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Corona-Epidemie Abstand unmöglich

Im Handwerk wird trotz Corona weitergearbeitet. Was das für Friseure oder auf dem Bau bedeutet.

Von Massimo Rogacki 18.03.2020, 00:01

Biederitz/Magdeburg/Oebisfelde l Ärzte und Politiker raten in diesen Tagen eindringlich, Abstand zu anderen Menschen zu halten. Aber das kann Friseurmeisterin Corinna Heine nicht. Die 49-Jährige muss ihre Kunden im Salon Dynamik in Biederitz beim Frisieren und Haareschneiden berühren. „Meine acht Angestellten und ich haben Angst, dass wir uns vielleicht bei irgendjemandem anstecken. Und ich habe auch Bauchschmerzen, weil ich Absagen ohne Ende habe“, sagt sie. Trotzdem geht es weiter. Friseure sind von den Zwangsschließungen ausgenommen.

Corinna Heine führt zwei Friseurgeschäfte, eines in Biederitz und eines in Heyrothsberge im Jerichower Land. „Wir werden im Stich gelassen, weil wir finanziell keinerlei Unterstützung bekommen. Das ist doch hirnrissig!“, schimpft sie.

Berufskollegin Antje Raschbacher, Chefin im Salon „Die Haarschneider“ in Magdeburg, teilt ihre Sorgen. „Ich stehe hier mit Herzklopfen. Denn ich kann nicht mal einen halben Meter Abstand zu einem Kunden halten. Ich möchte am liebsten schließen, um mich zu schützen, aber es überwiegt die Existenzangst“, berichtet die 50-Jährige.

Sie desinfiziert die Türklinken, die Kunden müssen sich ausgiebig die Hände waschen und draußen an der Tür klebt ein Zettel, auf dem steht, dass Leute mit einschlägigen Symptomen nicht bedient werden. „Die älteren Kunden sagen fast alle ihre Termine ab, Jüngere kommen noch, denn wer weiß, was nächste Woche ist“, sagt Antje Raschbacher.

Bei ihr im Geschäft betreibt Kosmetikerin Annett Iser den „Wellnesstempel“. Die 48-Jährige hat notgedrungen noch viel mehr Körperkontakt zu ihrer Kundschaft als die Friseure. „Ich muss den Menschen ja auch immer wieder ins Gesicht fassen. Ich habe Angst. Denn ich bin alleinerziehende Mutter, bin Einzelkämpferin“, erzählt sie.

Burghard Grupe, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer (HWK) Magdeburg, kennt die Nöte der Friseure und von anderen Selbständigen. „Diese Betriebe haben in dieser Situation keine finanziellen Ansprüche. Hier glühen die Telefonleitungen. Wir brauchen nun schnell Antworten“, sagt er mit sorgenvoller Stimme.

Die Investitionsbank und die Bürgschaftsbank des Landes müssten unbürokratisch Liquiditätshilfen gewähren. Die Bundesagentur für Arbeit auch rückwirkend Kurzarbeitergeld bewilligen. Und die Finanzämter zügig und ohne komplizierte Anträge zinslose Steuerstundungen genehmigen, so Grupe.

Neben den Friseuren und Kosmetikerinnen klagen laut Grupe auch die Augenoptiker und die Hörgeräteakustiker. Denn diese arbeiten ebenfalls nah am Kunden. „Auch die Gebäudereiniger leiden unter Auftragsmangel, denn zum Beispiel die Schulen werden ja jetzt nicht gereinigt“, sagt Grupe. Es handele sich um gesunde Handwerksbetriebe, die durch die Pandemie zusehends ins Schlingern kämen. „Wir spüren Pessimismus, weil niemand weiß, wie lange das noch dauert“, so der HWK-Chef.

Die Angst geht auch auf vielen Baustellen um, dass ein Mitarbeiter erkranken könnte. Peters-Bauunternehmen aus Oebisfelde (Börde) hat sich auch schon über den Ernstfall Gedanken gemacht. Doch im Moment sind noch alle Mitarbeiter fit, sagt Geschäftsführer Uwe Peters. Die Geschäfte laufen derzeit „ohne Schwierigkeiten“. Auch bei den Auftragseingängen sehe es nach wie vor gut aus, sagt Peters. Die Firma beschäftigt 15 Mitarbeiter. Vorbeugende Maßnahmen gibt es. Auf den Baustellen wird der direkte Kontakt aufs Nötigste reduziert. Nicht immer leicht.

In Bezug auf staatliche Hilfen will der Firmenchef abwarten, wie sich die Lage entwickelt. Sollte es künftig zu Problemen kommen, würde er zunächst Kontakt zu seiner Hausbank aufnehmen. Noch ist Peters aber optimistisch: Das Unternehmen habe schon viele Krisen bewältigt, auch Corona werde man überstehen.