeld rückte die Einheit des Katastrophenschutzes mit 79 Kameraden und 17 Fahrzeugen an – auch Feuerwehrmitglieder aus Steutz, Nutha, Lindau und Deetz/Badewitz befanden sich darunter. Im Harz angekommen, unterstützten sie erst in der Altstadt von Wernigerode. Kleinere Pumparbeiten in Ortsteilen wie Hasserode folgten.

Hauptkampftag war jedoch der 27. Juli 2017, als sich die Situation in Silstedt plötzlich dramatisch zuspitzte. „Eigentlich wollten wir die Folgeschäden vom Vortag beseitigen“, blickt Ronny Leseberg zurück. Stattdessen sorgte die Holtemme für eine neue Bedrohung. In einer langgezogenen Flussbiegung hatten die Wassermassen das Ufer unterspült. „Meter für Meter brach es weg“, erzählt der Ortswehrleiter. Auf einmal bestand die Gefahr, dass eine unkontrollierte Flutwelle den gesamten Ort überschwemmt. Hinzu kam die freigespülte Gasleitung, die es ebenfalls zu sichern galt.

Tatkräftige Hilfe erhielten die Silstedter aus Anhalt-Bitterfeld. Während ein Zug des Katastrophenschutzes in Langenstein half, gegen eine drohende Deichabrutschung zu kämpfen, waren die übrigen Kameraden an der Holtemme im Einsatz. Zu ihnen gehörte Sven Apel von der Steutzer Orsfeuerwehr, der seit damals in Kontakt mit Ronny Leseberg steht.

Nun, zwei Jahre später, treffen sich beide erneut im Harz. Lächelnd begrüßen sich die Männer vorm Feuerwehrgerätehaus von Silstedt. Von dort aus spazieren sie plaudernd bis zur Holtemme. Dann stehen sie genau an jenem Uferbereich, über dem 2017 zwei Bundeswehr-Hubschrauber kreisten und Bigbags brachten. „Du oder ich hatten die Idee“, erinnert Ronny Leseberg den Steutzer, wie der Ortsbürgermeister von Wernigerode den Vorschlag sofort aufgriff und die Hubschrauber orderte.

Es war die einzige Möglichkeit, die 700 Kilo schweren, mit Kies gefüllten Säcke an die Stelle des Flusses zu bringen, wo jener auszubrechen drohte. Mit den Bigbags wurde nicht nur das aufgeweichte Ufer stabilisiert, sondern auch die Gasleitung gezielt fixiert. Im kalten Wasser standen Kameraden, um die Füllräume dazwischen mit kleinen Sandsäcken zu verdichten.

Statt mit Spuntwänden, wie es sich der Silstedter Ortswehrleiter gewünscht hätte, ist der Uferbereich jetzt mit Steinen befestigt. Gut zwei Meter hoch ist die gepflasterte Wand aus Granit und Beton. „Geplant ist noch ein Umflutgraben“, erzählt Ronny Leseberg. Im Moment führt die Holtemme aufgrund der Trockenheit nur wenig Wasser. Doch bei jedem starken Regenfall muss er an das schlimme Hochwasser denken.