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Medizin Demenz, die sich behandeln lässt

Altershirndruck ist durch einen rechtzeitigen operativen Eingriff therapierbar.

Von Barbara Driessen 07.06.2016, 23:01

Köln/Dresden (epd) l Es beginnt ganz schleichend. Und fällt vor allem den Angehörigen zuerst auf: Wenn der Vater oder Ehepartner auf einmal anders geht, breitbeiniger und schlurfend. Irgendwann schafft er es nicht mehr rechtzeitig zur Toilette, verliert auf dem Weg dorthin bereits Urin. Der Betroffene kann sich auch immer schlechter konzentrieren, Gesprächen nicht mehr richtig folgen und wird mental immer langsamer – es sind Anzeichen einer beginnenden Demenz.

In Deutschland gibt es etwa 1,5 Millionen Demenzkranke. Jedes Jahr kommen mehr als 300.000 Neuerkrankungen dazu. Mediziner gehen davon aus, dass ein Zehntel der Demenzkranken an Altershirndruck leidet, Fachleute sprechen von Normaldruckhydrocephalus (NPH). „NPH ist eine der wenigen Demenzformen, die man gut behandeln kann“, sagt der Neurologe Christian Dohmen vom Uniklinikum Köln: „Je früher man das erkennt, desto besser ist die Prognose.“

Durch einen rechtzeitigen Eingriff lässt sich nicht nur verhindern, dass die Beschwerden des Patienten zunehmen. Es ist auch möglich, den Gesundheitszustand deutlich zu verbessern. So können Betroffene anschließend oft messbar besser laufen, die Harninkontinenz nimmt ab und auch die Konzentrationsfähigkeit nimmt wieder zu.

Das Problem komme dadurch zustande, dass das Hirnwasser nicht wie bei gesunden Menschen ungestört ablaufen könne, erläutert Dohmen. Bei Patienten mit Normaldruckhydrocephalus sammelt sich das Wasser in den Hirnwasserkammern und erweitert diese immer weiter, bis sie auf Teile des Gehirn pressen. Sorgt man dafür, dass das Wasser abfließen kann, werden auch die Beschwerden gelindert. Heilen kann man NPH nicht. Aber die Symptome lassen sich in den Griff bekommen – langfristig allerdings nur durch einen chirurgischen Eingriff am Gehirn. „Um zu testen, ob einem Patienten durch solch einen Eingriff geholfen werden kann, macht man zunächst einen Liquorablassversuch“, erläutert die Neurochirurgin Gabriele Schackert vom Universitätsklinikum Dresden. Dabei wird einmalig von außen mit einer Spritze in Höhe der Lendenwirbelsäule Hirnwasser aus dem Wirbelkanal abgesaugt. Verbessern sich daraufhin die Symptome des Patienten, kann er für einen dauerhaften Eingriff infrage kommen.

Da die natürlichen Ablaufkanäle bei NPH-Patienten gestört seien, werde bei der Operation mit Hilfe eines Ventils im Gehirn eine „Umleitung“ zum Bauchraum geschaffen, sagt Schackert. Dort kann das Hirnwasser problemlos vom Körper abgebaut werden. „Bei einer guten Indikationsstellung und rechtzeitiger Operation profitieren mehr als 90 Prozent der Patienten davon. Nach drei Jahren liegt dieser positive Effekt dann immer noch bei 73 Prozent“, sagt die Medizinprofessorin.

Wichtig ist, dass der Altershirndruck so früh wie möglich erkannt wird: „Wenn der Patient bei der Diagnose bereits deutlich dement ist, leidet er bereits seit Jahren daran. Und dann ist der Schaden im Gehirn meist nicht mehr rückgängig zu machen“, sagt Christian Dohmen.

Der Neurologe rät Angehörigen dazu, auf die drei Symptome zu achten, die typisch sind für NPH: ein schlurfender Gang, eine beginnende Harninkontinenz und Störungen im Kurzzeitgedächtnis. Treffen sie zu, sollte ein Neurologe eingeschaltet werden.

Dohmen warnt jedoch davor, sich vorschnell auf eine Operation einzulassen: „Das ist kein Eingriff, den man einfach mal so machen lässt. Bei mindestens fünf Prozent der Patienten kommt es in der Folge zu Komplikationen wie Einblutungen ins Gehirn.“ Diese könnten zu bleibenden Behinderungen oder sogar zum Tod führen, sagt der Neurologe. Er rät deshalb dazu, sich vor einem Eingriff einer sehr gründlichen Untersuchung in einer neurologischen Klinik zu unterziehen, um sicherzugehen, dass tatsächlich Altershirndruck vorliegt. „Die Operations-Methode ist gut geeignet, aber es sollten keine Patienten operiert werden, die gar kein NPH haben und denen die OP deshalb auch nichts bringt.“

Infografik: Demenz-Fälle nehmen weltweit zu | Statista
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista, Referenz