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Bundesgartenschau Kundschaft im Anflug

In vier Tagen ist wieder Buga-Zeit - nach 16 Jahren auch wieder in
Sachsen-Anhalt, unter anderem in Havelberg. Die "Bugaisten" in der
Region knüpfen große Hoffnungen an die 177 Tage der Gartenschau.

Von Oliver Schlicht und Andrea Schröder 14.04.2015, 01:25

Brandenburg l "Der Container muss da weg!" Horst Schwenzer schimpft wie ein Rohrspatz. Da haben doch einige unwissende Techniker den Buga-Infocontainer auf die Wiese direkt vor dem riesigen Otto-Lilienthal-Wandgemälde am Museum abgestellt. Wenn man sich nicht um alles kümmert ... Buga im kleinen Dorf Stölln - wer hätte das gedacht.

Schwenzer - früher Hauptbuchhalter in der Milchviehhaltung, heute Rentner und Vorsitzender vom Lilienthal-Verein - ist ein echter Flug-Enthusiast. Er redet und schwärmt und lacht - eine Wonne, ihm zuzuhören. Im August 1896 war Lilienthal unweit vom Dorf am Gollenberg zu Tode gestürzt. Schon zu DDR-Zeiten wurde ihm mit Flugfesten gedacht.

Kurz vor der Wende hat die Interflug zu Ehren des Flugpioniers eine ausrangierte IL 62 auf einer 800-Meter-Segelflieger-Wiese gelandet. Sensationell! Der Flieger gehört heute zum Museum. Top in Schuss. Dreimal gestrichen in 25 Jahren. "Auftanken, dann würde der losfliegen können", glaubt Schwenzer.

Drinnen bügelt André Skrabania Halstücher von Interflug-Stewardessen. "Wir richten hier eine kleine Schau über die DDR-Fluggesellschaft ein", erzählt er. Der Steward hat noch bei der Interflug gelernt und arbeitet heute bei der Lufthansa.

Wer Stölln verpasst, hat die Buga nicht gesehen

Die Buga ist der große Hoffnungsanker von Stölln. Zu den Freunden der Fliegerei verirrten sich in anderen Jahren nur wenige Gäste. Doch nun hat die Bundesgartenschau das kleine Dorf zu einem von fünf Buga-Orten der Havelregion gekürt. Zu Recht: Wer Stölln verpasst, hat die Buga nicht gesehen!

Buga-Wünsche, die dank vieler Fördermillionen in Erfüllung gegangen sind - das sind zum Beispiel neue Wanderwege, Parkanlagen und Havel-Promenaden in Brandenburg, Premnitz, Rathenow und Havelberg. Die Buga-Wünsche nach guten Geschäften der ortsansässigen Unternehmer müssen sich noch erfüllen. Die Chancen stehen gut, findet zum Beispiel Konditor Ingo Möhring aus Rathenow. Er hat ein Buga-Schokoladen-Täfelchen kreiert.

"Möhring`s Best" ist eine "dunkle Vollmilch-Schokolade mit etwas Vanille, einer leichten Karamellnote und einem Hauch Biskuit", erzählt der Konditor in seinem Geschäft. Das Schoko-Täfelchen wird aber nicht in Rathenow, sondern in Paris nach seiner Rezeptur gefertigt. Buga-Maskottchen-Fisch "Wilma Wels" lächelt auf der Verpackung. Missverständlich? Aber nein, es ist ja keine Fisch-Schokolade. Über 100000 Täfelchen will der Konditor verkaufen. Und der emsige Mann hat noch mehr vor: eine Buga-Torte - Himbeer mit weißer Schokolade. Warum gerade Himbeeren? "Weil Mangos in unserer Haveland-Region nicht wachsen", scherzt er.

Auch in Brandenburg ist die Buga-Hoffnung groß. Für die Havelstadt sind die Buga-Zuschüsse wie ein warmer Regen zur rechten Zeit. Die ehemalige Stahlwerksstadt musste einen Bevölkerungsexodus von 110000 im Jahr 1990 auf heute 71000 Menschen verkraften. Inzwischen wandert kaum noch jemand ab. Eine schöne Altstadt gibt es. Aber auch weiträumig heruntergekommene Plattenbausiedlungen am Stadtrand. Doch die Stadt erfindet sich gerade neu als touristisches Zentrum für Naturfreunde. 192000 Übernachtungen wurden 2014 gezählt - zehn Prozent mehr als 2013.

