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Thüringer Handwerk Wenn der Chef in Rente geht - Viele Betriebe vor dem Aus

In den 1990er Jahren gab es einen Gründungsboom im Thüringer Handwerk. Nun wollen viele Betriebsinhaber in den Ruhestand gehen. Was wird aus ihren Betrieben?

Von dpa Aktualisiert: 06.08.2025, 17:08
Dramatische Situation bei Unternehmensnachfolge im Handwerk (Archivbild)
Dramatische Situation bei Unternehmensnachfolge im Handwerk (Archivbild) Wolf von Dewitz/dpa

Elxleben - Plötzlich Chef: Als er gefragt wurde, ob er die Firma mit 30 Mitarbeitern übernehmen wolle, sei ihm mulmig geworden, sagte der Geschäftsführer der Heizungsfirma Braun & Höfler GmbH in Elxleben (Kreis Sömmerda), Stephan Wreden. „Aber dann war es schon ganz cool.“ 

Seit 2024 ist der 37-Jährige zusammen mit Partner Tobias Theis Chef des eingesessenen Handwerksbetriebs. Als ehemalige Angestellte haben sie die Firma von den Gründern übernommen. Tausenden anderen Betrieben im Freistaat droht nach Einschätzung des Handwerkstags das Aus, wenn die Gründer in den Ruhestand gehen.

Ein Musterbeispiel für eine gelungene Unternehmensnachfolge nannte der Geschäftsführer des Thüringer Handwerkstags, Thomas Malcherek, die Firma in Elxleben. In den 1990er Jahren hatte es einen Boom im Handwerk mit vielen neuen Firmen gegeben. Nun suchen Tausende Betriebsinhaber Nachfolger, damit ihre Firmen bestehen bleiben. 

Tausende Betriebe auf Nachfolgesuche

 „Wir sind gerade an einem Kipppunkt“, sagte Malcherek am Rand des Betriebsbesuchs in Elxleben. Nur noch selten würden die Kinder der Betriebsinhaber übernehmen. Der Weg für Angestellte oder junge Meister sei damit frei. Nach seinem Eindruck würden vor allem größere Firmen rechtzeitig versuchen, Nachfolger aufzubauen, sagte Unternehmenschef Wreden. Kleinere Firmen machen nach seinem Eindruck beim Fehlen eines Nachfolgers häufiger zu. 

In Thüringen gibt es nach Angaben von Malcherek etwa 28.000 Handwerksbetriebe. „Nach unseren Schätzungen sind bei 11.000 bis 12.000 die Betriebsinhaber 55 Jahre alt und älter.“ Er sehe die Gefahr, dass bei 25 bis 50 Prozent der Betriebe kein Nachfolger gefunden werden könne, so der Geschäftsführer des Handwerkstags. „Wir werden auf jeden Fall in den kommenden Jahren weniger Betriebe haben, mit gravierenden Folgen.“ 

Vielfach sei die Situation dramatisch: In einzelnen Gewerken wie Feinwerkmechanikern, Informationstechnikern, Gerüstbauern oder Klempnern liege der Anteil der Betriebsinhaber im Alter über 60 Jahre bei mehr als 60 Prozent, informierte die Handwerkskammer Erfurt. 

Wirtschaftliche Chancen für Nachfolger 

Vor allem in ländlichen Regionen drohten Versorgungslücken, längere Wartezeiten auf Handwerker, weniger Wirtschaftskraft und Arbeitsplatzverluste, so Malcherek. Auch der soziale Zusammenhalt könne leiden. Hinzu komme, dass ein Teil der Betriebsinhaber ohne Nachfolger schon vor dem Ruhestand ihre Firmen verkleinere. Es würde kaum noch investiert oder ausgebildet, Firmen schrumpften. Die Lage in den einzelnen Regionen und Gewerken würde derzeit untersucht - die Handwerkskammer Erfurt habe eine Studie in Auftrag gegeben. 

Die drei Thüringer Handwerkskammern versuchten unter anderem mit Beratungsangeboten oder Betriebsbörsen gegenzusteuern, wo Handwerker ihre Firmen anbieten könnten, so Malcherek. An die Politik appellierte er, die bürokratischen Hürden zu senken, vor denen viele Handwerker zurückschreckten. Er hoffe auf junge Leute, denen sich mit Betriebsübernahmen oft große wirtschaftliche Chancen böten. Die Übergabe müsse jedoch vorbereitet sein, oft dauere der Prozess Jahre.

Die beiden Inhaber der Heizungsfirma Braun & Höfler GmbH in Elxleben haben sich nach eigenen Angaben mit der Verantwortung für Projekte und Baustellen schrittweise an die Firmenleitung herangetastet. Sie berichten von einer guten Auftragslage und Wartelisten von Kunden - die reichten bis ins kommende Jahr.