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Kriminalität Millionenschäden durch Planenschlitzer

Planenschlitzer sind derzeit verstärkt auch auf Sachsen-Anhalts Autobahnparkplätzen aktiv.

Von Matthias Fricke 14.12.2015, 06:22

Magdeburg l Ende November, nachts um 2 Uhr. Auf einem Parkplatz auf der A 9 bei Dessau-Roßlau nehmen Planenschlitzer einen Lkw ins Visier. Die Täter setzen zu Probeschnitten an und entdecken eine Ladung neuer Reifen. Während der Fahrer vorne schläft, laden die Ganoven 350 der insgesamt 900 Reifen um. Der Diebstahl wird erst am Morgen vom Fahrer bemerkt.

Dies ist nur einer von Hunderten solcher Ladungsdiebstähle auf Sachsen-Anhalts Autobahnen. Nur selten gelingt der Polizei ein Schlag wie in der vergangenen Woche, als sieben Polen in der auf dem Rastplatz Petersberg auf der A 14 bei Halle festgenommen wurden. Gegen fünf von ihnen wurde Haftbefehl wegen schweren Bandendiebstahls erlassen. Sie sollen seit 2014 vor allem in Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt Planen von Lkw aufgeschlitzt und Ladung entwendet haben.

Hauptkommissar Olav Pitloun vom Autobahnpolizeirevier Börde, der für die Autobahnen 2 und einen Teil A 14 bis Plötzkau verantwortlich ist, kennt das Vorgehen der Banden: „Planenschlitzer gehen oft arbeitsteilig vor.“ Während die Besatzung eines Autos die Gegend auskundschaftet, machen sich die Insassen des anderen Lkw an den Planen zu schaffen. Wie aus dem Nichts tauchen dann neun bis zehn Leute auf und laden dann die Waren blitzschnell auf einen zweiten Lkw um. „Wenn wir dazukommen, laufen sie in alle Richtungen in der Dunkelheit auseinander. Dabei begeben sie sich sogar in Lebensgefahr, wenn sie über die Autobahn flüchten“, so der Ermittler. Meist stammen die Täter aus Polen, Litauen, Lettland und Rumänien.

Gestohlen werde alles, was sich zu Geld machen lässt: Fernseher, Fahrräder, Kaffee, Schuhe oder Computer-Technik. Letzteres war im vergangenen Jahr auf der A 2 gestohlen worden. „Da betrug der Schaden allein in diesem Fall rund 100 000 Euro.“ Insgesamt soll bei der Autobahnpolizei Börde in diesem Jahr ein Schaden von mehr als einer halben Million Euro entstanden sein. Im gesamten Vorjahr waren es 700 000 Euro. Je nachdem, bei welchem Lkw die Täter auf der sogenannten Warschauer Achse zuschlagen, fällt die Höhe des Schadens vereinzelt auch höher aus. So hatten Planenschlitzer auf dem Rastplatz Michendorf 260 Carbonfahrräder im Wert von 1,3 Millionen Euro entwendet. Nach Angaben des Gesamtverbandes Deutscher Versicherer werden jährlich rund 300 Millionen Euro Entschädigung für gestohlene Ladungen gezahlt.

Matthias Schollmeyer, Geschäftsführer des Landesverbandes des Verkehrsgewerbes Sachsen-Anhalt sieht indes wenig Möglichkeiten sich zu schützen: „Ein Patentrezept gibt es noch nicht.“ Zwar gebe es schnittfeste Planen, die aber wegen der hohen Kosten sich kaum durchsetzen. Zudem sei die Ladung ohnehin pflichtversichert. Zwar sind die Fahrer angewiesen möglichst abgesichert zu parken, dies sei aber nicht überall möglich. Auf deutschen Autobahnen fehlen laut ADAC Tausende sichere Parkplätze.

Schollmeyer: „Wir sind besorgt, dass die Täter offenbar auch immer brutaler werden.“ So ist im Oktober auf der A 38 bei Bleicherode (Thüringen) ein tschechischer Lkw-Fahrer auf einem Parkplatz bewusstlos geschlagen worden. Er hörte nachts Geräusche an seinem Lkw und stand plötzlich sechs Männern gegenüber. Diese schlugen und traten auf ihn ein. Aus dem Lkw wurden 200 Reifen entwendet.

Die Polizei setzt auf Aufklärung. „Wir haben auf den Parkplätzen Flyer in mehreren Sprachen verteilt“, sagt Polizeikommissar Veit Raczek vom Autobahnpolizeirevier Weißenfels. Darauf wird auch auf Möglichkeiten der Videoüberwachung und Alarmsysteme hingewiesen.