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Medizin Wann die Mandeln wirklich raus müssen

Eingriffe an den Gaumenmandeln gehören zu den ältesten und häufigsten Operationen im Kindes- und Erwachsenenalter. Wann ist eine Entfernung und wann eine Verkleinerung dieses Immunorgans wirklich notwendig?

Von Uwe Seidenfaden 13.06.2015, 03:19

Magdeburg l Kleine Kinder, große Sorgen. So die Erfahrung vieler Eltern. Der Nachwuchs schläft schlecht, schreit viel, will nichts trinken oder essen. Ein Blick in den Mund zeigt die Ursache: Die Gaumenmandeln sind geschwollen und gerötet. Gelbe Eiterpünktchen zeichnen sich darauf ab.

Für HNO-Ärzte sind das Zeichen einer eitrigen Mandelentzündung - in der Medizinersprache Tonsillitis genannt. Ein häufiger Grund sind bakterielle Atemwegsinfektionen (insbesondere durch Streptokokken), die zu Entzündungsreaktionen und Eiteransammlungen (Abzesse) führen können. Flächenhafte weiße Beläge auf den Gaumenmandeln sprechen dagegen für Virus-Infektionen, häufig durch das Epstein-Barr-Virus.

lKonservative Behandlung: Oftmals können Atemwegsinfektionen im Kindes- und Jugendalter mit altbewährten Hausmitteln wie Halswickeln und ungesüßten Tees gut behandelt werden. Hilft das allein nicht, sollten auch schmerzlindernde Medikamente und Antibiotika bei eitrigen Entzündungen angewendet werden.

l Totalentfernung: Helfen auch die Antibiotika nicht, ist eine operative Entfernung der Gaumenmandeln - eine Tonsillektomie - zu erwägen, so Prof. Dr. Christoph Arens, Direktor der Magdeburger HNO-Universitätsklinik. Nach einer bevölkerungsbasierten Fall-Kontroll-Studie der Mayo Clinic in den USA sollte bereits nach dem dritten bakteriellen Infekt innerhalb von zwölf Monaten bei Kindern eine Tonsillektomie in Erwägung gezogen werden. Gefährlich sind insbesondere langanhaltende Infektionen mit eitrigen Geschwüren, deren Krankheitserreger u.a. auf Gelenke und Organe wie das Herz übergreifen.

Weitere Gründe für die Total- entfernung der Gaumenmandeln im Erwachsenenalter sind u.a. bösartige Erkrankungen wie Mund- und Rachenkrebs, begünstigt durch einen langjährigen Alkohol- und Zigaretten-Konsum, oder die Übertragung von Warzenviren beim Oralsex. "Die Entfernung der Gaumenmandeln erfolgt unter örtlicher Betäubung oder unter Vollnarkose", so Prof. Arens.

Es kann mehrere Wochen dauern, bis die Schluckbeschwerden nach dem Eingriff verschwunden sind. Mit kühlem Speiseeis lassen sich die Schmerzen auf angenehme Weise lindern. Wegen des Risikos von Nachblutungen ist dennoch eine vier- bis sechstägige Klinikaufnahme üblich. Viele Kliniken bieten Eltern die Möglichkeit, in dieser Zeit rund um die Uhr bei ihren Töchtern und Söhnen zu sein.

l Teilentfernung: Manchmal sind auch schonendere Teil-entfernungen der Gaumenmandeln möglich, z.B. wenn ein Kind sehr große Tonsillen besitzt, die im Schlaf zu Atem-aussetzern und zur vorübergehenden Unterversorgung von Nervenzellen des Gehirns führen.

Folgen sind Tagesmüdigkeit, Lern- und Konzentrationsstörungen. Eine Therapie ist die sogenannte Tonsillotomie. Dabei wird ein Teil des Gaumenmandel-Gewebes unter Belassung der Gaumenkapsel mittels Laser- oder Radiofrequenz-Chirurgie entfernt. Dieser Eingriff wird meist ambulant durchgeführt. Vorteile sind ein kürzerer Heilungsverlauf, weniger Schmerzen und ein viel geringeres Nachblutungsrisiko. Derartige Eingriffe sind aber nur dann ratsam, wenn vergrößerte Gaumenmandeln die Atmung behindern und diese nicht bakteriell infiziert sind.

l Leben ohne Mandeln: "Entscheidend für den Zeitpunkt der Eingriffs ist das Beschwerdebild des Patienten", so Prof. Arens. Wenn ernsthafte Beschwerden vorliegen, muss man bis zur OP kein bestimmtes Alter abwarten.

"Auch wenn die Gaumenmandeln vor Beginn der Pubertät entfernt werden, bauen die Betroffenen einen ausreichenden Immunschutz auf", so Prof. Arens. Jeder Mensch verfügt nämlich über mehr als ein Dutzend weiterer, körpereigener Immunschulen.

Und keine wissenschaftliche Studie konnte bislang einen sicheren Hinweis darauf liefern, dass die Entfernung der Gaumenmandeln langfristig die körpereigene Abwehr gegen Infektionen oder Krebs schwächt. Letztlich ist es jedoch die individuelle Entscheidung der Eltern und Patienten, ob die Mandeln herausoperiert werden, so die HNO-Ärzte.