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Geschichte Sarg für Otto: Eine Künstlerin vor der Aufgabe ihres Lebens

Silke Trekel fertigt Broschen und Ketten aus Titan. Nun will sie etwas deutlich Größeres schaffen: einen Sarg. Wie die Schmuckkünstlerin dafür Archäologie, Handwerk und Kunst zusammenbringen will.

Von Inga Jahn, dpa 24.12.2025, 08:30
Den Sarg hat Trekel im Modell angefertigt.
Den Sarg hat Trekel im Modell angefertigt. Jan Woitas/dpa

Halle - Die hallesche Schmuckkünstlerin Silke Trekel steht vor einer Herausforderung, vor der nur wenige Menschen überhaupt stehen dürfen. Sie soll einem einstigen Herrscher einen Sarg bauen. Der Herrschaft von Otto des Großen, einst Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, soll er würdig sein. Spätestens Ende Juni 2026 will sie ihr bislang wohl bedeutendstes Werk vollendet haben, kündigte die in Rostock geborene Künstlerin im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur an.

Der Sarg muss nicht nur würdig und schön sein, sondern auch archäologischen Anforderungen gerecht werden. Das sei „teilweise herausfordernd“ gewesen, erzählte Trekel. Zahlreiche Aspekte seien zu berücksichtigen gewesen. „Zum Beispiel Vorgaben zu Größe, Gewicht und Materialität sowie zum Text der Inschrift.“

Otto I., auch Otto der Große genannt, wurde 962 in Rom gekrönt. 968 gründete er das Erzbistum Magdeburg. 973 starb er in Memleben. Seine Gebeine liegen seit über einem Jahrtausend im Magdeburger Dom. Der hölzerne Innensarg, in dem sie bislang aufbewahrt wurden, ist allerdings mittlerweile stark beschädigt. 

Eine, die macht

Trekel hat einen Sarg aus Titan, Feingold und Blattgold entworfen. Eine Jury der Kunststiftung Sachsen-Anhalt entschied, dass ihre Idee umgesetzt werden soll. „Silke Trekel ist bekannt für ungewöhnliche Formen, handwerkliche Experimente und feinste Details“, beschreibt die Direktorin der Kunststiftung, Manon Bursian. 

Trekel wurde 1969 in Rostock geboren und hat zwischen 1991 und 1998 an der halleschen Kunsthochschule Burg Giebichenstein studiert. Gemeinsam mit ihrem Mann lebt sie heute in der sachsen-anhaltischen Saalestadt. Auch ihr Atelier ist dort. Ihre Arbeiten waren in der Vergangenheit unter anderem in den Niederlanden, Schweden und in verschiedenen deutschen Städten zu sehen. 

Bis 2015 sei sie viel unterwegs gewesen, unter anderem in New York und Japan, erzählte Trekel. „Auf Reisen und auch zu Hause zeichne ich eher selten, fotografiere lieber und lasse mich von Fundstücken zu einer Idee inspirieren.“ Oft fertige sie dann relativ schnell Modelle aus Karton oder Zinkblech an, um „ein Gefühl für Form und Proportionen zu entwickeln“, so Trekel. Auch den Sarg für Kaiser Otto hat sie modellhaft dargestellt und bei der Kunststiftung eingereicht.

„Etwas ganz, ganz besonderes“

Trekels Entwurf gelinge es „eine überzeugende Synthese aus historischer Symbolik, technischer Innovation und ästhetischer Klarheit, die Ottos Herrschaft würdig reflektiert“, zu schaffen, hatten die Expertinnen und Experten der Fachjury des Wettbewerbs um den Sarg von Otto erklärt, den Trekel gewonnen hat. „Als ich zum Wettbewerb eingeladen wurde, war ich anfangs nicht sicher, ob ich der Größe des Projektes gewachsen bin“, sagte die Künstlerin. Auch, weil es um ein Kunstwerk gehe, das die Gebeine eines Menschen bewahrt, der vor vielen Jahrhunderten gelebt hat. „Das erschien mir sehr abstrakt und es brauchte Zeit und vor allem Ruhe, um einen Zugang zur Thematik zu finden.“

Die Bedeutung von Ruhe

„In der Kunst ist es nicht selten so, dass die Zeit zum Denken das Wichtigste ist. Das Machen geht dann oft deutlich schneller. Eine Idee muss in Ruhe entstehen“, sagt Bursian, die Trekel eigenen Angaben nach schon viele Jahre kennt. Ruhe spielt auch in der Planung der Herstellung des Otto-Sargs eine wichtige Rolle. Der Sarg wird mit einem Laser hermetisch verschweißt, erklärte Trekel. Das ist wichtig, damit die Gebeine Ottos geschützt sind. „Wenn der Sarg verschlossen wurde, wird die Kehle der umlaufenden Zierleiste blattvergoldet. Dieser finale Arbeitsschritt, der ganz ruhig und still in Handarbeit erfolgt, bildet einen würdevollen Abschluss. Dieser Moment wird sicher sehr besonders werden.“

Inspiration in Wien

Während sie ihren Entwurf erarbeitete, sei sie unter anderem für eine Ausstellung von Schmuckstücken aus Titan in Wien gewesen, erzählte Trekel. „Diesmal besuchte ich parallel dazu keine Ausstellung in der Albertina, sondern stattdessen die Kaisergruft und das Bestattungsmuseum am Wiener Zentralfriedhof - beides Orte mit einer spannenden Geschichte.“ Ein Weg, um herauszufinden, was sie für Otto wolle - und was nicht.

Der Herrscher aus dem 10. Jahrhundert soll nun einen Sarg mit abstrahierter Kaiserkrone bekommen, dessen Deckel dachförmig und mit einer diagonal verlaufenen Spitze gestaltet ist. „Der Sargdeckel wird aus zwei gleich großen trapezförmigen Hälften zusammengesetzt, die zuvor entsprechend geflügelt werden.“ An der Stirnseite des Sarges wird eine Krone in abstrahierter Form in Feingold tauschiert erscheinen.

Wenig Spielraum für Kompromisse

Trekel arbeitet für die Herstellung des Sarges mit unterschiedlichen Unternehmen zusammen, denen sie einzelne Arbeitsschritte, wie Gravieren oder Schweißen, übergibt. Die Mitarbeitenden, die an dem Sarg arbeiten, seien absolute Experten mit dem notwendigen ästhetischen Verständnis, sagte die Rostockerin. „Eine gute Kooperation zwischen den einzelnen Gewerken ist für mich eine Grundvoraussetzung, um zu dem Ergebnis zu gelangen, das ich mir vorgestellt habe.“

In den Monaten darauf soll der 912 geborene Otto dann im Rahmen einer großen Feier im neuen Sarg im Magdeburger Dom wieder beigesetzt werden. Einen genauen Termin gibt es dafür noch nicht. Der einstige Herrscher liegt an der Seite seiner 946 verstorbenen Frau Editha. Ihr Sarg war bereits vor rund 15 Jahren von der Bildhauerin Kornelia Thümmel neu gestaltet worden. 

Das Paar ruht im Hohen Chor des Gotteshauses. Dass der Sarg und damit ihr Kunstwerk danach für niemanden mehr sichtbar in einem Sarkophag liegen wird, ist für Trekel „nicht wichtig“, sagte sie. Hingegen wichtig sei ihr, dass sie diese Aufgabe umsetzen dürfe.