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Massive Einschnitte drohen Gnadenfrist für kleine Bahnlinien

Sachsen-Anhalts Nahverkehrszüge freuen sich über mehr Reisende - trotz
sinkender Einwohnerzahlen. Doch das Budget droht für die Ostländer zu
schmelzen. Etliche Linien sind dann nicht mehr zu halten.

Von Jens Schmidt 02.02.2015, 02:33

Magdeburg l Am 12. April rollt zwischen Klostermansfeld und Wippra der letzte Zug. Die vom Volksmund liebevoll getaufte Wipperliese war zwar in der Region bestens bekannt, aber eben kaum noch genutzt. Zuletzt fuhren an einem Werktag im Mittel nur noch 91 Reisende mit. Selbst schwache Linien wie die von Stendal nach Tangermünde kommen auf gut 400. Daher hat Sachsen-Anhalts Verkehrsministerium die Bremse gezogen. Ab 13. April wird die Wipperliese durch Busse ersetzt. Genauso erging es zum Jahreswechsel den Linien Wittenberg-Bad Schmiedeberg und Merseburg-Schafstädt.

Insgesamt stieg die Nachfrage in den vergangenen zehn Jahren um gut 3 Prozent. Richtige Bringer sind die Linien Stendal-Salzwedel, wo sich die Auslastung auf durchschnittlich 1250 Reisende am Tag verdoppelte. Vor allem Hamburg-Fahrer nutzen die Regionalexpress-Züge via Altmark und Uelzen. Nach oben ginge es auch auf der Strecke Halle-Leipzig, wo am Werktagen im Mittel 5400 Menschen unterwegs sind.

Bahntickets subventioniert mit 372 Millionen Euro

Doch es gibt auch Sorgen-Linien. Vor allem im Norden, im Salzlandkreis und im Süden. Sie stehen unter strenger Beobachtung - noch aber hält das Ministerium die Signale auf Grün. Wie lange, hängt vom Geld ab, das der Bund den Ländern künftig bereitstellen wird. Wie es ab 2016 weitergeht, ist noch unklar - vor allem Ostländern wie Sachsen-Anhalt drohen heftige Einbußen.

Eisenbahn ist teuer. Der Bund überweist den Ländern derzeit jährlich gut 7,3 Milliarden Euro an Regionalisierungsmitteln, damit vor Ort der Nahverkehr auf der Schiene bestellt und bezahlt wird. Allein Sachsen-Anhalt gibt dieses Jahr 372 Millionen Euro aus, um die Bahntickets im Nahverkehr zu subventionieren. Das Bundesland erhielt bislang jährlich gut 5 Prozent aus dem 7-Milliarden-Topf - obgleich nur 2,7 Prozent der Deutschen hier leben. Der Zuschlag war ein Bonus, den alle Ostländer erhielten. Doch die Zeiten sind vorbei. Große Länder wie Nordrhein-Westfalen oder dicht besiedelte Städte wie Hamburg drängten auf eine Neuverteilung: Schließlich seien die Züge im Westen oft proppenvoll, während im Osten viel Luft transportiert werde. Dagegen stand das Argument, dass auch dünner besiedelte Regionen am Netz bleiben müssen - damit etwa Altmärker auch mit der Bahn zu VW nach Wolfsburg kommen können.

Ende 2014 einigten sich die Länder nach langem Streit schließlich auf einen Kieler Schlüssel: Für Sachsen-Anhalt soll demnach der Anteil schrittweise bis 2030 auf 3,5 Prozent sinken. Zugleich soll nach Willen der Länder aber der Gesamt-Topf auf 8,5 Milliarden Euro wachsen. Diesen Gesamtbedarf sieht auch das Bundesverkehrsministerium von Alexander Dobrindt (CSU). Das Haus von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hingegen hält 7,6 Milliarden Euro für angemessen. Welche Summen gesetzlich verankert werden, darüber entscheidet der Bundestag. Die Sache kann für Sachsen-Anhalt noch schiefgehen. Wenn sich Schäubles Linie durchsetzt, drohen dem Land wegen des sinkenden Anteils herbe Einbußen von bis zu 100 Millionen Euro. "Das wäre fatal", sagt Verkehrs-Staatssekretär Klaus Klang (CDU). Zwar haben die Länder im Bundesrat auch ein Wörtchen mitzureden; allerdings besteht die Gefahr, dass die Ostländer sich im Vermittlungsausschuss nicht durchsetzen können.

Warum hält das Land überhaupt an extrem schwachen Linien fest? "Da gibt es übergeordnete Gründe", erklärt Klang. Zubringerfunktion, Güterverkehr und Tourismus spielen dabei eine wichtige Rolle. "Und der Bus ist nicht überall die schnellere Alternative."

Linie im Salzlandkreis eine der schwächsten im Land

Beispiel Calbe - Bernburg. Mit durchschnittlich 147 Reisenden zählt die Linie zu den schwächsten des Landes. Doch Bernburg ist die Kreisstadt und zudem führt das Gleis an die Hauptstrecke nach Magdeburg. "Daher haben wir sogar investiert", sagt Klang. So gibt es seit 2013 endlich eine durchgehende Verbindung von Bernburg über Calbe in die Landeshauptstadt. Und im Dezember bekam Calbe auch im Zentrum einen Haltepunkt - die beiden anderen liegen am Rande der Kleinstadt. Die neue Haltestelle wurde vorsorglich aus wiederverwertbaren Segmenten aufgebaut - falls die Offerte doch nicht zieht. Hinderlich ist der recht magere Zwei-Stunden-Takt. Doch aus finanziellen Gründen will das Land nicht mehr Züge bestellen.

Ebenfalls dünn sieht es zwischen Stendal und Tangermünde aus. Da aber viele Radfahrer vor allem an Wochenenden den Zug nutzen, bleibt die Linie am Netz. Der nahe gelegene Elberadweg zieht viele Touristen an. Gehalten wird auch die kleine Linie Naumburg-Wangen/Nebra im Süden. Dort steht die Arche Nebra, das Museum zur Geschichte der Himmelsscheibe.

Trotz vieler Urlauber wenig genutzt ist hingegen die Linie Halberstadt-Blankenburg im Harz. Doch auf der Strecke fahren Güterzüge für die Felswerke Kalkstein. Alle Bahnen müssen für die Nutzung der Gleise Trassenpreise an die DB Netz bezahlen. Würde das Land den Personenverkehr einstellen, würden für die verbliebenen Güterzüge automatisch die Trassenpreise steigen. "Das wollen wir vermeiden", sagt Klang.