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Volksstimme-Wahlforum im Hanseat mit den Direktkandidaten zur Landtagswahl Der Magdeburger Gutsherr und das altmärkische Gesinde

Von Torsten Adam 05.03.2011, 04:27

Fünf Direktkandidaten des Wahlkreises Salzwedel für die Landtagswahl am 20. März haben sich am Donnerstag-abend im Hanseat beim Wahlforum der Volksstimme den Fragen von Moderator Holger Thiel und aus dem Publikum gestellt. Jürgen Stadelmann (CDU), Hans-Jörg Krause (Linke), Lutz Franke (FDP), Ursula Binde (SPD) und Christian Franke (Grüne) äußerten sich zu Themen wie Massentierhaltung, Finanzausgleichsgesetz, Lohnniveau, Schulpolitik und Verkehrsinfrastruktur. Der sechste Kandidat, Holger Hartmann von den Freien Wählern, hatte seine Teilnahme kurzfristig aus beruflichen Gründen abgesagt.

Salzwedel. Frau sucht Bauer: SPD-Kandidatin Ursula Binde setzt auf frische Produkte aus der Region. "Weil mein Bauer in Insolvenz gegangen ist, suche ich jetzt einen neuen", bekannte die Salzwedelerin. Wie sie sprachen sich auch die anderen Politiker auf dem Podium für eine Stärkung von Direktvermarktern aus. Zuvor hatte sich Zuhörer Lothar Lehmann entsetzt über die starke Abhängigkeit der Altmark von Landesgeldern gezeigt und gefragt, wie eine bessere regionale Wertschöpfung erreicht werden könnte. Christian Franke forderte mehr Fördergelder für die ökologische Landwirtschaft, Hans-Jörg Krause Förderprogramme für kleine Direktvermarkter. Jürgen Stadel- mann kündigte die Absicht an, das Regionalbudget zu forcieren.

Finanzausgleich

Einmütigkeit herrschte darüber, dass die Altmark durch das neue Finanzausgleichsgesetz (siehe dritte Lokalseite) benachteiligt wird. Grund sei die fehlende Lobby im Landtag, beklagten die drei dort vertretenen Abgeordneten Jürgen Stadelmann, Hans-Jörg Krause und Lutz Franke. Die Philosophie der Landesregierung, die Metropolen Magdeburg, Halle und Dessau zu stärken, ähnele dem Motto "Hat der Gutsherr reichen Tisch gedeckt, fallen viele Krümel fürs Gesinde runter", schimpfte Hans-Jörg Krause. Ursula Binde meinte, dass bei ihrem Parteifreund, Finanzminister Jens Bullerjahn, die Einsicht da sei und er sich als Ministerpräsident sicher dafür stark machen werde, dass die Altmark wieder ein größeres Stück vom zu verteilenden Landes-Kuchen abgekommt.

Schulpolitik

Als "unsolidarisch" bezeichnete Jürgen Stadelmann den Salzwedeler Vorstoß, keine Gastschulbeiträge mehr an umliegende Kommunen zahlen zu wollen. Christian Franke stimmte zu und empfahl, die Schulentwicklungsplanung des Altmarkkreises als Richtschnur zu nehmen, um den Erhalt kleiner Landschulen zu garantieren. Lutz Franke sah als einfachste Lösung die Änderung des Schulgesetzes: Auch Schulen mit weniger als 40 Kindern sollten zugelassen werden. Aus Hans-Jörg Krauses Sicht lohnt es sich gar nicht, über eine Änderung der jetzigen Schuleinzugsbereiche nachzudenken, da sich diese Praxis bewährt habe. Für Ursula Binde hat das Motto "kurze Beine, kurze Wege" Priorität.

