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Romantisches Nordwales Keltische Traditionen und malerische Schönheit

Wilde Naturparks, mächtige Burgen, romantische Dörfer: Nordwales hat von jeher Künstler inspiriert - und Besucher angelockt.

Von Alexandra Frank, dpa 16.07.2020, 03:34

Ruthin (dpa/tmn) - Manchmal kann es ein unscheinbares Geschirrstück sein, ein Becher oder ein Teller, das Erinnerungen hervorlockt. Bei Cefyn Burgess war es eine Porzellantasse auf einem Stickbild. Der 58-jährige Künstler zeigte es auf einer Ausstellung.

Vor allem die älteren Besucher betrachteten die Tasse und fingen an zu erzählen. Von früher. Von den Gottesdiensten in den Kapellen und den Kaffeerunden nach der Sonntagsschule, bei denen Woche für Woche ebendieses Geschirr aufgetischt worden war.

"Sie sehen in meinen Werken einen Bezug zu ihrer Vergangenheit, ein Stück Identität", sagt Burgess, dem man im Kunsthandwerkszentrum Ruthin Craft Centre bei der Arbeit über die Schulter schauen kann.

Kapellen prägten das Land

Ihm geht es genauso. Die Geschichten, die ihm am Herzen liegen, sind die der Kapellen. Die vielen kleinen Gotteshäuser, die einst jedes Dorf in Wales schmückten - und von denen es die meisten längst nicht mehr gibt. Abgerissen in den 1970er- oder 80er-Jahren, als die Industrie den Bach runterging, Fabriken schlossen und die Leute fortzogen.

Burgess ist im Laufe der Jahre immer wieder durch Wales gefahren, um die Kapellen auf Stoff, Papier oder Leinwand zu verewigen. Manche duckten sich im Schatten stattlicher Burgen wie in den Küstenstädten Caernarfon oder Harlech, andere versteckten sich in malerischen Dörfern mit walisischen Namen, die ausländische Besucher kaum aussprechen können. Orte wie Llangollen oder Beddgelert, wo sich schmucke Steingebäude an plätschernde Flüsse reihen. Jede einzelne Kapelle ein Stück Geschichte, ein Stück Wales.

Ansichten wie für Gemälde erdacht

"Kunst war für die walisische Identität immer wichtig", sagt Lin Cummins von der Kunstgalerie Mostyn im nordwalisischen Seebad Llandudno, wo sich an der mondänen Strandpromenade viktorianische Häuser im Zuckerbäckerstil aneinanderreihen. Mostyn war eine der ersten Galerien, in der auch Frauen ihre Werke präsentieren durften.

In früheren Zeiten waren es vor allem Landschaftsmaler, die sich von der Schönheit Nordwales' inspirieren ließen: Künstler aus Großbritannien wie William Turner oder David Cox, die die Landschaft in dramatischen Bildern einfingen. Sie zeigen Motive, die heute noch Besucher faszinieren: die mächtige Stadtmauer und die Burg von Conwy südlich von Llandudno, Sonnenuntergänge über der Irischen See und immer wieder die Bergrücken des Snowdonia-Nationalparks.

Die Kunst wurzelt in der Identität der Menschen

"Aber Kunst ist gerade hier in Wales mehr als liebliche Malerei", sagt Lin Cummins. Die walisische Sprache, lange verboten oder unerwünscht, die Musik, die keltischen Legenden, aber auch die farbenfrohen Tapisserie-Werke, die althergebrachte Muster aufgreifen - all dies sei Ausdruck der kulturellen Identität.

Nicht nur in Museen, sondern vor allem im Alltag sei es den Walisern immer wichtig gewesen, ihre Traditionen am Leben zu halten, um als eigene Kultur unter der Vormacht der Engländer nicht unterzugehen.

Vielleicht sieht man das nirgendwo deutlicher als in Machynlleth an der Südspitze des Snowdonia-Nationalparks. 1404 setzte hier der walisische Nationalheld Owain Glyndwr das erste Parlament des Landes ein, zuvor hatte er einen Aufstand gegen England angezettelt.

Modern und zeitgenössisch

Nur einige Straßenzüge von jenem Haus entfernt befindet sich heute das MOMA Machynlleth. Das Museum für moderne walisische Kunst präsentiert traditionelle Handwerksstücke wie Quilts und Decken, aber auch Schieferskulpturen des zeitgenössischen Bildhauers Ben Jones oder großflächige Bilder von Roger Cecil, der die Industrialisierung des Landes in den 60er- und 70er-Jahren dokumentierte.

Das Herz des Museums ist The Tabernacle, eine klassizistische Kapelle von 1880. Statt sie abzureißen wie die vielen anderen Kapellen wurde sie Mitte der 1980er-Jahre in einen Teil des Museums umgewandelt. Jedes Jahr im August findet ein Festival statt, das klassischer Kunst, Performances, Chorgesang und Gedichtlesungen Raum bietet.

Eine neue Nutzung, die auch Cefyn Burgess zufrieden stimmt. Verewigt hat er das Gotteshaus natürlich schon längst. Sein Bild ist heute das Logo des Museums.

© dpa-infocom, dpa:200715-99-801941/5

Ruthin Craft Centre

Kunstgalerie Mostyn

MOMA Machynlleth

Wales:

Klima und Reisezeit: Dank des Golfstroms hat Wales ein ziemlich gemäßigtes, maritimes Klima mit milden Sommern und nicht allzu kühlen Wintern. Von Oktober bis Januar regnet es häufig.

Anreise: Cardiff in Südwales hat einen internationalen Flughafen, mehr Direktflüge gibt es jedoch nach Heathrow/London oder Manchester.
Fährverbindungen nach England gibt es von Dänemark, den Niederlanden, Belgien und Frankreich.

Mehr Informationen unter www.visitwales.com/de

Alexandra Frank
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