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Costa Concordia Letzte Reise reißt alte Wunden auf

Die Nachricht über die letzte Reise des havarierten Kreuzfahrtschiffes
"Costa Concordia" von der Unglücksinsel Giglio zum Verschrotten nach
Genua ging um die Welt. Bei Vera Meyer (81), einer geretteten Passagierin
aus Genthin, ruft sie gemischte Gefühle hervor. Erinnerungen und
Emotionen werden wach.

Von Simone Pötschke 29.07.2014, 03:24

Genthin l Vera Meyer hat auf ihrer schattenspendenden Terrasse Platz genommen. Die 81-Jährige plaudert davon, dass sie am Vormittag wieder mit ihrer Radsportgruppe unterwegs war. Zum Abschluss wurde in Dunkelforth gergrillt. Jetzt, wo sich ein Moment der Ruhe eingestellt hat, nimmt sie sich ihren Erlebnisbericht, den sie unmittelbar nach der Schiffskatastrophe am 13. Januar 2012 zu Papier gebracht hat, noch einmal zur Hand. "Details sollten nicht verloren gehen", rechtfertigt Vera Meyer ihre akribische Arbeit.

Vera Meyer ist eine lebensbejahende, aktive Frau, die auch die dramatische Schiffskatstrophe vor zweieinhalb Jahren, bei der sie sich Verletzungen zuzog, nicht aus der Bahn werfen konnte.

Dennoch wühlen die Bilder des Wochenendes von der Insel Giglio mit der aufgerichteten "Costa Concordia" auch eine so beherzte Natur wie sie auf. "Ich habe immer gedacht, ich habe alles längst weggesteckt, aber das ist nicht so, alles kommt wieder hoch", beschreibt sie die Wirkung der aktuellen Aufnahmen vom Unglücksschiff. "So etwas kann man einfach nicht vergessen", gesteht sie.

Dass sie wie andere Überlebende noch einmal die Unglücksstelle aufsuchen würde, um dort mit den Ereignissen abzuschließen, hätte sie deshalb auch nicht gereizt.

Ihr haben bereits die Fernsehaufnahmen von der aufgerichteten "Costa Concordia" zu schaffen gemacht, weil sie nun ihre Kabine im unteren Bereich, die bisher unter Wasser war, ausfindig machen konnte.

Das Unglück erlebten die insgesamt fünf Genthiner, ein Freundeskreis einer Skigruppe, seinerzeit bei einer Zauberschau, gut 300 Meter entfernt von Vera Meyers Kabine. Danach schloss sich eine mehrstündige, dramatische Rettungsaktion voller Ungewissheit an, bei der die Genthiner Truppe voneinander getrennt wurden.

Dass sie von der mitreisenden Tochter Gabi flehend davon abgehalten wurde, noch einmal in die Kabine zurückzulaufen, habe ihr mit Sicherheit das Leben gerettet. "Das habe ich erst viel viel später begriffen", resümiert Vera Meyer.

Erst viele Wochen später, als bei Fernsehsendungen immer wieder die Gedenktafel mit den über 30 Namen der Todesopfer eingeblendet wurde, habe sie gewusst, was sie für ein Glück gehabt habe. "Hier könnte auch mein Name stehen, geht es mir besonders seit den letzten Tagen durch den Kopf."

Eine Kreuzfahrtschiff hat Vera Meyer seit dem Unglück vor der Insel Giglio nicht mehr betreten. Zu einer Rhein-Fahrt konnte sie sich allerdings entschließen. "Da sehe ich das Ufer", sagt sie.

In der Zeit, als die "Costa Concordia" ihre letzte Reise antrat und wieder für Schlagzeilen sorgte, ist Vera Meyer wieder von vielen Genthinern auf ihre Erlebnisse in der Unglücksnacht angesprochen worden. "Mit einem solch anhaltendem Interesse hätte ich gar nicht gerechnet", gibt Vera Meyer zu.

Eines Tages, nach deren Verschrottung, wird von der "Costa Concordia", nichts mehr übrig bleiben. "Mal sehen, wie des dann mit den Erinnerungen der Überlebenden ausschaut", sagt Vera Meyer.

Bisher treffen sich die fünf Genthiner Überlebenden des Schiffsunglücks jeden 13. Januar, um dann ihren zweiten Geburtstag zu feiern.