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Historisches Foto vom Ausflugslokal "Friedrichsholz" weckt bei Lesern vielfältige Erinnerungen Waldfrieden: Hier traf sich einst ganz Zerbst

Von Daniela Apel 16.03.2013, 02:21

Das historische Foto vom Ausflugslokal "Friedrichsholz" ließ am Donnerstag viele Leser zum Telefonhörer greifen.

Zerbst l "Das kann nur der Waldfrieden, ehemals Friedrichsholz sein", ist sich Karl-Heinz Wilke beim Blick auf das historische Heimatfoto sicher. Das abgebildete Ausflugslokal erkennt der Zerbster sofort. Er berichtet vom Jugendtanzcafé zu DDR-Zeiten, das er damals genauso besuchte wie die existierende Kegelbahn, sowie den Silvesterfeiern. "Einmal ist der Strom ausgefallen", beschreibt Wilke, wie die Kapelle bei Kerzenschein weiter spielte. Und noch etwas fällt ihm ein: Gegenüber des Gasthauses stand eine Konzertmuschel. "Da ist in den Siebzigern eine Frau umgebracht worden", schildert er, dass der Täter ein ehemaliger Jugendfreund gewesen sei.

"Was man nicht alles als Kind erlebt hat", bemerkt Fritz Schmidt. Lachend erzählt der 86-Jährige, wie er als Steppke mal ganz allein vom Wirt forderte: "Höschel, Zretten." "Da holst Du deinen Vater", rückte dieser allerdings keine Zigaretten raus. Und was tat der zweijährige Fritz darauf? Er pinkelte an den Tresen. "Die Sachbeschädigung hat meinen Vater eine Stammtischlage gekostet", denkt er gern an diese niedliche Begebenheit zurück. "Das vergisst man nicht."

Beim Blick auf die alte Aufnahme fällt Gabriele Kühne spontan die Hochzeitsfeier ihrer Freundin vor über 30 Jahren ein. "Plötzlich hieß es, die Braut ist weg", sagt sie, dass die meisten den Brauch nicht kannten. "Der Schwager hatte sie ins Haus des Handwerks entführt", schildert die Zerbsterin, wie sie den ganzen Waldfrieden absuchten - natürlich vergeblich. Da auch die Eingeweihten nichts verrieten, kippte die Stimmung ...

"Als Jugendlicher habe ich dort im Saal geboxt", erinnert sich Hans-Jürgen Gülle. Alle seine 25 dort absolvierten Kämpfe gewann das Leichtgewicht. Nicht einer ging verloren. "Ich war zwar klein, aber kräftig", rang er so manchen Gegner im k.O. nieder. Das Publikum johlte und trug ihn auf Schultern raus zum Tresen. Wunderbar habe der Siegerschnaps auf den aufgeplatzten Lippen gebrannt, gesteht der Zerbster.

Auch Harald Zeidl war oft im Waldfrieden anzutreffen. "Das Jugendtanzcafé war unsere Probestätte", erzählt der gebürtige Lübser, wie er von 1963 bis 1972 in der Band "Team 17" spielte. "Es war eine schöne Zeit", denkt er an all ihre Auftritte zurück - viele davon im Saal der Gaststätte. Unterdessen griff Jürgen Schmidt in der "Teenager-Band" zur Gitarre. Zugleich berichtet er von der "Musik-Box" im Jugendtanzcafé. "Das war irre. Die hatten die ersten beiden Beatles-Hits ,She loves you\' und ,I want to hold your hand\'", liegt bis heute die Begeisterung in seiner Stimme. "Wir haben unser ganzes Kleingeld zusammengekratzt und die Titel rauf und runter gespielt." Schmidt entsinnt sich ebenfalls, wie er als Jungredakteur der Zerbster Neuesten Nachrichten hier mal den Radrennfahrer Klaus Ampler interviewte.

Auch Waldfrieden-Anwohner hatten ihre Freude

"Ach, was haben wir da gefeiert", denkt Elke Kittler gern zurück. Zumal sie im Friedrichsholz groß geworden ist. Als Kind tollte sie zwischen den Bäumen herum oder suchte Pilze mit der Mutter, die dem Volkschor (WEMA-Chor) angehörte. So schwärmt die Zerbsterin zugleich von den wunderbaren Pfingstsingen. Annemarie Gründer saß dann auf ihrem Hof in der Friedensallee, schälte Spargel und lauschte dem Gesang. "Das war immer sehr schön", bestätigt Inge Pakendorf. Jeden Sonntagnachmittag führte ihr Ausflug in den Waldfrieden, wo sich der Nachwuchs austoben konnte, während die Erwachsenen beim Kaffee plauderten.

