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Bürgermeister: Saale-Deiche löchrig wie Schweizer Käse / