1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Zurückrudern im Schulstreit

Bildung Zurückrudern im Schulstreit

Das Bildungsministerium sendet im Streit um höhere Mindestschülerzahlen an Schulen Entspannungssignale.

Von Alexander Walter 30.01.2020, 00:01

Magdeburg l Noch am Wochenende war die SPD in heller Aufregung. Der scheidende Landeschef Burkhard Lischka kündete bereits massiven Widerstand an. Anlass: Ein öffentlich gewordener Entwurf zur Schulentwicklungsplanung 2022 aus dem Haus des Bildungsministers Marco Tullner (CDU). Das Papier sah künftig deutlich strengere Mindestschülerzahlen unter anderem an Gymnasien und Gemeinschaftsschulen vor.

Der Koalitionspartner der CDU sah die Schullandschaft durch die Pläne bedroht. Mittwoch nun legte Tullner deutlich abgemilderte Vorschläge vor. Der Volksstimme sagte er: „Ein Aufschrei oder Panikmache waren zu keinem Zeitpunkt notwendig.“ Die bisher öffentlich gewordenen Zahlen seien zu keinem Zeitpunkt final gewesen.

Wurde absichtlich ein unfertiger Zwischenstand des Ministeriums lanciert oder rudert Tullner auf Druck der Koalitionspartner zurück? Wie auch immer: Die Entwurfszahlen genügten für einen Proteststurm der SPD. Für Ärger sorgten vor allem folgende Überlegungen: Gymnasien sollten laut Entwurf mindestens 75 Schüler vorweisen, um eine Oberstufe (ab Klasse 11) bilden zu können. Nur knapp die Hälfte der Gymnasien im Land (28 von 67) würde dies laut Bildungsministerium aktuell erreichen.

Bislang mögliche Oberstufen mit 50 Schülern wären zudem nur noch mit Ausnahmegenehmigung möglich. Gymnasien, die dauerhaft darunter operieren, wäre nur die Fusion geblieben. Bei den Gemeinschaftsschulen sahen die Pläne vor, die Mindestschülerzahl von 240 auf 300 anzuheben. 10 Gemeinschaftsschulen hätte demnach die Rückumwandlung zu Sekundarschulen gedroht.

In Gemeinschaftsschulen lernen Schüler bis zur achten Klasse zusammen. Die erst 2012 in Sachsen-Anhalt eingeführten Gemeinschaftsschulen gelten als bevorzugte Schulform der SPD – auch deshalb protestierte die Partei. Nach Bekanntwerden der Vorschläge warnte auch die Bildungsgewerkschaft GEW vor „Schulschließungen durch die Hintertür“: Die Pläne seien „überflüssig wie ein Kropf“, sagte Landeschefin Eva Gerth. „Wir brauchen nicht noch mehr Unruhe im ohnehin fragilen System.“

Mittwoch nun legte Tullner neue Zahlen vor: 75 Schüler in der Oberstufe gelten für ihn danach als „ideale Richtgröße“. Auch Oberstufen mit 50 Schülern sollen aber weiter ohne Ausnahmegenehmigung möglich sein. Bei den Gemeinschaftsschulen bleibt es bei mindestens 240 Schülern (in Ausnahmen 180). Die Schulform bleibt den Sekundarschulen damit gleichgestellt.

Vorausgegangen war am Dienstag ein Besuch Tullners in der SPD-Fraktion: „Im Gespräch sind wir uns darüber einig geworden, dass es die vom Bildungsministerium vorgeschlagene einseitige Anhebung der Mindestschülerzahlen zulasten der Gemeinschaftsschulen nicht geben darf“, sagte Fraktionschefin Katja Pähle.

Ein Umsteuern des Bildungsministers sieht Grünen-Politiker Wolfgang Aldag indes nicht. „Der erste Entwurf war uns zu jeder Zeit als Vorschlag kommuniziert worden“, sagte er. Die jetzt vorgelegten Pläne Tullners hält auch Aldag für vernünftig.

Anlass für den Entwurf ist das Auslaufen der bisherigen Schulentwicklungsplanung. Das Bildungsministerium rechnet nach eigenen Angaben vor allem auf dem Land ab 2025 mit sinkenden Kinderzahlen. Die neuen Vorgaben sollen die Unterrichtsorganisation auch bei schwindenden Schülerzahlen ermöglichen und vor allem die Gründung von Schulverbünden erleichtern. Meinung