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Die Staatskanzlei will morgen über eine mögliche Absage des Sachsen-Anhalt-Tages in Gommern entscheiden Sind die Sachsen-Anhalter Ende Juni in Feierlaune?

Von Anja Keßler, Lena Genthner und Sebastian Siebert 13.06.2013, 01:13

Gommern l Wie schnell nach einer Katastrophe darf man wieder feiern? Vor dieser Frage stehen gerade die Organisatoren des Sachsen-Anhalt-Tages, der am letzten Juni-Wochenende in Gommern stattfinden soll. Eine Entscheidung dazu soll morgen fallen.

Ist den Sachsen-Anhaltern nach der Flut nach feiern zumute? Das ist die Frage, vor der jetzt die Organisatoren des Sachsen-Anhalt-Tages stehen, der vom 28. bis 30. Juni stattfinden soll. Neben der grundsätzlichen Frage muss in den kommenden Tagen auch geklärt werden, ob es logistisch überhaupt möglich ist, im beschaulichen Gommern, das nahe des derzeit gezogenen Pretziener Wehres liegt, so eine Großveranstaltung durchzuführen.

Die Organisatoren im Jerichower Land sind zuversichtlich und haben einen Vorschlag ans Land unterbreitet: "Wir sind dafür, das Landesfest durchzuführen unter der inhaltlichen Ausrichtung: Großer Dank an alle Helfer und Solidarität mit den Flutopfern", sagte gestern Wolfgang Rauls, Chefplaner des Landesfestes. "Mit hoher Wahrscheinlichkeit" werde das Fest als Benefizfest stattfinden, schätzte Rauls ein. Ideen für die Gestaltung der Benefiz-Inhalte gebe es schon.

Die Idee, das Landesfest unter das Motto "Fest der Solidarität" zu stellen wie von Gommern vorgeschlagen, wird auch durch Lothar Finzelberg, Landrat des Jerichower Landes, befürwortet.

In diese Richtung denkt auch die Staatskanzlei, erklärte Regierungssprecher Matthias Schuppe: "Allerdings wollen wir die Lage am Freitag berücksichtigen. In der Altmark sind große Teile überflutet. Dort kämpfen die Menschen um ihr Hab und Gut." Die Staatskanzlei und der Ministerpräsident Reiner Haseloff wüssten um die Dringlichkeit, eine Entscheidung zu treffen", sagte Schuppe. Die werde in Absprache mit der Stadt, dem Organisationsbüro und dem Landrat getroffen. Das Land unterstützt das Ereignis finanziell mit 140000 Euro. Davon sei ein Großteil noch nicht ausgegeben, so Schuppe. Doch dieser Etat sei kein ausschlaggebendes Argument für eine Absage. Natürlich seien 140000 Euro viel Geld, aber bei den Schäden der Flut sei das nur ein Tropfen auf den heißen Stein. "Herr Haseloff wird heute mit den anderen betroffenen Ministerpräsidenten bei Frau Merkel über Milliarden verhandeln. Da denken wir in ganz anderen Dimensionen als beim Landesfest-Etat", sagte Schuppe.

Auch eine Verschiebung könnte möglich sein. Doch da sehen die Organisatoren um Wolfgang Rauls Probleme: Werde das Fest um beispielsweise zwei Monate nach hinten verschoben, sei nicht gesichert, ob die Künstler Zeit hätten. "Das Programm müsste komplett umgestrickt werden", betont Rauls. Sollte es auf das nächste Jahr verschoben werden, wisse Rauls nicht, ob Gommern das noch einmal stemmen könne. "In der gleichen Form funktioniert das nicht mehr so wie dieses Jahr", sagte Rauls.

Wernigerode, das 2014 Gastgeber des Sachsen-Anhalt-Tages ist, zeigte sich gesprächsbereit: "In schwierigen Situationen müssen auch schwierige Entscheidungen getroffen werden", sagte Stadtsprecher Andreas Meling. Entscheiden müsste man eine Jahresverschiebung aber in Absprache mit Gommern und dem Land.

