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Volkssolidarität Schluss mit der Geborgenheit im Pflegeheim

Die Volkssolidarität schließt das Pflegeheim "Haus der Geborgenheit" in der Krausestraße zum 13. März. Die Angehörigen der elf Pflegebedürftigen sind nun ratlos. Denn innerhalb weniger Tage müssen sie einen neuen vollstationären Platz suchen. Für sie ist das Vorgehen der Volkssolidarität ein Skandal.

Von Kathleen Radunsky-Neumann 07.03.2015, 02:23

Schönebeck l Entsetzen und Verzweiflung stehen Ulf Köhler in das Gesicht geschrieben. Seine 92-jährige Mutter lebt seit anderthalb Jahren in dem Pflegeheim "Haus der Geborgenheit" in Schönebecks Krausestraße. Nun wird sie regelrecht vor die Tür gesetzt. Denn das Pflegeheim, das von der Volkssolidarität betrieben wird, schließt zum Freitag, 13. März.

Das Verwunderliche und laut Ulf Köhler auch der Skandal an der Geschichte ist die Kurzfristigkeit. Denn erfahren hat er von der Schließung erst in dieser Woche. Das heißt: Ulf Köhler muss innerhalb von elf Tagen einen neuen vollstationären Platz für seine Mutter finden. Ein Ding der Unmöglichkeit, sagt er.

Nicht nur Ulf Köhler ist betroffen. Insgesamt elf Frauen und Männer leben in dem Pflegeheim, das die Volkssolidarität seit 2001 in der Krausestraße betreibt. Für sie müssen nun andere Heime oder Wohngruppen gefunden werden. Schnell.

Belinda Biging, Geschäftsführerin des Regionalverbandes Elbe-Saale, spricht hingegen von einer absehbaren Entscheidung. Denn die Personalprobleme, die sie auch gegenüber den Betroffenen als Gründe anführt, seien ihrer Meinung nach bekannt gewesen: "Ein Teil der Mitarbeiter ist langzeiterkrankt." Zudem mache sich der Fachkräftemangel bemerkbar, so Belinda Biging.

Am Montag sei die Personalsituation so "drastisch" gewesen, dass sie sich im Übereinkommen mit dem Landesverband für die Schließung der Einrichtung entschlossen habe. Deshalb sei direkt an dem besagten Montag die außerordentliche Kündigung zum 13. März ausgesprochen worden.

"Zuvor habe ich mir ein Bild von den unterschiedlichen Wohnformen in Schönebeck gemacht", sagt sie. Deshalb ist sie sicher: "Es wird keiner auf die Straße gesetzt." Für jeden, so die Regionalverbandsgeschäftsführerin, werde eine Lösung gefunden.

So zuversichtlich sind die von der Kündigung Betroffenen nicht. "Die Art und Weise ist unmenschlich", sagt Renate Fischer gegenüber der Volksstimme. Ihre Mutter, die 92-jährige Frieda Meyer, lebt seit 2010 im "Haus der Geborgenheit". "Ich habe Angst davor, meiner Mutti zu sagen, dass sie nun umziehen muss", sagt Renate Fischer. Denn ihre Mutter fühle sich pudelwohl in dem Pflegeheim. Sich an eine neue, ungewohnte Umgebung zu gewöhnen, werde für die Frau nicht einfach, davon ist Renate Fischer überzeugt. Auch sie wurde erst am Montag telefonisch über die Schließung am 13. März informiert. "Das geht nicht, wie man hier mit den Menschen umgeht", sagt sie. Es sei schwierig, eine Einrichtung zu finden, die über freie Plätze verfügt und in der sich die Pflegebedürftigen wohl fühlen.

Dass es im "Haus der Geborgenheit" Probleme gebe, war ihr bekannt, gibt Renate Fischer zu. Als Heimbewohnerfürsprecher hat sie mehr Einblicke in den Betrieb gehabt als manch anderer. "Seit einem Jahr gab es Probleme beim Personal", sagt sie. Es sei ein ständiger Wechsel bei den Mitarbeitern zu merken gewesen. "Aber dass das Haus geschlossen wird, das wurde nie gesagt oder angedeutet", betont Renate Fischer. Sie ist enttäuscht.

Härtere Worte findet hierzu Rita Hauert. "Es ist unverschämt, wie hier mit den Leuten umgegangen wird", sagt sie. Sie muss sich um einen neuen Heimplatz für ihren Ehemann Günter Hauert kümmern. "Das ist nicht einfach", sagt sie. "Es gibt kaum freie Plätze." Ihr Mann teile sich mit Günter Engelmann bisher ein Zimmer im "Haus der Geborgenheit". Auch für den Zimmernachbarn habe die Familie noch keine Lösung gefunden, berichtet sie stellvertretend.

Rita Hauert hat eine Vermutung für die Schließung des Pflegeheimes. "Die wollen das zur Tagespflege umbauen", sagt sie. Denn in dieser Woche habe sie gesehen, wie Verantwortliche der Volkssolidarität und Baufachleute durch das Heim mit prüfendem Blick gingen.

Unverständnis für die Gangart des Sozialverbandes äußert auch Brigitte Eitner. Ihr Schwiegervater Werner Eitner (91) besuche die Tagespflege in der Krausestraße. Ab kommender Woche sollte er in die Kurzzeitpflege im selben Haus wechseln, um anschließend komplett in das Pflegeheim zu ziehen. Die Zusage dafür hatte Brigitte Eitner schon lange. "Und jetzt kommt auf einmal die Schließung", sagt sie, dass sie die Nachricht wie ein Schlag getroffen habe. "Ich ärgere mich, denn diese Kurzfristigkeit ist doch kein menschlicher Umgang", macht sie ihrem Ärger Luft. Unmut herrscht auch bei Micheline Werner. Ihre Schwiegermutter (85) lebt seit Anfang 2014 im "Haus der Geborgenheit".

Alle Angehörigen, die sich bei der Volksstimme gemeldet haben, sind sich einig, dass sich ihre Angehörigen wohl gefühlt haben in dem Pflegeheim. Auch den Einsatz der Mitarbeiter loben sie.

In dem Pflegeheim seien bisher zehn Mitarbeiter beschäftigt. "Wir sprechen keine Kündigung aus", sagt Belinda Biging, dass das Personal an anderer Stelle untergebracht werden soll. Und auch das Haus in der Krausestraße werde nicht komplett geschlossen. Betroffen sei nur der Pflegeheimteil. In dem Gebäude befinden sich auch das Sozialzentrum und die Tagespflege. Wie die Räume des Pflegeheimes umgenutzt werden sollen, darüber will Belinda Biging noch nicht sprechen.

Vor offenen Fragen stehen bei dem ganzen Thema die Mitarbeiter der Landesheimaufsicht. So sagt Gabriele Städter von der Pressestelle des Landesverwaltungsamtes: "Uns war das nicht bekannt. Wir haben von diesem Vorgang erst aus der Presse erfahren." Die Heimaufsicht des Landes habe nun Kontakt mit dem Betreiber aufgenommen. "Es erscheint uns fragwürdig, ob hier alles rechtens abläuft", sagt Gabriele Städter auf Volksstimme-Nachfrage.