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Schiedsstelle Schlichten bei Streit am Gartenzaun

Wenn Nachbarn am Gartenzaun streiten, dann sind Brigitte Tannert und Helge Lewerenz am Zug - als Leiter der Wernigeröder Schiedsstelle.

Von Katrin Schröder 04.08.2015, 19:12

Wernigerode l Wer Probleme mit den Nachbarn hat oder sich gegen eine Beleidigung wehren will, der geht nicht vor Gericht, sondern zur Schiedsstelle. "Wir arbeiten dem Gericht vorgeschaltet - damit die Richter nicht von geringfügigen Klagen überrollt werden", erklärt Brigitte Tannert. Zehn Jahre lang hat die Wernigeröderin mit Helge Lewerenz gemeinsam die Schiedsstelle geführt. Nun geben beide das Ehrenamt auf. Bewerber für ihre Nachfolge sind derzeit nicht in Sicht.

Keine Rechtsberatung

Als die beiden ihr Amt antraten, war das Interesse größer. "Es gab sogar vier Bewerber", erinnert sich Brigitte Tannert. Die Wernigeröderin war gerade in Rente gegangen, doch die Hände in den Schoß legen, kam nicht in Frage. Auch Helge Lewerenz wollte sich engagieren. "Die Tätigkeit hat gut zu meinen beruflichen Kenntnissen gepasst", so der Rechtsanwalt. Juristisches Wissen sei aber keine Voraussetzung, betont der 45-Jährige. "Die Schiedsstelle darf keine Rechtsberatung erteilen. Sie beleuchtet die Dinge vielmehr mit gesundem Menschenverstand."

Das würde Brigitte Tannert ebenfalls unterschreiben. "Man braucht Fingerspitzengefühl und Menschenkenntnis. Eine gewisse Lebenserfahrung hilft ebenfalls", sagt sie - ebenso wie Computerkenntnisse, um Formulare am Rechner bearbeiten zu können. Sie selbst sei als "absoluter Laie" ins Ehrenamt gestartet. Bei der Einarbeitung haben Seminare geholfen, die der Bund der Schiedsleute anbietet. Die Kosten dafür übernimmt die Stadtverwaltung. "Dort kann man sehr gut und niveauvoll Wissen erwerben."

Das wichtigste Dokument für die Amtsinhaber ist das Schiedsstellengesetz Sachsen-Anhalt. "Das ist die Basis. Dort sind die Modalitäten verankert, nach denen wir verfahren", so Brigitte Tannert. Mit denen, die die Schiedsstelle einschalten wollen, wird ein Protokoll über den Sachverhalt aufgenommen - es sei denn, die Sache lässt sich am Telefon klären. 25 bis 30 solcher "Tür- und Angelfälle" hat die 71-Jährige pro Jahr auf diese Weise erledigt.

Verhandeln nur zur Sache

Fünf bis zehn Anfragen pro Jahr führen zu einer Schiedsverhandlung, zu der die Gegenpartei offiziell geladen wird. Dieses Schreiben muss man ernstnehmen, erklärt Brigitte Tannert. "Wer sich daraufhin nicht meldet, bekommt ein Verwarn- oder Ordnungsgeld."

Zwei Stunden dauert in der Regel die Schlichtungsverhandlung, zu der beide Parteien erscheinen müssen. "Man darf einen Anwalt hinzuziehen, aber nur beratend. Sprechen müssen die Beteiligten selbst", so Brigitte Tannert. Auf deren Willen zur Einigung kommt es an. In 50 bis 60 Prozent der Verfahren finden die Schiedsleute gemeinsam mit den Kontrahenten eine Lösung.

Die Kunst sei, der Aggression, die oft im Spiel ist, Einhalt zu gebieten und das Augenmerk auf die Sache zu lenken. "Denn verhandelt wird nur, was im Antrag steht", betont Brigitte Tanner - nicht die Vorgeschichte oder andere Ereignisse. "Es gibt aber Fälle, an denen man sich die Zähne ausbeißt", weiß sie. In diesem Fall stellen die Schiedsleute eine Erfolglosigkeitsbescheinigung aus. "Damit kann der Antragsteller dann vor Gericht Klage erheben." Ebenso sind Parteien an Lösungen, die sie ausgehandelt haben, gebunden.

Beispiele dürfen die Schiedsleute nicht nennen, absolutes Stillschweigen ist Pflicht. Zu 80 Prozent geht es um Streit unter Nachbarn - um Bäume, die über den Zaun wachsen, und Laub, das aufs Nebengrundstück fällt. "In diesen Fällen haben wir eine gute Erfolgsquote", sagt Helge Lewerenz. Für die Vermittler ist das ein Grund zur Zufriedenheit, so Brigitte Tannert. "Man kann Menschen wirklich helfen."

Kontakt zur Schiedsstelle: Telefon (03943) 65 43 08