Diese Entwicklung blieb auch Reederin Kerstin Bischoff nicht verborgen. Ausflugsdampferfahrten sind normalerweise das Geschäft der "Nordstern"-Reederei. Eine Fähre und vier Ausflugsdampfer gehören zur Flotte. "Für den Fährverkehr der Buga-Gäste vom großen Parkplatz zum Buga-Gelände haben wir extra vier kleine Shuttle-Schiffe angeschafft", erzählt sie. Im Herbst, wenn die Gäste wieder weg sind, werden die Shuttles verkauft.

Das Geschäft lohnt sich trotzdem, glaubt Kerstin Bischoff. Einen mittleren sechsstelligen Eurobetrag hat sie gemeinsam mit Ehemann und Schiffsführer Lothar in den Ankauf der Fähren investiert. Das wäre von 30 Jahren wohl kaum vorstellbar gewesen. 1983 hat das Ehepaar allein aus technischer Leidenschaft ein zur Verschrottung bestimmtes Dampfschiff aus dem Jahr 1902 gekauft. So wurde der Kneiper und die Textilwirtschafts-Ingenieurin ein Binnenschiffer-Paar. Und nach der Wende dann Betreiber von Ausflugsschiffen.

Blumen zuhauf in der Kirche Sankt Laurentius

Muss man in Sachsen-Anhalt über die wahre Perle an der Havel noch ein Wort verlieren? Wohl kaum. Die Stadt Havelberg mit ihrer traumhaften Insellage und dem Dom schmückt seit vielen Jahren die Hochglanzbroschüren. Zur Buga gibt es - und das ist schon etwas ungewöhnlich - die Blumen in Havelberg zuhauf in der Stadtkirche Sankt Laurentius zu bewundern. Ungewöhnlich, weil Blumen eigentlich viel Licht brauchen. Damit sie das in der Kirche ausreichend bekommen, ist Elektriker Jürgen Strempel mit seinen Kollegen dabei, Strom in das Gotteshaus aus dem 14. Jahrhundert zu bringen. Heute müssen sie fertig werden, denn nun beginnen die Einbauten für die erste von 16 Blumenhallenschauen. 800 Meter Kabel haben die Elektriker verlegt, Notausgänge mit Leuchtschildern versehen, Steckdosen angebracht. An Schienen ist Platz für Lampen, die für warmes und kaltes Licht sorgen.

"Das ist schon etwas anderes, als im Rohbau die Elektrik zu installieren. Denn hier ist der Denkmalschutz wichtig. Jedes Loch ist eins zu viel. Da überlegst du genau, wo du bohrst", sagt Jürgen Strempel. Der Havelberger freut sich auf die Buga. Zum Beispiel auf die Weinverkostungen an der originalen Weinloge von der Loire. Oder auf Spaziergänge zum "Haus der Flüsse". "Das bleibt ja auch nach der Buga. Da können die Kinder im Grünen Klassenzimmer Biologieunterricht machen. Das stelle ich mir gut vor", so der Elektriker. Seine Hoffnung: "Dass Havelberg noch besser bekannt wird."

Dafür Sorge tragen wird in jedem Fall Angelika Seecker. Die Mutter von zwei Kindern aus Havelberg hat kürzlich als eine von 86 Frauen und Männern erfolgreich ihre Schulung zur Buga-Gästeführerin abgeschlossen. "Ich muss da jetzt aber nicht alle Blumen-Namen kennen", erzählt sie schmunzelnd. In erster Linie sei sie Ansprechpartner für Fragen rund um die Gartenschau. Anfragen zur Domstadt sind für sie ohnehin kein Problem. Schließlich arbeitet Angelika Seecker hauptberuflich in Havelberg als Stadtführerin.

Sie kann also losgehen die Buga - in fünf Städten, zwei Bundesländern, entlang an einem gemeinsamen Fluss.