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  7. Fast 80 Jahre lebte Angelika Quiram in ihrem Elternhaus - nun ist es weg

Nach der Flut musste ein weiteres Haus in der Fischbecker Kabelitzer Straße abgerissen werden Fast 80 Jahre lebte Angelika Quiram in ihrem Elternhaus - nun ist es weg

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 03.04.2014, 03:16

Das dritte Haus in der Kabelitzer Straße in Fischbeck ist abgerissen. Auch das Heim von Angelika Quiram fiel jetzt der Flut zum Opfer - der Klinkerbau aus dem Jahr 1909 hatte seine Standsicherheit verloren.

Fischbeck l Sentimentalitäten lässt Angelika Quiram kaum zu. "Es nützt ja nichts! Schlaflose Nächte habe ich genug durchgestanden. Ich muss nach vorn schauen, ich will ja noch ein paar schöne Jahre genießen." Tapfer schaut die 79-Jährige zu, wie der Bagger am Mittwochnachmittag die letzte Hauswand einreißt. Sie erzählt, dass ihr Vater Hermann Horst das Haus 1909 gebaut hatte und sie hier im Schlafzimmer auf die Welt gekommen ist. Auch ihre Tochter Carmen wurde hier 1957 geboren, Sohn Gunnar sechs Jahre später, allerdings dann schon im Tangermünder Krankenhaus. Ihr Ehemann ist früh verstorben, "es war nicht immer leicht allein".

Als Hauptbuchhalterin im Fischbecker Trockenwerk verdient sie ihr Geld, nach der Wende arbeitet sie noch bei Hopp im Büro. Sie freut sich, dass Sohn Gunnar Anfang der 90er Jahre gleich hinter ihrem Haus ein Eigenheim baut und sie Familie um sich hat. Auch ihre Schwester wohnt im Ort.

Dass sie sich im hohen Alter noch einmal so einer Herausforderung stellen muss, ahnte Angelika Quiram nicht. Doch der Deichbruch verschont auch sie nicht. Zwar ist der unterkellerte Klinkerbau etwas höher herausgebaut, aber das Wasser flutet trotzdem die untere Etage. "Zu retten war kaum etwas", erinnert sie sich an den Sonntag vor dem Deichbruch. "Ich habe nur meine Handtasche und die Gewittertasche, die für den Notfall immer gepackt bereitstand, geschnappt und wir sind erst einmal rüber auf die andere Elbseite."

Schwiegertochter hilft beim Einrichten der neuen Wohnung

Fünfmal zieht sie in den kommenden Monaten um, findet Unterschlupf und Ablenkung bei der Tochter und der Enkelin, bis sie im Oktober zurück nach Fischbeck kommt und zunächst zur Schwester Anneliese zieht, bis kurz vor Weihnachten nebenan ihre jetzige Wohnung in der "Stahlhelmsiedlung" fertig eingerichtet ist. "Ich hatte ja nichts mehr, alles musste neu gekauft werden."

Große Hilfe bekam sie dabei von Schwiegertochter Richarda Quiram. Sie hatte selbst auch mit der Sanierung und Neueinrichtung ihres Hauses, in dem das Wasser rund einen Meter hoch stand, zu tun. Erst im neuen Jahr konnten Richarda und Gunnar Quiram wieder in ihr Haus einziehen. Modern und gemütlich ist alles gestaltet. "Natürlich freuen wir uns darüber. Aber auch vorher hatten wir es sehr schön. Wir waren gerade fertig mit allem, wollten endlich mal Urlaub machen. Aber daraus wurde ja nun nichts." Bis Quirams wieder nach Fischbeck können, genießen sie die Gastfreundschaft des Hotels "Schwarzer Adler" zunächst in Stendal und dann in Tangermünde, "dafür sind wir Rico Festerling sehr dankbar, das hat vieles leichter gemacht". Die Baubegleitung und Einrichtung des Hauses kosteten bisher jede freie Minute.

Ein zweites Haus muss auch noch abgerissen werden

Und Richarda Quiram kümmert sich nicht nur um ihre Schwiegermama, sondern auch um ihren Vati Karl-Heinz Gorges. Der 87-Jährige hatte bis zum Deichbruch in der Fährstraße gelebt. Auch sein Haus ist unbewohnbar und muss abgerissen werden - eine weitere Herausforderung für Quirams. Der Senior lebt im betreuten Wohnen in Güsen, fühlt sich wohl. Regelmäßig holt ihn die Tochter zu sich nach Hause. Er interessiert sich für den Fortschritt in Fischbeck, vor allem, wie es mit dem Kegelverein weitergeht, in dem er ältestes Mitglied ist. Als er neulich an seinem Haus vorbeigefahren ist, sagte er, dass er hier die schönsten Jahre verlebt hat. Anfang der 90er Jahre hatte Richarda Quiram ihre Eltern zum Umzug nach Fischbeck bewegt.

Genauso tapfer wie Karl-Heinz Gorges ist Angelika Quiram. Sie hat sich damit arrangiert, nun in einer Wohnung statt im eigenen Haus zu leben. Dennoch gesteht sie, dass der Dienstag, als der Abrissbagger anrückte, doch schwer war. "Ich wusste ja, dass es irgendwann soweit ist. Nun ist es endgültig - das Haus ist weg. Ich blicke nach vorn, was anderes bleibt mir ja nicht übrig."