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Heute Abend feiert der Film " Mein Stendal – die Jahre 1925 bis 1933 " im Stendaler Upstall-Kino Premiere Die Lücke aus der Vergangenheit

Von Frank Eckert 07.10.2009, 04:58

Der Film " Mein Stendal – die Jahre 1925 bis 1945 " hat heute um 19. 30 Uhr im Uppstall-Kino in Stendal seine Uraufführung. Produziert wurde die Dokumentation von Anderas Bredow, Geschäftsführer beim Offenen Kanal Stendal. Seit 2005 recherchierte er mit seinen Mitstreitern für den Streifen.

Stendal. So plötzlich kann ein Hitler kaum dagewesen sein. Eine These. " Warum haben alle mitgemacht ?" Eine Fragestellung. " Der Hitler fiel doch nicht vom Mond ", schlussfolgert Andreas Bredow und nennt damit gleich seinen Antrieb für diesen Film. Deshalb fängt die dokumentarische Erzählung des Geschäftsführers beim Offenen Kanal Stendal weit vor dem Tag an, an welchem Adolf Hitler in Deutschland die Macht ergriffen hat ; weit vor 1933. " Mein Stendal – die Jahre 1925 bis 1945 ", so hat Bredow das Projekt betitelt, aus welchem filmisch deutlich werden soll, wie der Sog des Nationalsozialismus in der altmärkischen Kleinstadt den ganz normalen Alltag immer mehr benebelt hat. Es geht um eine Lücke.

Bredow lässt Geschichte zu Wort kommen, lässt die stetig schrumpfende Gemeinde der noch Überlebenden und Zeugen eines um sich greifenden Virus unter dem Hakenkreuz verstörende Bilder aus der Vergangenheit in die Gegenwart zurückholen. " Das war teilweise so erschütternd, dass wir mit unseren Interviews Pausen eingelegt haben, damit sich die Leute erholen können. " Erinnerungsstrapazen hat Bredow seinen im Bild festgehaltenen Protagonisten zugemutet ; soweit ist er gegangen, soweit musste er gehen. Und es hat sich gelohnt.

Der knapp anderthalbstündige Streifen zeigt die Zwiespältigkeit und die Trugschlüsse einer vermeintlich heilen Welt mitten in den Kriegsjahren, Menschen planschen bei sommerlicher Atmosphäre in der Badeanstalt, verbringen unbeschwerte Stunden in der Stadt. Plötzlich ändert sich die Szene, es fallen Bomben auf Stendal. Bredow lässt nichts aus : provisorisches Lazarett, in Trümmern liegende Häuser – bombardierte Träume. Luftaufnahmen jener tödlichen Treffer an der Bahnlinie wie im Stadtseegebiet, am Flugplatz, die Aufmärsche der Hakenkreuz-Verbände wie die Kapitulationsverkündung der deutschen Armee unter General Walther Wenck zeigen den ganz normalen Krieg in Stendal.

" Da, da bin ich selbst drübergelaufen. " Als Hans-Dietrich Genscher diese Passage des Films durch Bredow vorgespielt bekommt, schreckt er auf, so emotional fassen ihn diese Bilder an. Der deutsche Vereinigungs-Außenminister gehörte 1945 zu jener 12. Armee, welche sich zwischen Tangermünde und Stendal den US-Truppen ergeben hatte und über die Elbe in die Kriegsgefangenschaft über dünne Bretter einer provisorischen Brücke läuft.

Im Roten Rathaus von Berlin hatte Bredow 2006 den einstigen ersten Mann der FDP getroffen. " Er verdankt Wenck sein Leben, sagte mir Genscher. Und ich sage, der Wenck ist ein Held ", bekundet der Filmemacher. Während der Wehrmachtsgeneral – die letzte Hoffnung Hitlers vor dem Ende – aufgab, erklärten sich andere Städte gegenüber den Amerikanern zur Festung – ein tausendfaches Todesurteil, das Stendal erspart blieb.

Hunderte Fotos, viele Stunden Filmfragmente kommen von den Dachböden Stendals, stammen von Stendalern. Immer wieder im Blick, umgeben von den Trümmern, sind die beiden Türme des Doms. Sie stehen da, als wollten sie trotzig sagen, vor Hitler sind sie nicht eingeknickt trotz der schweren Bombentreffer. Bredow entzaubert mithilfe seiner Zeugen den Mythos der ersten Hitler-Jahre und führt die schmerzlichen Konsequenzen in nüchterner Pflicht vor. Bredow hat eine Lücke geschlossen. Heute Abend ab 19. 30 Uhr im Uppstall-Kino liefert er den Beleg.