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Harzprojekt Krach um Seilbahn

Das Tauziehen um das Schierker Seilbahnprojekt belastet die Koalition. Umweltministerin Dalbert wird vorgeworfen, auf der Bremse zu stehen.

Von Dennis Lotzmann 13.03.2017, 00:01

Schierke l Was der niedersächsische Wurmberg schon lange hat, wollen auch die Ostharzer: Eine Seilbahn soll Skifahrer von Schierke hinauf zum Winterberg und damit in Reichweite des Wurmbergs bringen. Weil damit die touristische Entwicklung im Ostharz vorangebracht werden soll, gilt das Vorhaben in der Landesregierung als Leuchtturm-Projekt. Eigentlich. Hinter den Kulissen tritt die bündnisgrüne Umweltministerin Claudia Dalbert offenbar immer wieder auf die Bremse. Was die Staatskanzlei verärgert. Deren Chef Rainer Robra (CDU) sieht gar die Koalition in Gefahr. Deshalb machte Robra jetzt Dalberts Staatssekretär Klaus Rehda eine Ansage.

Der Grund des Ärgers sind Prüfaufträge, die vor drei Wochen an Dalberts Haus gegangen sind, aber noch immer nicht erledigt wurden. Das sorgt längst nicht nur in Robras Staatskanzlei für Verstimmung. Auch in anderen Ressorts ist man verschnupft über die Verzögerungstaktik im Hause Dalbert.

Weil das 26-Millionen-Projekt umstritten ist und sensible Naturbereiche berührt werden, hatte Robra am 17. Februar Vertreter zuständiger Ministerien zusammengerufen. Ziel war es, in dem seit Monaten währenden Konflikt um Seilbahn-Trasse, Skipiste und den Naturschutzvorgaben einen gesetzeskonformen Kompromiss zu finden.

Dass das Schierke-Projekt heute überhaupt zum Politikum wird, ist einem Geburtsfehler geschuldet. Im Jahr 2001 änderte die Landesregierung das Nationalparkgesetz, um Schierke die erhoffte touristische Entwicklung zu ermöglichen. Oberhalb des Ortes wurden rund 70 Hektar Fläche aus dem Nationalpark herausgelöst – um dort Wintersportstätten zu bauen, die Schierke mit der Ausweisung des Nationalparks andernorts verloren hatte. Im Gegenzug bekam der Nationalpark bei Ilsenburg rund 3000 Hektar hinzu.

Was aus Sicht des Nationalparks ein „guter Deal“ war, stellt sich aus Schierkes Sicht heute problematisch dar. Das herausgelöste Areal ist zwar kein Nationalpark mehr. Weil es damals aber zugleich als FFH-Gebiet (Flora-Fauna-Habitat-Gebiet) an die EU gemeldet worden war, genießt es einen noch höheren Schutzstatus. Und dieser FFH-Schutzstatus ist nachträglich kaum noch korrigierbar. Und noch ein Aspekt kommt verschärfend hinzu: Auf der FFH-Fläche befinden sich schützenswerte Moorwälder. Dies lässt das Seilbahn-Projekt heute auf wackeligen Füßen stehen. Deshalb die Runde, zu der Robra am 17. Februar die beteiligten Fachressorts zusammengetrommelt hatte. Man einigte sich auf einen Kompromiss: Die bislang geplante Seilbahntrasse wird etwas verschoben, um Kollisionen mit den Moorwäldern zu verhindern. Das Umweltministerium sollte binnen drei Wochen prüfen, ob das ausreicht und ob es an anderer Stelle Probleme gibt.

Was nicht überrascht: Der Hauptinvestor, der 78 Jahre alte Unternehmer Gerhard Bürger, ist zu Korrekturen bereit, möchte aber Klarheit, dass dann alle Bedenken ausgeräumt sind. „Unsere korrigierte Trassenführung liegt den Verantwortlichen seit drei Wochen vor – wir warten auf ein Signal“, so Bürger.

Am 3. März legte Umwelt-Staatssekretär Rehda das geforderte Prüfergebnis vor. Die bereits vom 23. Januar datierte Stellungnahme des Landesamtes für Umweltschutz. Zu den konkret formulierten Fragen findet sich darin nichts. Stattdessen: widersprüchliche Fakten. Ein Planer: „Das ist weder Fisch noch Fleisch.“

Entsprechend groß ist Robras Verärgerung. Er sei über die Stellungnahme „ausgesprochen verwundert“, ließ er Rehda wissen. Das Landesamt gehe auf die getroffenen Vereinbarungen überhaupt nicht ein. Das wiederum deckt sich mit dem Eindruck, der in vielen Ministerien entstanden ist: Im Umweltministerium wird auf Zeit gespielt.

Keineswegs, versichert Ministerin Dalbert. „Wir helfen gern, können aber nicht die Aufgaben des Investors übernehmen.“ Sie habe nach dem Treffen im Februar ihre Fachleute angewiesen, den Fragestellungen nachzugehen. „Das kann aber erst nach dem Frost erfolgen.“

Dabei liegen längst Kartierungen ihres Landesumweltamtes vor, die die Moorflächen präzise ausweisen. Und: In der Zuarbeit ihres Staatssekretärs findet sich kein Hinweis auf weitergehende Untersuchungen und den nötigen Zeitrahmen.

Womit die seit Monaten regierungsintern bestehenden Differenzen ihre Fortsetzung finden. Am 24. Juni vorigen Jahres weilten mit Wernigerodes Oberbürgermeister Peter Gaffert und dem kommunalen Schierke-Projektentwickler Andreas Meling zwei Protagonisten des Projektes im Umweltministerium. Nicht einmal zwei Monate im Amt, ließ Ministerin Dalbert sie wissen, „dass das Projekt keine Priorität für die Landesregierung besitzt“. Weil „das Projekt nicht im Koalitionsvertrag steht“, wie sie jetzt zur Volksstimme sagte.

Mit dieser Interpretation steht Dalbert freilich ziemlich einsam da. Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) betont ausdrücklich die „hohe Priorität“, die das Projekt bei der Landesregierung genieße. Und Rainer Robra geht sogar noch einen Schritt weiter: „Das spitzt die Konfrontation weiter zu und kann die Koalition in schwerstes Fahrwasser bringen“, stellte er gegenüber Rehda und mit Blick auf dessen Agieren klar.