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Frankreich Legende des Fernsehens: Georg Stefan Troller ist tot

Georg Stefan Troller spürte dem Schicksal anderer nach. Seine freche Direktheit machte ihn zu einem der bedeutendsten Journalisten und Dokumentarfilmer der Nachkriegszeit des deutschen Fernsehens.

Von Sabine Glaubitz, dpa 27.09.2025, 14:26
Troller verstand es, mit seiner frechen Direktheit Menschen zum Sprechen zu bringen.
Troller verstand es, mit seiner frechen Direktheit Menschen zum Sprechen zu bringen. Miguel Villagran/dpa

Paris - Er sprach mit Marlene Dietrich, Ingrid Bergman und Konrad Adenauer. Ebenso mit einem querschnittsgelähmten Vietnam-Veteranen, der den Mut hatte, sich in seiner Verletzlichkeit nackt in der Badewanne filmen zu lassen. Georg Stefan Troller führte rund 2.000 Interviews und schuf mehr als 170 Filme über Menschen und ihre großen wie kleinen Lebensgeschichten. Nun ist der Österreicher und US-Staatsbürger jüdischer Herkunft im Alter von 103 Jahren gestorben, wie seine Tochter Fenn Troller in Paris mitteilte.

Ein Pionier des Fernsehens 

Troller war einer der bedeutendsten Fernsehjournalisten, Drehbuchautoren, Regisseure und Dokumentarfilmer der deutschen Nachkriegszeit. Schon in den 1960er Jahren stellte er in Interviews mit Prominenten der französischen Kulturszene Fragen, die alles andere als gewöhnlich waren, wie: „Sind Sie glücklich mit Ihrem Leben?“ 

Diese unverblümte, freche Direktheit war neu und unerhört. Weltbekannte Stars beantworteten Trollers Fragen persönlich und oft berührend offen – weit über das hinaus, was sonst im Blitzlichtgeflimmer zu sehen war. 

Der „human touch“

Mit seinem unverwechselbaren Stil und dem „human touch“, den er als Erster ins Fernsehen brachte, wurde er zu einer Legende des deutschen Journalismus - und zum Vorbild ganzer Generationen.

In einem langen Interview zu seinem 100. Geburtstag sagte er dem Bayerischen Rundfunk, er habe in die Menschen „eintauchen“ wollen, um zu verstehen, wie sie zu dem wurden, was sie sind. Als „Menschenfresser“ bezeichnete er sich selbst - eine Selbstbeschreibung für seine unstillbare Neugier, dem Leben und Schicksal anderer Menschen nachzuspüren.

Subjektivität als Prinzip

Immer suchte er einen subjektiven Zugang zu ihnen, manchmal auf unverfrorene oder spöttische Art und Weise. Die Schauspielerin Lauren Hutton fragte er, warum sie ihre Zähne nie habe richten lassen. Die Amerikanerin war mit ihrem Zahnlücken-Lächeln einst auch eines der bestbezahlten Supermodels der Welt. 

Seine betont subjektive Befragungsmethode wurde zunächst kritisiert. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs musste die Dokumentation dem Gebot der Objektivität genügen. 

„Meine Ausdrucksweise konnte sich dem angleichen, aber dahinter lauerte der Subjektivismus“, erzählte er in dem Interview weiter. Diese Mischung sei sein Stil gewesen. Geschichten nur objektiv beschreiben, das könne er nicht, denn im Grunde sei er ein Lyriker - und wo gebe es Lyriker, die nicht mit "Ich" anfangen. 

Erfolg mit „Pariser Journal“ und „Personenbeschreibung“

Troller machte die persönliche Sicht der Dinge zum Hauptreiz seiner mehrfach ausgezeichneten Sendungen, wie dem „Pariser Journal“ im Westdeutschen Rundfunk (WDR), mit prominenten Gästen aus der französischen Metropole, und der ZDF-Sendereihe „Personenbeschreibung“ mit psychologischen Porträts von Menschen aus vielen Ländern und unterschiedlichster Geschichte. 

Seine Porträts reichten von A wie dem Boxer Muhammad Ali über K wie Edmond Kaiser, Gründer des Kinderhilfswerks „Terre des Hommes“, der ihm das Elend der Leprakranken in Indien vor Augen führte, bis Z wie Elmo Zumwalt, der mitverantwortlich war für das Versprühen von Entlaubungsmitteln im Vietnam-Krieg.

Flucht und Neubeginn

Troller wurde am 10. Dezember 1921 in Wien in eine jüdische Pelzhändlerfamilie geboren. 1938 flüchtete die Familie vor den Nazis zunächst in die Tschechoslowakei, dann nach Frankreich und Amerika. Im Jahr 1943 wurde er von der US-Armee zum Kriegsdienst eingezogen, im April 1945 war er an der Befreiung des KZ Dachau beteiligt. Wegen seiner Deutschkenntnisse wurde er von den Amerikanern mit der Vernehmung von Kriegsgefangenen beauftragt.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs begann er in den USA Anglistik und Theater zu studieren, bevor er an die Sorbonne nach Paris kam. Dort fand er seine Berufung als Kulturkorrespondent und Fernsehreporter. Troller lebte über 70 Jahre in Frankreich; seine zweite Frau starb 2018 und wurde in Paris beerdigt.

Trollers älteste Tochter Fenn Troller erinnerte sich an eine Kindheit „in einem kosmopolitischen Umfeld“, in dem sie umgeben „von Worten, Sprachen, Büchern und vielseitigen Kunstwerken“ aufwuchs. „Unser Leben wurde geprägt von Dreharbeiten, Treffen mit Familie und Freunden aus aller Welt sowie Urlaub in unserem von einem Wassergraben umgebenen Steinhaus in der Normandie.“ Ihre zufällige Entdeckung von Fotos, die ihr Vater in den fünfziger Jahren aufgenommen hatte, habe es ihm ermöglicht, sein Erinnerungsbuch „Ein Traum von Paris“ zu veröffentlichen und am Ende seines Lebens als großer Fotograf anerkannt zu werden.

Arbeit als Überlebensstrategie

Trollers Hauptantriebskraft war nach eigener Aussage die Überwindung seiner natürlichen, durch Flucht und Verfolgung verstärkten Menschenangst. Indem er ausgewählten Menschen die Fragen stellte, die er an sich selbst hatte, erweiterte er seinen eigenen Erfahrungshorizont als Mensch und Filmemacher. 

Er habe seine Arbeit zum Überleben gebraucht, sagte er einst. Selbstbefragung nannte er seine Stärke, die ihm half, Fragen zu finden, die er anderen stellte. Für Troller waren Interviews letztlich Selbstgespräche.

In einem Interview mit der Plattform für den deutsch-französischen Dialog „dokdoc.eu“ zog Troller sein Lebensresümee: „Ich bin zu dem geworden, wozu ich innerlich vorbestimmt war“, antwortete er. Und er setzte hinzu: „Was ich mir erträumt habe, ist wahr geworden.“