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Quartett legte in Havelberg eine kurze Rast ein Zimmerleute sind drei Jahre und einen Tag auf der Walz

Von Andrea Schröder 11.04.2012, 05:19

Havelberg l Gesellen auf Wanderschaft sind nicht mehr allzu oft anzutreffen. Aber manchmal gibt es sie sogar im Quartett. Vorige Woche legten vier junge Männer eine kurze Rast am Havelberger Rathaus ein. Die Zimmerer sind zu zweit unterwegs, in Stendal hatten sie sich getroffen, um einen Teil ihrer Walz gemeinsam zu verbringen.

Anderthalb Jahre ist Ronny Schweigert aus Quedlinburg auf Tour. Damit hat er die Hälfte der Walz geschafft. Denn sie muss, der Jahrhunderte alten Tradition folgend, mindestens drei Jahre und einen Tag dauern, berichtet der 23-Jährige. Deutschland, Schweiz, Österreich und kurz Holland hat er erkundet. Zuletzt hat er gemeinsam mit Markus Heinig (20) aus Hamburg im Raum Peine in Zimmereien gearbeitet. Jetzt wollen sie für zwei, drei Wochen ihrer Reiselust frönen, bevor sie sich einen neuen Arbeitgeber suchen. Was sie dort verdienen, ist immer wieder Verhandlungssache mit dem Chef.

Auf Wanderschaft gegangen sind die Zimmerleute, weil sie Land und Leute kennenlernen und vor allem die Kenntnisse in ihrem Handwerk vertiefen wollen. Reise- und Abenteuerlust sind der Ansporn, "menschlich lernt man sehr viel dazu", sagt Robert Rheinschmitt (22) aus Valluhn, der mit einem Kollegen aus Hamburg unterwegs ist. "Wir dürfen nur das besitzen, was wir tragen können", nennt Ronny Schweigert eine Regel für die Walz. Mindestens 50 Kilometer Abstand muss zum Heimatort eingehalten werden. Anzuziehen ist die Reise- oder die Arbeitskluft. Ein bisschen Werkzeug haben sie dabei, Latthammer, kleine Säge und Stemmeisen zum Beispiel. Das alles wird zu einem kleinen Bündel eng verschnürt und geschultert. Ebenso gehört der Stenz genannte Wanderstab zur Ausstattung. Handy und Laptop sind übrigens tabu. Telefoniert werden darf aber dennoch mit der Familie - von einer öffentlichen Telefonzelle aus. Und im Internetcafé dürfen die Wanderburschen ihre E-Mails abrufen. Allerdings wüssten ihre Familien, dass es ihnen gut geht, so lange sie sich nicht melden. Ansonsten hätten sie was auf dem Herzen.

Meist trampen sie von Ort zu Ort. Bei schönem Wetter wandern sie auch mal. Für Übernachtungen sind sie auf die Gastfreundschaft Fremder angewiesen. Weihnachten zum Beispiel waren zwei von ihnen in einem kleinen Dorf in Bayern bei einer Familie privat eingeladen. "Für uns ist ein Tag wie der andere", macht Ronny Schweigert deutlich, dass Feiertage keine Rolle spielen. Die Gesellen freuen sich, wenn sie etwa ein Abendbrot und beim Bäcker einen Laib Brot spendiert bekommen, oder, wie im Ratskeller, ein Bier von der Gesprächspartnerin. Sie haben überhaupt nichts dagegen, angesprochen zu werden. So findet sich oftmals leichter ein nächster Gastgeber.