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Landesverwaltungsamt startet neue Kampagne - vor Ort werden Chancen eher skeptisch gesehen Rettungsanker für einstürzende Altbauten

"In liebevolle Hände abzugeben" ist eine neue Initiative des
Landesverwaltungsamtes. Damit sollen Retter für sanierungsbedürftige
Denkmale gefunden werden. Allein im Harzkreis haben in den letzten fünf
Jahren 58 Eigentümer Anträge auf Abriss gestellt - 31 sind genehmigt
worden.

Von Ingmar Mehlhose 21.12.2013, 02:09

Halle/Halberstadt/Dedeleben l "Jeder Abriss ist ein Verlust", hat Thomas Pleye seinen Denkmalschützern ins Stammbuch geschrieben. Der Präsident des Landverwaltungsamtes nutzte kürzlich eine Beratung aus Anlass des Jubiläums "Fünf Jahre Denkmalbörse Sachsen-Anhalt" zugleich für einen neuen Vorstoß. Mit der Initiative "In liebevolle Hände abzugeben" sollen Retter für marode Gemäuer geworben werden.

Seit 2008 haben laut Pleye aus dem Harzkreis 58 Besitzer von Baudenkmalen einen Antrag auf Abriss in seinem Hause gestellt. Der Präsident: "31 davon mussten wir genehmigen." In vielen dieser Fälle war der Verfall bereits zu weit fortgeschritten.

Durch die jetzt gestartete Kampagne sollen Eigentümer die Chance erhalten, ihre Immobilien auf Plakaten, bei Exkursionen und im Internet anzubieten. So wie über die bereits seit 2008 existierende kostenlose Denkmalbörse.

Derzeit gebe es aus dem Harzkreis nur ein Beispiel für ein vom Abbruch bedrohtes Gebäude, informiert Behördensprecherin Denise Vopel in Halle auf Volksstimme-Anfrage. Dabei handele es sich um eine Villa im Huy-Ortsteil Dedeleben. Dafür nennt sie gleich drei Beispiele für Denkmale, die erhalten werden konnten. Zwei Häuser in Quedlinburg sowie einen Fachwerkbau in der Halberstädter Bakenstraße.

Oliver Schlegel bezeichnet das Internet-Forum als "gute Idee". Der Chef der Unteren Denkmalschutzbehörde in der Kreisverwaltung Harz sagt aber auch: "Fakt ist, dass das relativ wenig genutzt wird." Aus seiner Sicht sei es deshalb "nicht das erfolgversprechendste Modell". Schlegel hat gleich mehrere Fälle parat, wo für ein altes Gemäuer jede Hilfe zu spät kam. So habe die Abrissbirne 2012 das Gutshaus im Halberstädter Ortsteil Böhnshausen eingeebnet. Der Amtsleiter: "Das hat mich sehr getroffen." Das kleine Palais wäre womöglich durch einen Liebhaber gerettet worden, wenn es woanders gestanden hätte. Oliver Schlegel: "Dort aber wollte seit Jahren niemand wohnen."

"Wir haben viele schöne alte Gebäude und zu wenig Menschen." - Oliver Schlegel, Denkmalschutz

Ebenfalls noch nicht lange her sei es, das in Pansfelde (Stadt Falkenstein) eine Feldsteinscheuer durch eine sogenannte Ersatzvornahme habe weichen müssen. Am Harzgeröder Schlossberg 6 sei ein kompletter Fabrikkomplex aus der Gründerzeit abgetragen worden. Aktuell werde in den nächsten Tagen eine Scheune auf dem Grundstück Lange Gasse 9 in Quedlinburg niedergerissen. Das im Kern aus dem 18. Jahrhundert stammende Bauwerk weise massive statische Schäden auf. Es drohe auf die Straße zu stürzen.

Die von Denise Vopel erwähnten positiven Beispiele sieht der Kreisverwalter unterdessen als "Schritt in die richtige Richtung". Sein Einwand: "Das heißt aber noch nicht, dass sich dort etwas getan hat."

Doch zurück zu der auf der Abrissliste des Landesamtes stehenden Villa in Dedeleben. Sie ist im Denkmalverzeichnis des Landkreises eingetragen, bestätigt Schlegels zuständige Kollegin Andrea Unger. 2012 habe sich die Bauaufsicht zu einer Ersatzvornahme genötigt gesehen. Teile des Hauses mit der Adresse Seidenbeutel 10 seien gesichert worden, weil sie eine öffentliche Gefahr darstellten. Das Gebäude werde regelmäßig durch Baukontrolleure besichtigt. Andrea Unger: "Einen Eigentümer gibt es." Dieser sei aber finanziell nicht zu einer Sanierung in der Lage. Im Übrigen gebe es dafür keine Abrissgenehmigung. Diese sei vielmehr für den Seidenbeutel 16 erteilt worden und der auf der Rückseite offene Speicher inzwischen verschwunden.

Wie sie sieht auch ihr Chef für die Dedeleber Villa und andere betagte Immobilien in den neuen Ländern ein Dilemma. Oliver Schlegel: "Wir haben viele schöne alte Gebäude und zu wenig Menschen." Eine Vermarktung gerade auf dem Land sei "fast aussichtslos".