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Einer Urkunde von 1112 verdankt Bartensleben die 900-Jahr-Feierlichkeiten Warum ein Riese aus dem Harz den Kirchenaufbau verpatzte

Von Carina Bosse 12.06.2012, 05:19

Wenn ein Ort wie Bartensleben weit mehr als 900 Jahre auf dem Buckel hat, gibt es viel aus der Geschichte zu erzählen. Viele alte Funde nutzte Bodo Müller für einen anschaulichen Vortrag zum Auftakt der Jubiläumsfeierlichkeiten.

Bartensleben l Da, wo es begann - nämlich in der Kirche - endete am Sonntag auch das Bartensleber Festwochenende. "Es stand ganz einfach unter einem guten Stern", sagte Kirchenältester Bodo Müller und freute sich über eine zweimal volle Kirche und ein überaus gelungenes Fest.

Mit zahlreichen kulturellen Angeboten haben die Einwohner das 900-jährige Bestehen ihres Ortes gefeiert. Dabei ist Bartensleben mit großer Wahrscheinlichkeit noch viel älter. "Wir feiern lediglich die erste urkundliche Erwähnung", begrüßte Bodo Müller zur Einstimmung die Gäste in der kleinen Kirche zu Klein Bartensleben. Mit einem zweistündigen geschichtlichen Vortrag verstand er es, die Zuhörer in seinen Bann zu ziehen. Nicht langweilige Zahlen, sondern jede Menge alter Funde und anschaulicher Bilder hatte Bodo Müller mit unglaublicher Akribie zu einem Dia-Vortrag aneinandergefügt.

Die kleine Kirche platzte aus allen Nähten, so viele Einwohner und Gäste hatten sich zum Festauftakt eingefunden.

Der Bartensleber Kirchturm zeigt in die falsche Richtung

Dafür, dass so viele gekommen waren, hatten nicht zuletzt auch die Kinder des Ortes gesorgt, die vor dem Vortrag die "Sage von der Kirche zu Klein Bartensleben" aufführten. Demnach kam einst ein Riese aus dem Harz nach Bartensleben, auf seinen Schultern eine Kirche. Weil ihn der Weg aber gar zu sehr ermüdet hatte, schüttete er seine Stiefel voller Sand aus und ließ so ganz nebenbei einen Berg entstehen, und dann bettete er sich vor der Errichtung des Hauses für einige Minuten zur Ruhe. Weil darüber jedoch eine ganze Nacht verging, weist der Kirchturm nicht nach Westen, sondern noch heute nach Osten, denn der Riese richtete sich nach der Sonne, als er am nächsten Morgen erwachte, in der Annahme, er habe nur ein paar Minuten geschnarcht. Er wusste nicht, dass er die ganze Nacht verschlafen hatte.

Was hier so schnell erzählt ist, spielten Jan Häusler (Riese), Lena Roth (Kaiser), Frieda Bremer (Diener), Joshua Jungenitz, Lara Tischler, Jasmin Gladigau, Timm Gladigau, Nils Berger, Anna-Lisa Fieseler (Bauern), Julian Dehne (Pfarrer), Jakob Müller (Holzfäller), Michel Fieseler (Mond) und Nicki Gogolin (Sonne) unter Leitung von Bodo Müller in herzerfrischender Form mit Engagement und Spaß. Der Applaus zeigte, dass das Stück allen sehr gut gefallen hatte.

Der anschließende Vortrag führte zurück bis in die Jungsteinzeit - etwa vor 4500 Jahren - aus der die ersten Funde in der Gemarkung stammen sollen. Über die Bronze- und die Eisenzeit können immer wieder Siedlungsreste nachgewiesen werden. Bodo Müllers Garten scheint eine wahre Fundgrube der Geschichte zu sein. Dort fanden sich reihenweise Relikte aus alter Zeit. Schon sein Vater war ein eifriger Sammler geschichtlicher Zeitzeugen, die Bodo Müller im Laufe seines Vortrages gut nutzen konnte.

Vorab bereits erwähnte Urkunde nennt "bertenesleve" am 9. August 1112 im Zusammenhang mit der Gründung des Chorherrenstiftes Hamersleben und wurde vom Bischof Reinhard von Halberstadt ausgestellt.

"Man kann auf eine Burg im Ort schließen. Aber auf jeden Fall stammen die ersten fünf Höfe im Ort aus dieser Zeit", sagte Bodo Müller. Einer dieser Höfe, Hof Nr. 5, gehört ihm selbst. Daher erklären sich auch die zahlreichen Funde unter seinen Tomatenpflanzen und Blumen.

Am 30. August 1564 hatte Groß Bartensleben elf Hauswirte, Klein Bartensleben hingegen 18. "Man sieht daran, dass Klein Bartensleben auch damals schon größer war als Groß Bartensleben", meinte Bodo Müller zu den eigentlich schon immer irreführenden Bezeichnungen Klein und Groß vor dem Bartensleben.

Tränen der Rührung bei der ältesten Einwohnern

Der Bartensleber ging im Laufe eines Vortrags auf viele geschichtliche Ereignisse ein, hatte Brände und Plünderungen, Kriege, Hexenverbrennungen und die Pest in seinem Heimatort recherchiert. Auch Mord und Totschlag spielten im Laufe seiner Erzählungen eine Rolle. Er wusste zum Beispiel, dass noch 1698 Maria Wegener, eine Dienstmagd aus "Lütgen Bartensleben" in Helmstedter Diensten, als besessen verurteilt und gebrandmarkt wurde.

Auch eine Bluttat vom 29. Juni 1586 ging in den Vortrag ein. Ein Nachbar stach im Streit mit einem Messer auf einen anderen ein und ergriff dann die Flucht. Ob er geschnappt wurde, bleibt in einem Zeitungsartikel von damals allerdings offen.

Unterstützung erhielt Bodo Müller in seinem Vortrag von Jürgen Wöhlbier, der als Feuerwehrmann die Feuerwehrgeschichte im Blick hatte, die vor rund 80 Jahren mit einer Pflichtwehr in Bartensleben begann.

Vollkommen beeindruckt vom Vortrag kullerten bei der ältesten Einwohnerin Gerda Köhler so manches Mal sogar die Tränen. Ihre Familie tauchte an mehreren Stellen immer mal wieder auf. Besonders ihr im Krieg gefallener Bruder, der auf einigen Bildern zu sehen war, rührte die alte Dame mit ihren fast 90 Jahren zu Tränen. "Da kommen natürlich Erinnerungen hoch", sagte Gerda Köhler.

Eine besonders originelle Idee zu den 900-Jahr-Feierlichkeiten hatte Burkhard Kuthe in die Tat umgesetzt. Becher mit dem Schriftzug des Jubiläums hatte er auf Georgs Hof in Uthmöden anfertigen lassen. Die gingen über den Tisch wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln.

Mit Gesang und Tanz und Angeboten für die Jüngsten ging es in den zweiten Festtag. Nach den Feuerwehrwettkämpfen des ehemaligen Erxleber Abschnittes am Vormittag saßen die Bartensleber und ihre Gäste noch lange gemütlich beisammen und genossen auch am Abend die Live-Musik im Festzelt.