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Dokumentarfilm aus der Zeit vor vier Jahrzehnten erschüttert Das Brokdorf der Altmark in Maxdorf

Von Oliver Becker 10.10.2012, 01:15

In einem Dokumentarfilm werden die Ereignisse rund um den Bau des Atomkraftwerkes Brokdorf noch einmal beleuchtet. Zeitzeugen erinnern sich und Originalaufnahmen aus jener Zeit bezeugen. Parallelen zu dem geplanten CO2-Endlager vor Ort tun sich auf.

Salzwedel l Das Netzwerk "EnergieBildung in der Altmark" hatte am Montag zu zwei Präsentationen des Dokumentarfilms "Das Ding am Deich - Vom Widerstand gegen ein Atomkraftwerk" eingeladen. Im Anschluss an dem Film war angedacht, über diesen zu sprechen, aber leider wollte eine Diskussion nicht so recht in Gange kommen.

Annett Bammel gesteht, dass sie diesen Film erst einmal verarbeiten muss. Christfried Lenz von der Bürgerinitiative (BI) "Kein CO2 Endlager Altmark" versucht es trotzdem, die wenigen Besucher zu einem Gespräch zu animieren. Die Parallele zu dem geplanten Endlager in der Altmark, welches für ihn ein genauso großes Sicherheitsrisiko wie ein Atomkraftwerk darstellt, bestärkt ihn in der Forderung so etwas nicht zuzulassen. Die momentane Ruhe in Maxdorf täusche, erklärte er, auch in Brokdorf gab es einen Baustopp und in der Zwischenzeit wurden Tatsachen geschaffen.

"Es wird schon heute auf diese Art mehr Strom in der Altmark produziert, als abgenommen wird"

BI-Mitglied Lothar Lehmann

Der Fokus der BI läge auf alternativen Energien. Lothar Lehmann, ebenfalls Mitglied der BI, verdeutlicht die Zukunft dieser Art der Stromversorgung: "Es wird schon heute auf diese Art mehr Strom in der Altmark produziert, als abgenommen wird." Der vorher gezeigte neunundneunzigminütige Film verbindet das Gestern mit dem Heute. Die Katastrophe im März 2011, im japanischen Fukushima, veranlasste die Filmcrew zu dem Dreh. Auch in Deutschland steht eine hohe Anzahl von Atomkraftwerken, und auch wenn sie den höchsten technischen Anforderungen entsprechen, ist jedes von ihnen mit einem Restrisiko verbunden. Am Unterlauf der Elbe liegt die kleine Gemeinde Brokdorf hinter dem Deich. Bis Anfang der 1970er schien in der Region alles in Ordnung zu sein. Doch dann entschloss sich die Regierung 1973, in unmittelbarer Nähe zu dem Ort, ein Atomkraftwerk (AKW) zu errichten. Am 29.Juni 1976 wurde die Baugenehmigung erteilt und bereits in der darauffolgenden Nacht rückten Baufahrzeuge an und begannen umgehend mit den Bauarbeiten. Die Bevölkerung der Region war fassungslos.

Noch bedrückender wurde die Situation, als die Baustelle mit Stacheldraht gesichert und eine Hundegasse rings um das Objekt errichtet wurde. Die Filmcrew interviewte zu den damaligen Geschehnissen rund um das AKW einige Zeitzeugen. Originalfotos und -filmszenen belegen die hohen Sicherheitsvorkehrungen, die damals getroffen wurden. Die Baustelle verwandelte sich in eine Festung. Widerstand gegen die unmittelbare Nachbarschaft eines AKW regte sich im Ort. Erfolge der Bürgerinitiativen im Baden-Württembergischen Whyl am Kaiserstuhl gegen ein AKW ermutigten.

28000 Demonstranten besetzten daraufhin den Bauplatz Brokdorf. Die einstigen Aktivisten erinnern sich und erzählen in bewegenden Worten von den damaligen Aktionen. Vom Zusammenhalt der Menschen und von der Solidarität, die ihnen von überall entgegengebracht wurde. Aber auch von Polizeieinsätzen mit schwerer Technik, bis hin zu Hubschraubern, Wasserwerfern und Tränengas. Doch es gab nicht nur AKW-Gegner im Ort.

Eggert Block war 38 Jahre Bürgermeister in Brokdorf und er sah und sieht in dem Bau des AKW auch beträchtliche Vorteile für die Gemeinde. "Vor dem Bau hatten wir 750 Einwohner, heute dagegen 1150, diese Zahlen sprechen für sich", sagt er im Film. Das AKW brachte Arbeitsplätze und durch Steuereinnahmen und Förderung blühte der Ort auf. Straßen wurden ausgebaut, verschiedene Gebäude und ein Freibad mit einer Wärmehalle errichtet. So schlug den Gegnern des Atomkraftwerkes nicht nur Sympathie von ihren Nachbarn entgegen.

Die Äußerungen ihnen gegenüber gipfelten sogar in Morddrohungen. Die Erinnerung daran treibt den Protagonisten in dem Film noch heute die Tränen in die Augen. Nach einer Klageeinreichung wird ein Baustopp für vier Jahre erwirkt. Doch 1980 das Urteil - das AKW Brokdorf darf gebaut werden. Nur ein halbes Jahr nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl geht das AKW Brokdorf ans Netz.