"Als Kinder haben wir gern am Katzenteich gespielt", verrät Brigitte Seifert. Die Zerbsterin erzählt, wie sie in der Gaststätte Waldmeisterbrause trank und wie die Kaufhalle am Teufelstein aufgrund von Renovierungsarbeiten kurzfristig in den Waldfrieden verlagert wurde. "Wir haben dann alle Waren dort verkauft."

Unterdessen verbindet Helmut Lehmann mit der Aufnahme vom Friedrichsholz etwas ganz anderes: "Am 4. Juli 1954 während unserer Grundschulabschlussfeier haben wir dort im Radio gehört, dass die BRD Fußballweltmeister geworden ist." Daneben berichtet er, wie sie in den Fünfzigern im Waldfrieden öfter Bucheckern zum Kuchenbacken sammelten.

"Mir ging das Herz auf, als ich das Bild gesehen habe", gesteht Lisa Ludolf. Mit Kind und Kegel sei es damals zum Ausflugslokal gegangen. "Es war wunderschön", schildert sie verschiedene Erinnerungen. "Mein Vater hat da Musik gemacht", ist eine. Wie sie einmal mit dort gepflückten Maiglöckchen einer schwer kranken Frau ein glückliches Lächeln ins Gesicht zauberte oder an Pfingsten dort mit dem Chor gesungen hat, sind andere. Nicht zu vergessen ist jener Umzug vom Markt hin zum Waldfrieden, an dem Lisa Ludolf als Kind teilnahm. "Wir stellten die einzelnen Monate dar." Sie selbst trug als Symbol für den September einen Korb mit Kartoffeln. "Auf der Neuen Brücke ist er mir runtergefallen", hat sie die wegkullernden Kartoffeln noch vor Augen.

Leserin kennt Gebäude wie die eigene Westentasche

"Ich sehe noch alles genau vor mir", sagt Regina Lange. Im Geiste geht sie über die Veranda weiter durch den Saal mit Bühne und Podium bis zur Gaststätte mit der riesigen Küche. Neben Hausmeisterhaus und Waschküche berichtet sie vom hofseitigen Garten und der Kohleheizung. "Das Foto erinnert mich so an meine Kindheit." Nach dem Zweiten Weltkrieg besuchte die Zerbsterin den Kindergarten, der zwischenzeitlich im kleinen Saal unterbracht war. Nachhaltigen Eindruck hinterließ später die erste Pionierzusammenkunft im Vereinszimmer. "Da bin ich bei den Pionieren eingetreten." Heute bedauert Regina Lange wie fast alle Anrufer, dass es das Ausflugslokal nicht mehr gibt. "Es ist traurig und schade, dass das abgekokelt wurde", findet sie. "Man kann nicht beschreiben, was Zerbst dort verloren gegangen ist."

Hermann Walk erzählt, der Waldfrieden sei oft Ausflugsziel gewesen. Vor allem in den 70-er Jahren war dort häufig Gast. "Ich erinnere mich an einen Besuch eines Tanzabends. Da wollte ich mit meiner Frau rein, und an der Tür hieß es, Omas und Opas lasse man nicht ein. Dabei waren wir gerade 30!", schmunzelt er beim Erzählen über die damaligen kleinen Frechheiten der Jugend.

Hannelore Bormann aus Zerbst, heute fast 75, erinnert sich haargenau: "Dort habe ich meinen Mann kennengelernt. Dort haben wir mit den Kindern gespielt, dorthin sind wir mit der ganzen Familie sehr gern und sehr oft gegangen, wenn wir einen Ausflug machten. Mit meinen Eltern, den Kindern, teils im Kinderwagen - der ganze Tross." In den 60-er Jahren sei das gewesen. Seinerzeit waren die Ausflüge zu derartigen Objekten - auch zum Vogelherd zog es Familie Bormann häufig - der Höherpunkt des Familienlebens.

So zog es auch Christa Kunikowski 1962 samt Eltern und Sohn zu einem Konzert in den Waldfrieden-Pavillon. Auch an einem der Maskenbälle nahm sie teil. "Wir sind da mit dem Motorrad zum Scherbeln hingefahren", blickt Helmut Morbach aus Güterglück zurück. Unterdessen entsinnt sich Lisbeth Straube aus Deetz, wie sie 1957 nach bestandener Führerscheinprüfung mit ihrem Fahrlehrer und einer weiteren jungen Frau im früheren Friedrichsholz einen Kaffee getrunken hat. "Unsere Schulausflüge gingen meist in den Waldfrieden", berichtet Monika Redel. Als Jugendliche ging sie dort später zum Tanzen. Auch beim Zerbster Heinz Hochgraf und Hildegard Meerkatz aus Dobritz ruft die historische Aufnahme Bilder von schönen Ausflügen und vergnüglichen Feiern hervor.

Unter allen Anrufern wurde ein Duschtuch samt Kugelschreiber verlost. Über den Preis kann sich Fritz Schmidt freuen. Der Gewinn wartet ab Montag in der Lokalredaktion auf ihn.