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Coronavirus Suche nach Mutationen beginnt

Am Klinikum Magdeburg und an zwei weiteren Standorten soll zukünftig nach Corona-Mutationen gesucht werden.

05.02.2021, 04:44

Magdeburg l Viren mutieren. Das ist nichts Neues. Und so sind Experten auch nicht überrascht von den Wandlungen des Covid-19-Erregers. Mehrere ansteckendere Varianten verbreiten sich auf dem Globus, auch in Sachsen-Anhalt sind sie angekommen. Nur erkennt sie hier kaum jemand.

Bis vor kurzem waren es nur etwa fünf Forscher am Uniklinikum Magdeburg, die einen kleinen Teil der positiven Corona-Befunde genauer auf mögliche Mutationen untersucht haben. Nun will das Land die Kapazitäten für die sogenannte Genom-Sequenzierung erweitern. Das Landesamt für Verbraucherschutz soll nach Angaben des Sozialministeriums bald selber sequenzieren. In zwei bis drei Wochen soll es so weit sein.

Auch Mediziner an der Uniklinik Halle wollen verstärkt nach Mutationen suchen. „Wir sind bereits in der Lage, zu sequenzieren“, berichtet Professor Michael Gekle, Dekan der Medizinischen Fakultät. Aktuell würden Kapazitäten ausgebaut. Das Ziel sei zwischen 400 und 600 sequenzierte Proben pro Woche. Wann es erreicht werden soll, teilte Gekle nicht mit.

Insgesamt will die Landesregierung laut Gesundheitsstaatssekretärin Beate Bröcker rund fünf Prozent der positiven Corona-Befunde überprüfen. Derzeit seien es etwa drei Prozent.

Die Befürchtung, mutierte Corona-Varianten könnten mit Blick auf die wenigen Sequenzierungen im Land schon weit verbreitet sein, teilt Ute Albersmann nicht. Die Sprecherin des Sozialministeriums betont: „Wir kennen bisher einzelne Fälle, es gibt keine Hinweise auf mutierte Corona-Varianten in größerem Umfang“. Darüber hinaus verweist Albersmann auf das Screening des Landesamtes für Verbraucherschutz. Dort würden Proben voruntersucht. Mit einer sogenannten Schmelzkurvenanalyse könnten Mutationsvarianten bereits aufgespürt werden. Erst danach würden die Proben dann für genauere Untersuchungen zur Magdeburger Uniklinik geschickt.

Ein Verfahren zur Früherkennung von Mutationen gibt es auch am Uniklinikum Halle. Laut Dekan Gekle hätten die Mitarbeiter damit jedoch noch keine Mutationsvarianten entdeckt.

Dass die Mutationen das Infektionsgeschehen im Land bereits mitbestimmen, war zuletzt im Burgenlandkreis von Landrat Götz Ulrich gemutmaßt worden. Sein Kreis gehört seit mehreren Wochen zu den deutschen Landkreisen mit den höchsten Infektionszahlen. Bislang bestätigte sich die Vermutung nicht. Bei Proben aus vier Pflegeheimen des Burgenlandkreises sind laut Ulrich keine mutierten Virus-Varianten nachgewiesen worden. Das abschließende Ergebnis von zwei Montagearbeitern, die mutmaßlich mit einer mutierten Variante infiziert sein sollen, steht noch aus.

Um die Fälle aus dem Burgenlandkreis genauer auf Mutationen untersuchen zu können, hatte Ulrich um Amtshilfe beim Robert-Koch-Institut (RKI) gebeten. Dem sei nun stattgegeben, sagt der Landrat. Allerdings sollen die Proben erst zum Screening beim Landesamt für Verbraucherschutz. Sofern es dann nach der Voruntersuchung viele Verdachtsfälle auf Virus-Varianten gebe, könne das RKI 20 bis 30 Proben sequenzieren, berichtet Ulrich. „Es ist offenbar so, dass das Robert-Koch-Institut landesweit sehr geringe Kapazitäten hat“, resümiert der Landrat.

Nachgewiesen sind in Sachsen-Anhalt laut Sozialministerium bisher elf Fälle von Mutationsvarianten. In den Kreisen Jerichower Land, Harz und Mansfeld-Südharz sowie in Magdeburg sind Menschen mit der britischen Variante infiziert. In Halle gibt es fünf Fälle, dort ist auch die südafrikanische und seit gestern auch die norwegische Virus-Variante entdeckt worden. Die norwegische, auch als luxemburgische Variante bezeichnet, sei bei einer Mitarbeiterin des Krankenhauses St. Elisabeth und St. Barbara nachgewiesen worden, teilte Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) gestern mit.

Gemein ist allen genannten Varianten, dass für sie eine höhere Ansteckungsgefahr angenommen wird. Inwiefern sie auch schwerere Verläufe zur Folge haben, ist nicht klar. Ebenso ist es mit der brasilianischen Virusvariante, die bisher allerdings noch nicht in Sachsen-Anhalt nachgewiesen wurde.

Für Aufsehen sorgte kürzlich die in verschiedenen Ländern neu aufgetretene Virusvariante E484K. Alexander Kekulé, Virologe an der Universität Halle-Wittenberg, betonte dazu am Mittwoch, dass Antikörper gegen diese Virusmutation deutlich weniger wirksam seien. „Das Virus entkommt dem Immunsystem einfacher“, sagte Kekulé. Wer nach einer Corona-Infektion Antikörper gebildet habe, könne an Viren mit der E484K-Mutation leichter als am herkömmlichen Coronavirus ein zweites Mal erkranken. Die gute Nachricht sei aber, dass die Krankheitsverläufe dann in der Regel milder seien. „Wir haben dann zwar nicht das volle Sortiment, das das Virus abfängt“, erklärte der Mediziner. „Aber wir können es bremsen.“

Die Gefahr einer Erkrankung bestehe bei E484K zwar auch nach einer Impfung, sagte Kekulé. Die mRNA-Impfstoffe böten aber deutlich besseren Schutz als eine natürliche Immunreaktion. Wie stark der Schutz durch die Impfstoffe bei E484K sinke, wisse man noch nicht, sagte der Virologe. „Vielleicht geht die Wirksamkeit nur von 95 auf 90 Prozent zurück.“

Einen Überblick zur Verbreitung der Virus-Mutationen in Deutschland will die Bundesregierung zu Beginn der kommenden Woche geben. Experten gehen davon aus, dass die Mutanten bereits weiter verbreitet sind als bekannt. Allein in Köln wurden bis Dienstag 114 Fälle der mutierten britischen Virus-Variante und 52 Fälle der südafrikanischen Variante nachgewiesen, wie eine Sprecherin mitteilte.

In Großbritannien ist die hier als britische Variante bekannte Mutation inzwischen in den meisten untersuchten Proben zu finden. Noch im Herbst war ihr Anteil verschwindend gering. Anders als dort haben Behörden und Virologen in Deutschland bisher nicht engmaschig nach den Varianten gesucht.

Das will auch das Bundesgesundheitsministerium ändern. Ziel des Ministeriums ist es, dass zwischen fünf und zehn Prozent der positiven Corona-Proben auf Mutationen untersucht werden. Labore bekommen die Untersuchung mit 220 Euro pro Genomsequenz vergütet. (mit dpa)