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Schwester Dorothea Graumann feiert ihren 80. Geburtstag / Ein Garten voller Gratulanten Die letzte Diakonisse will Genthin auch nach 50 Jahren weiter die Treue halten

Von Simone Pötschke 08.07.2013, 03:39

Die letzte in Genthin noch lebende Diakonisse, Schwester Dorothea Graumann, vollendete gestern ihr 80. Lebensjahr. Das war Anlass für einen festlichen Gottesdienst in der Kapelle des Diakonissen-Mutterhauses. Die Predigt hielt Pfarrer Dr. Reinhard Simon. Im Anschluss daran gab es Kaffee und Kuchen im Garten.

Genthin l "Dass soviel über mich erzählt werden soll, will ich eigentlich gar nicht", sagte Schwester Dorothea schon Tage vor ihrem großen, runden Geburtstag in Erwartung der Feierlichkeiten. "Mir wäre es lieber, dass etwas über das Leben und die Gemeinschaft der Diakonissen, die hier einst in Genthin zuhause war, berichtet würde."

Leider, bedauert sie, sei das Interesse außerhalb der kirchlichen Gemeinden mitunter nicht mehr groß. Dabei könnte sie viel über die Arbeit erzählen, die die Diakonnissen einst unter schwierigen Bedingungen im Genthiner Krankenhaus geleistet haben ...

Gleichwohl steht für Schwester Dorothea fest, dass sie sich immer wieder für ein Leben als Diakonisse entscheiden würde.

Beharrlichkeit, Liebe zum Beruf und Liebe zu den Mitmenschen, das müsse eine Diakonisse mitbringen, um ihre Berufung mit Leben zu erfüllen, blickt Dorothea Graumann auf ihr entbehrungsreiches und hartes Leben im Dienste der Nächstenliebe und Barmherzigkeit zurück. Das sei zugegebenermaßen nicht immer einfach gewesen, im Alltag erlebe man viele Rückschläge, räumt die resolute Schwester mit fester und sympathischer Stimme ein.

Manchmal war es für die robuste Schwester Dorothea gerade deshalb nicht leicht, weil sie in der Gemeinschaft der Diakonissen immer die Jüngste war. Doch die nunmehr 80-Jährige will dieses Thema nicht vertiefen und verweist nur kurz auf die Bibel. "Einer komme dem anderen mit Ehrerbietung zuvor", zitiert sie die Heilige Schrift. "Wir sind angehalten, unsere Fehler und Schwächen anzunehmen", macht sie klar.

Dorothea Graumann wuchs als Waise in einem Kinderheim an der Elbe auf. "Vielleicht", mutmaßt sie für einen ganz kurzen Moment, "wäre mein Leben ganz anders verlaufen, wenn ein Vater oder eine Mutter an meinem Bett gesessen hätte." Doch Dorothea Graumann hat ihr Leben in tiefem Gottvertrauen angenommen und in der Gemeinschaft der Schwestern ihre Familie gefunden. "Ich wollte das, was die Pflegemutter uns gegeben hat, an andere weitergeben", sagte sie einmal. Sie sei sehr dankbar gewesen, dass es jemanden gegeben hat, der sich so um sie gekümmert habe.

Schwester Dorothea legte ihr Krankenpflegeexamen ab und war als Krankenschwester, später als Küchen- und Gartenschwester tätig. Im Waldhaus war Schwester Dorothea Hausmutter.

1996 zogen die Diakonissen in das Haus am Birkenwäldchen um, das zunächst für 23 Frauen gebaut war und sich später für andere Bewohner öffnete.

Freilich ist Schwester Dorothea Graumann längst im Ruhestand und könnte die Hände in den Schoß legen. "Doch ihr unglaubliches handwerkliches Talent ist für uns einfach unersetzlich", weiß Hauswirtschaftsleiterin Sabine Futterlieb zu schätzen. "Sie ersetzt uns mitunter voll und ganz einen Hausmeister", sagt sie und erntet dafür ein kleines, verschmitztes Lächeln der alten Dame. Auf Schwester Dorotheas Meinung und Rat legt man im Hause nach wie vor großen Wert.

Immer noch bereitet ihr die Arbeit im Garten große Freude, ihr "grüner Daumen" ist bekannt. Dass sie gestern ihren Geburtstag mit vielen Gästen und den Bewohnern des Mutterhauses mitten im Grün bei strahlendem Sonnenschein feiern konnte, mag die Jubilarin als besondere Fügung empfunden haben.

Dass sie mittlerweile die einzige Diakonisse ist, die noch im Genthiner Mutterhaus lebt, ist für sie kein Argument, sich einer Diakonissengemeinschaft in einer anderen Stadt anzuschließen.

"Genthin ist mein Zuhause geworden. Hier bin ich fast 50 Jahre. Auf dem Friedhof liegen meine 120 Mitschwestern. Außerdem kann ich Frau Futterlieb doch nicht im Stich lassen", lächelt sie.

Dass mit ihrem Dasein als Diakonisse in Genthin stets das Wort "Tradition" in Verbindung gebracht wird, missfällt der 80-Jährigen allerdings. "Tradition ist einfach ein blödes Wort", winkt die lebensbejahende, zupackende Schwester Dorothea ab.