Verkehrswege

Übereinstimmend sprach sich das Kandidaten-Quintett für einen Ausbau der B 71 aus. Eine Neutrassierung der B 190 sei nicht notwendig, könne sie doch in die vorhandene Verkehrsinfrastruktur eingebunden werden, sagte Lutz Franke. Er unterstützte den Vorschlag der Bürgerinitiative "Westliche Altmark". Nach Jürgen Stadelmanns Auffassung habe die Region vor 10, 15 Jahren den Kardinalfehler begangen, für das Autobahn-X zu streiten, anstatt den Ausbau der B 71 zu fordern. Noch sei das Schwerlastaufkommen auf der Bundesstraße zu gering, um sie bemauten zu können. Da der Containerumschlag im Hamburger Hafen aber jährlich um 20 Prozent wachsen soll, müsste unbedingt mehr Verkehr auf Schiene und Elbe gebracht werden. Hans-Jörg Krause stellte klar, dass die Linkspartei von Anfang an für den B 71-Ausbau anstatt einer Autobahn gestritten habe. Dass die B 71 nicht ohne Vorbehalt in den Landesentwicklungsplan aufgenommen wurde, zeige einmal mehr, "wie stiefmütterlich die Altmark von der Landesregierung behandelt wird". Er hoffe, dass sich die BI mit ihrer Position durchsetzen könne. Bei einer besseren Koordination der Verkehrsprojekte im Land wäre auch Geld für die B 71 vorhanden. Was der Landesbetrieb Bau derzeit mache, sei teilweise "Humbug", sagte der Linken-Politiker. Christian Franke betonte, dass für die Grünen die A 14-Nordverlängerung noch nicht in Stein gemeißelt sei. Er mahnte, "Verkehrswege nachhaltig zu bauen". Während ein Autobahn-Kilometer 8 Millionen Euro koste, sei ein Bundesstraßen-Kilometer mit 1,5 bis 2 Millionen Euro wesentlich günstiger. Auch er plädierte angesichts knapper finanzieller Ressourcen für eine andere Prioritätensetzung.

Massentierhaltung

Die industrielle Massentierhaltung in der Region ist politisch nicht zu verhindern, glaubt Jürgen Stadelmann. Der Umweltstaatssekretär empfahl, stattdessen externen Sachverstand einzuholen, um Fehler bei der Beantragung solcher Anlagen geltend zu machen. Zudem sei es wichtig, dass die Region den Investoren deutlich signalisiert, dass sie derartige Mastbetriebe ablehnt. Als einziges Bundesland habe Sachsen-Anhalt einen Raumordnungserlass beschlossen, der allerdings noch mit Schwächen behaftet sei. Dem stimmte Hans-Jörg Krause zu. "Der Erlass verzögert die Entscheidung nur. Die Kriterien für die Genehmigung sind unverändert, nur die Öffentlichkeit wird nun mit einbezogen", sagte er. Lutz Franke hingegen sieht keine Notwendigkeit, bestehende Gesetze zu verändern. Diese würden ausreichen, um "schwarze Schafe" unter den Investoren herauszufiltern. Christian Franke meinte, dass das Land darauf hinwirken müsse, die Bundes-immissionsschutzverordnung zu verschärfen.

Lohnniveau

Nach 40 Jahren Arbeit nur 600 Euro Rente, obwohl ihr Arbeitgeber Tariflohn zahlt? Dieses Beispiel einer Friseurin aus Salzwedel nannte Moderator Holger Thiel, um die Lohnpolitik in Sachsen-Anhalt zu thematisieren. Hans-Jörg Krause sprach sich für die Einführung von Mindestlöhnen aus, wie sie in den meisten europäischen Ländern längst Standard seien. Das Bundesland sei Schlusslicht im negativen Sinn bei Leiharbeit und Lohnniveau. Christian Franke glaubt, dass sich daran aufgrund des demografischen Wandels nichts so schnell ändern wird. Lutz Franke hingegen ist von steigenden Löhnen in der Region überzeugt. Dafür werde der Fachkräftemangel sorgen. Gelächter aus dem Zuschauerreihen erntete Jürgen Stadelmann für seine Aussage, dass laut einer statistischen Erhebung der durchschnittliche Bruttostundenlohn in Sachsen-Anhalt bei 16,50 Euro liegt. Für den Christdemokraten sind Mindestlöhne keine Lösung. Viele Unternehmen müssten sich einem harten Wettbewerb stellen und hätten in diesem Falle keine Überlebenschance auf dem Markt.

Der Offene Kanal Salzwedel hat das Volksstimme-Wahlforum aufgezeichnet. Es wird am kommenden Dienstag, 8. März, ab 10 Uhr ausgestrahlt und alle drei Stunden wiederholt.