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Urman-Preis 2011 wird im Schalom-Haus verliehen "Und ich sah meinen Onkel weinen"

Von Ulrich Meinhard 09.04.2011, 06:26

Eine moralisch bedeutende Auszeichnung ist am Donnerstag in Schönebeck verliehen worden. Mit dem Urman-Preis zeichnet eine Initiativgruppe Engagement und Ideen von Schülern aus, die sich mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzen und auf verschiedene Weise Dokumente gegen das Vergessen der Greuel- und Schandtaten der Nazis erstellen. In diesem Jahr haben sich vier Schülergruppen am Wettbewerb beteiligt. Präsentation und Auszeichnung erfolgten im Schalom-Haus.

Schönebeck. "Und ich sah meinen Onkel weinen, mein stolzer Onkel weinte."

In ihren Erinnerungen spricht Jutta Lübschütz von Georg Marcus, ihrem Onkel, der im Jahr 1940 unter Tränen von ihr Abschied nehmen musste, für immer: Während der Urman-Preisverleihung las Jurymitglied Britta Meldau aus den Erinnerungen vor und nannte die Namen von Menschen, die unter der Schreckensherrschaft der Nazis gelitten haben. Georg Marcus zum Beispiel, wohnhaft Lessingstraße 13. Zu Tode gekommen 1941 im Deportationszug nach Riga.

Seine Nichte Jutta Lübschütz, die den Holocaust überlebte, und ihr amerikanischer Ehemann Ernest Urman sind die Stifter des seit 1992 vergebenen Urman-Preises.

In diesem Jahr haben sich vier Schülergruppen am Wettbewerb beteiligt. Die Präsentation der Arbeiten erfolgte im Schalom-Haus in der Schönebecker Republikstraße.

Hier präsentierten sich Ian Spandau und Christoph Franzelius mit dem Rap "Gegen das Vergessen". "Gehetzt in dieser Zeit, verfolgt und vertrieben", heißt es in einer Textzeile des Liedes, das die Schüler der Maxim-Gorki Sekundarschule gekonnt und überzeugend vortrugen.

Mit Ideen zur Verlegung von Stolpersteinen hatten sich Anna-Sophie Roloff, Laura Gotzel und Marvin Ernst vom Dr.-Carl-Hermann-Gymnasium beschäftigt.

Die Schülerin Julia Knuhr, ebenfalls vom Gymnasium, hatte ein Fotobuch erstellt unter dem Titel "Zum Gedenken der Opfer von Doktrin und Verblendung" und eigene, beeindruckende Aphorismen verfasst.

Zu guter Letzt stellten Annemarie Ecke, Saskia Loth und Annika Schacke vom Friedrich Schiller-Gymnasium in Calbe ihr Projekt "Das jüdische Jahr" vor.

Petra Koch von der Jury übernahm schließlich die Prämierung. Mit dem ersten Preis ausgezeichnet wurde Julia Knuhr (Volksstimme berichtete bereits gestern). Den zweiten Platz teilen sich die Rapper gemeinsam mit dem Trio aus Calbe. Auf dem dritten Platz landeten die Gymnasiastinnen aus Schönebeck mit ihren Stolperstein-Überlegungen.

Von einer "emotionalen Veranstaltung" sprach Dr. Lutz Miehe in seinem Schlusswort. Gemeinsam sei allen Projekten gewesen, dass junge Leute, ganz im Sinne der Urmans, das Gedenken an Menschen wachhalten, die Opfer einer barbarischen Diktatur wurden. "Diese Jugendlichen übernehmen das, was die Welt, aus meiner Sicht, zu Recht von Deutschland erwartet: Verantwortung." Miehe mahnte angesichts des Wahlergebnisses zur Landtagswahl: "Es sollte uns nachdenklich stimmen, wenn fast zehn Prozent der unter 25-jährigen männlichen Jugendlichen NPD wählen." Rechtsradikales Gedankengut gehe auch in den Köpfen Erwachsener um. Seinen Ausdruck finde es in Redewendungen wie "Essen beim Fidschi" und "Döner bei Ali".

Miehes Aufruf an die Jugend: "Beteiligt Euch weiter am Projekt Stolpersteine. Mischt euch ein, aber macht es sachlich."