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Parteien Linke will in Thüringen mit BSW reden: Kritik vom SPD-Chef

Seit vier Jahren gibt es in Thüringen eine Minderheitsregierung. Weit vor der Landtagswahl treibt viele eine Frage um: Welche Mehrheiten werden möglich? Die Linke signalisiert große Offenheit.

Von Stefan Hantzschmann, dpa Aktualisiert: 01.04.2024, 17:17
Martin Schirdewan (Die Linke), Bundesvorsitzender, stellt die Wahlkampagne seiner Partei im Kino Babylon vor.
Martin Schirdewan (Die Linke), Bundesvorsitzender, stellt die Wahlkampagne seiner Partei im Kino Babylon vor. Hannes P Albert/dpa

Erfurt - Trotz schmerzhafter Trennung sind nicht alle Brücken abgebrochen: Linken-Chef Martin Schirdewan hat Gesprächsbereitschaft seiner Partei mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) nach der Landtagswahl in Thüringen im Herbst signalisiert. „Alle demokratischen Kräfte müssen mindestens in der Lage sein, miteinander zu reden, gerade wenn es darum geht, den Aufstieg des neuen Faschismus zu verhindern und ein klares demokratisches Signal zu setzen“, sagte Schirdewan der „Rheinischen Post“. Zuvor hatte es bereits von Thüringer Linke-Landespolitikern ähnliche Signale der Offenheit gegeben.

Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) wies zuletzt mehrfach auf eine nach Umfragen rechnerische Mehrheit von CDU, BSW und Linke hin. In einem solchen Szenario wäre die SPD außen vor. Thüringens SPD-Chef Georg Maier äußerte sich skeptisch. Er kritisierte BSW-Vize Klaus Ernst für einen Post bei X, in welchem dieser die Nato-Osterweiterung als eine der Ursachen für den Krieg in der Ukraine angebracht hatte. „Auch wenn es unseren Kriegstreibern nicht ins Konzept passt, es gab die Zusage des Westens, die NATO nach der Wiedervereinigung Deutschlands nicht auszuweiten!“, schrieb Ernst. Maier schrieb dazu ebenfalls bei X: „Aha, nicht Putin ist der Kriegstreiber, sondern die westlichen Demokratien sind schuld. Sollten alle wissen, die denken das #BSW sei eine normale Partei, mit der man ohne Weiteres koalieren könne. BSW und AfD sind gemeinsam Putins Propagandatruppe.“

In Thüringen suchen die Parteien teils noch nach dem richtigen Umgang mit dem im Januar als neue Partei gegründeten BSW. Einige, wie beispielsweise CDU oder FDP, legen sich noch nicht fest, ob sie eine Zusammenarbeit mit dem BSW in Betracht ziehen. Andere, wie die Linke, senden bereits Signale der Offenheit. Ramelow sagte der „Welt“ (Montag, Online), dass seine Partei nur ein Bündnis mit der AfD ausschließe.

Das BSW will bei den Europawahlen im Juni sowie bei den drei ostdeutschen Landtagswahlen antreten - in Thüringen mit der bekannten Eisenacher Oberbürgermeisterin Katja Wolf.

BSW-Bundesvorsitzende Sahra Wagenknecht sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, für ihre Partei sei ein Weiter so in Thüringen, Sachsen und Brandenburg ausgeschlossen. „Wir führen keine Koalitionsdebatten, die die Menschen wenig begeistern. Klar ist: Thüringen braucht einen politischen Neubeginn.“ Viele Menschen wünschten sich Veränderung.

Die politische Situation im Freistaat gilt seit Jahren als äußerst komplex. In dem 2,1 Millionen-Einwohner-Bundesland führt Deutschlands bisher einziger Linke-Ministerpräsident Bodo Ramelow eine Minderheitsregierung aus Linke, SPD und Grünen - ohne festen Tolerierungspartner, was ein Novum in Deutschland ist.

Ramelow tritt bei der Landtagswahl am 1. September noch einmal an. Nach jüngsten Umfragen könnte es aber erneut zu einer schwierigen Regierungsbildung kommen. Demnach verlor die AfD in den jüngsten beiden Umfragen zuletzt an Zustimmung, lag aber mit Werten zwischen 29 und 31 Prozent trotzdem auf Platz eins, gefolgt von der CDU mit 20 bis 21 Prozent. Ramelows Linke lag bei Werten zwischen 16 und 18 Prozent, das Bündnis Sahra Wagenknecht bei 13 bis 15 Prozent. Die FDP würde den Erhebungen nach aus dem Landtag fliegen, die Grünen stehen bei fünf Prozent und die SPD bei Werten zwischen sechs und neun Prozent. Der „Welt“ sagte Ramelow, Rot-Rot-Grün habe trotz Minderheitsregierung viel Gutes für Thüringen erreicht, sei aber auch an Grenzen gestoßen. „So wie jetzt als Minderheitsregierung weitermachen, wollen wir alle nicht.“

Einen Unvereinbarkeitsbeschluss, der den Christdemokraten eine Koalition mit dem BSW verbieten würde, gibt es bislang nicht. Allerdings wäre die von Ramelow ins Spiel gebrachte rechnerische Mehrheit von CDU, BSW und Linken auch nur theoretisch möglich, denn für die Linken gibt es sehr wohl einen Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU, der den Christdemokraten Koalitionen mit Linken und AfD verbietet.

Nach dem politischen Beben der Ministerpräsidentenwahl 2020, bei der der FDP-Politiker Thomas Kemmerich überraschend mit Stimmen der AfD zum Regierungschef gewählt worden war, vereinbarten Rot-Rot-Grün und die CDU einen Stabilitätspakt - de facto eine Tolerierung der von Ramelow geführten Minderheitsregierung durch die CDU. Der Mechanismus lief aber nach etwa einem Jahr aus, eine angepeilte Auflösung mit Neuwahl des Landtags scheiterte. Seither wird das Regierungsbündnis im Landtag mitunter von den oppositionellen Parteien CDU, AfD und FDP zusammen überstimmt.

Ramelow hatte vor Ostern in einem Interview mit dem Nachrichtenportal t-online auf die Frage, ob er für eine Koalition auch dann zur Verfügung stünde, wenn er nicht Ministerpräsident würde, gesagt: „Ich habe gezeigt, dass ich in Krisensituationen bereit bin, weit über meinen Schatten oder über den meiner Partei zu springen, eben weil es nicht um mich geht, sondern um demokratische Mehrheiten in unserem Land.“

Schirdewan bekräftigte in dem Gespräch mit der „Rheinischen Post“ den Anspruch der Linken, in Thüringen weiterhin eine Regierung anführen zu wollen. Zugleich schloss er auch ein Bündnis mit der CDU nicht kategorisch aus. Auf eine entsprechende Frage verwies er darauf, dass Linke und CDU in Thüringen bereits Kompromisse gefunden hätten. „Dass Bodo Ramelow und CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt miteinander reden können, wenn sie miteinander reden wollen, haben wir gesehen. Und ansonsten: Wahlabend abwarten!“