Doch was sagen eigentlich die Menschen in den von der Flut betroffenen Gebieten? Dort ist man zwiegespalten. Nico Schulz, Bürgermeister von Osterburg im Landkreis Stendal, sagt: "Solange keine Hilfskräfte von hier abgezogen werden, um den Sachsen-Anhalt-Tag durchzuführen, lasst das Land sein Fest durchziehen." Osterburg selbst war 2007 Gastgeber. "Solch einen Event sollte man nutzen, um für Betroffene Spendensammlungen zu organisieren.

"Ich glaube nicht, dass wir in diesem Jahr den Sachsen-Anhalt-Tag feiern werden." - Jörg Rehbaum, Bürgermeister von Burg

Kontra aus Schönebeck: "Eine Spendenaktion allein sollte nicht Begründung für das Landesfest sein", findet Stadtsprecher Hans-Peter Wannewitz. In der Elbestadt sei keinem nach feiern zumute. "Das wird auch in zwei Wochen nicht der Fall sein, wenn wir mittendrin sind, die Schäden dieser Flut zu beseitigen." In Schönebeck waren Teile der Altstadt geflutet, nachdem eine Barriere den Wassermassen nicht mehr standgehalten hatte. Andere Ortsteile sind seit Tagen Sperrgebiet.

Landrat Ulrich Gerstner, der im Salzlandkreis mehrere Sperrgebiete und den überfluteten Elbe-Saale-Winkel hat, vertraut jedoch in die Vereine, die das Fest tragen. "Man sollte das Engagement der Ehrenamtlichen nicht unterschätzen, wie wir jetzt gesehen haben. Die Nichtbetroffenen haben sofort geholfen. Da sehe ich für den Sachsen-Anhalt-Tag keine Probleme."

Gommerns Bürgermeister Jens Hünerbein weist darauf hin, dass auch logistische Fragen nach der Flutkatastrophe im Blick behalten werden. "Sollten sich Probleme durch das Pretziener Wehr ergeben, werden wir einen Plan B schmieden." So sei nicht gesagt, dass bis Ende Juni die Zufahrt von Schönebeck nach Gommern nicht wieder möglich ist. Das hänge davon ab, wie schnell der Wasserpegel falle, wann das Wehr geschlossen werde und insbesondere inwiefern Straßenschäden aufgetreten sind. "Das sehen wir alles erst, wenn das Wasser weg ist", so Hünerbein. Bis morgen wird das nicht der Fall sein. Der Landesbetrieb für Hochwasserschutz hat bisher keine Meldung darüber herausgebracht, wann das Wehr geschlossen wird.

Immerhin: Das Festgelände und die 20000 Parkplätze auf Feldern und Wiesen sind vom Flutwasser alle unbetroffen. Der schlimmste Fall - eine Absage - hätte für Gommern eine große finanzielle Auswirkung: "Das muss mit dem Land geklärt werden. Es wäre nach Burg zum Hochwasser 2002 das zweite, das abgesagt wird. Ich glaube nicht, dass das Land uns dann im Regen stehen lässt", zeigt sich Hünerbein optimistisch. Insgesamt kostet der Sachsen-Anhalt-Tag etwa eine halbe Million Euro. Ein Großteil wird über Sponsoren finanziert.

"Ich glaube nicht, dass wir in diesem Jahr den Sachsen-Anhalt-Tag feiern werden", so der Burger Bürgermeister Jörg Rehbaum (SPD) gestern auf Anfrage der Volksstimme. 2002 habe es die Stadt Burg getroffen, so Rehbaum. Damals wurden die Festlichkeiten ebenfalls wegen der Hochwasserkatastrophe abgesagt. "Diesmal sind die Schäden noch verheerender. In Anbetracht der Lage steht es uns nicht zu, ein Fest zu feiern, während andere Menschen vor den Trümmern ihrer Existenz stehen."