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Zwischen Freispruch und Haft

18.01.2013, 01:19

Von Andreas Behling

Dessau/Zerbst l Freispruch! Verteidiger Sven Tamoschus formulierte die Forderung für seinen 49 Jahre alten Mandanten unmissverständlich. Doch ob sein Antrag in dem Prozess um eine versuchte Vergewaltigung Früchte trägt? Die 1. Strafkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau um ihren Vorsitzenden Richter Stefan Caspari nahm in dieser Woche zunächst nur die Plädoyers entgegen. Das Urteil fällen will sie am 28. Januar.

Tamoschus ging davon aus, dass es nach der erfolgreichen Revision beim Oberlandesgericht (OLG) Naumburg im erneut durchgeführten Berufungsverfahren schlichtweg am Nachweis fehlte, dass sich der aus Indien stammende Angeklagte im Januar 2010 an einem damals 15-jährigen Mädchen aus dem Kinderheim Zerbst sexuell verging.

Zur Tatzeit herrschte zum Teil strenger Frost. Die Schneedecke war auch in der ans Heim grenzenden Grünanlage, dem Tatort, knapp zehn Zentimeter dick. Der Verteidiger zeigte sich erstaunt, dass diese Umstände für das Opfer überhaupt nicht wichtig gewesen sein sollen. "Wenn sie zu Boden gezogen wurde, dann hätte sie erhebliche Nässe und Kälte spüren und sich daran erinnern müssen", sagte er. Das könne man nicht einfach vernachlässigen. Tamoschus unterstellte, dass die heute 18-Jährige anfänglich vielleicht deshalb kein Verfahren wollte, weil es gar keinen Täter gab. Und nehme man doch an, dass es einen solchen Vorfall gab, stehe nicht fest, dass sein Mandant über sie herfiel.

Es sei von einem Vermischen und Überlagern von Gedächtnisspuren auszugehen. Diese seien in eine falsche Erinnerung gemündet. "Ja, der hier Angeklagte hat das Mädchen und zwei ihrer Freunde im Herbst 2009 im Park eingeladen, sich einen schönen Abend zu machen. Das gibt er zu. Mehr aber auch nicht", formulierte Tamoschus. Man wisse überhaupt nicht, wann sich nach dem sexuellen Übergriff die Verknüpfung zur Person des 49-Jährigen ergab.

Staatsanwältin Sabine Monnet ließ derweil keinerlei Zweifel an der Schuld des Mannes zu. Selbst das OLG sei niemals davon ausgegangen, dass jemand anders als der Angeklagte als Täter in Frage komme. "Ich wollte nur geprüft sehen, ob ein Rücktritt vom Versuch vorliegt. Aber ich sehe selbst dafür keinen Anhaltspunkt.". Aus ihrer Warte muss es folglich bei der Haftstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten bleiben. "Ich gehe davon aus, dass nach diesem merkwürdigen Gespräch vor der Parkbank eine feste Gedächtnisspur entstand." Eine Verwechslung halte sie für ausgeschlossen. Denn so viele Männer vom Aussehen des Angeklagten würde es in Zerbst nicht geben.

Er sei überzeugt, so Anwalt Rüdiger Wiedemann, der die 18-Jährige als Nebenkläger vertritt, dass man gar nicht im Gericht sitzen würde, wenn es jenen bereits sexuell geprägten Anbiederungsversuch im Jahr 2009 nicht gegeben hätte. Erst dieser Vorfall habe das spätere Wiedererkennen ermöglicht. "Und es ist doch wirklich niemand auf die Idee gekommen, dass im Januar 2010 nichts zwischen der jungen Frau und dem Angeklagten stattfand." Gleichwohl überraschte Wiedemann mit der Bitte ans Gericht, bei der Strafzumessung eine Milderung zu prüfen. Dies lasse das Gesetz bei einer versuchten Tatbegehung zu.