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Beratervertrag Immobiliendialog ohne ein Gespräch

Neue Details erhärten den Verdacht, dass es für einen 80.000-Euro-Beratervertrag kaum nennenswerte Gegenleistungen gab.

11.11.2016, 23:00

Magdeburg l Um den 80.000 Euro teuren Beratervertrag „Immobiliendialog 2020“ sind weitere Ungereimtheiten aufgetaucht. Recherchen der Volksstimme erhärten den Verdacht, dass es für das Geld keine angemessene Gegenleistung durch das Institut für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung (ISW) in Halle gab.

Den fragwürdigen Beratervertrag hatte das SPD-geführte Finanzministerium im Jahr 2012 über das nachgeordnete Bau- und Liegenschaftsmanagement (BLSA) an die Investitionsbank (IB) vergeben. Rund 60. 000 Euro – also 75 Prozent der Summe – hat das ISW erhalten. Das Institut sollte mit dem Immobiliendialog die „bedarfsgerechte und wirtschaftliche Unterbringung“ der Landesbehörden mit den „Bedarfen der Kommunen“ verzahnen – eigentlich eine ureigene Aufgabe des BLSA. Mit dem Immobiliendialog sollten insbesondere Gebäude in Magdeburg und Halle neu vermarktet werden.

Das ISW erweckt im Immobiliendialog-Abschlussbericht den Eindruck eines regen Austauschs mit den Städten. Darin heißt es zu Magdeburg: „Durch den Immobiliendialog konnte ein positiver Impuls gesetzt werden, durch den bilaterale Abstimmungsgespräche in Gang gesetzt wurden.“

Doch mit der Landeshauptstadt hat es offensichtlich nicht ein einziges Gespräch gegeben. Das bestätigte der Magdeburger Oberbürgermeister Lutz Trümper (parteilos) auf Anfrage der Volksstimme. „Mit uns gab es keinen ‚Dialog‘. Ich habe Gespräche mit Beteiligung des ISW grundsätzlich abgelehnt“, sagte Trümper. Er habe keinen Sinn darin gesehen, die kommunalen Daten mit dem privaten Institut zu teilen, so der Oberbürgermeister. „Zu Immobilien habe ich ausschließlich Gespräche mit dem BLSA und dem Finanzministerium geführt“, sagte er.

Doch nicht nur das wirft neue Fragen auf. Nach Volksstimme-Informationen gibt es zudem Unterlagen, die belegen, dass der „Immobiliendialog 2020“ des ISW in weiten Teilen durch das BLSA vorbereitet worden ist. Wie aus Akten der Landesbehörde hervorgeht, erarbeitete diese im Vorfeld des Immobiliendialogs ein detailliertes Exposé. In diesem hat das BLSA alle Landesimmobilien in Magdeburg aufgelistet und auch bereits eine Einschätzung zur Nutzung dieser abgegeben. Warum die Landesbehörde vom Finanzministerium trotz vorliegender Daten genötigt wurde, beim ISW einen „Immobiliendialog“ in Auftrag zu geben, ist unklar. Ebenso offen ist, was das ISW tatsächlich selbst zum „Immobiliendialog 2020“ beigetragen hat.

Die beteiligten Akteure kennen sich seit Jahren. Das ISW galt lange Zeit als „Haus- und Hoflieferant“ von Ex-Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD). Bullerjahn ist eng mit ISW-Geschäftsführer Michael Schädlich befreundet, seine Frau arbeitete zeitweise beim ISW. Der „Immobiliendialog“-Projektbearbeiter für das ISW war Mario Kremling, einst Geschäftsführer des SPD-Landesverbandes. Und: Wie Volksstimme-Recherchen nun ergaben, sitzt Schädlich außerdem im Verwaltungsrat des BLSA. Vorsitzender des Gremiums ist der zuständige Finanzstaatssekretär. 2012 war das Jörg Felgner (SPD) – die Beauftragung des ISW ist damals über seinen Tisch gegangen. Dass beim „Immobiliendialog“ alles mit rechten Dingen zugegangen ist, bezweifeln mit dem Vorgang vertraute Personen stark. Inzwischen wurde der Staatsanwalt eingeschaltet.

Dass das ISW von der Landesregierung stets mit lukrativen Aufträgen versorgt wurde, belegt nun auch eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Kristin Heiß. Darin räumt das Finanzministerium ein, dass das Institut in Halle seit dem Jahr 2004 mehr als zehn Millionen Euro vom Land kassiert hat. Davon vergaben die Ministerien nur 2,8 Millionen Euro direkt an das ISW. Die meisten Verträge schloss das Verkehrsministerium ab (11), gefolgt vom Finanzministerium (8).

Der weitaus größere Teil der zehn Millionen Euro floss über die Investitionsbank ans ISW. „Von den 31 Verträgen wurde nur ein einziger öffentlich ausgeschrieben“, kritisiert Heiß. Dies sei „intransparent“. Es müsse aufgeklärt werden, „was die Gründe für den Umweg sind und in welchem Umfang IB und ISW auf Kosten des Landes davon profitiert haben“, fordert die Linken-Politikerin.

Die Volksstimme hätte IB-Chef Manfred Maas diese und weitere Fragen gern persönlich gestellt. Doch zu einem Interview ist er nicht bereit. Schriftlich ließ der IB-Chef mitteilen, man sei „zum Gespräch mit der Mitteldeutschen Zeitung und dem mdr exklusiv überein“.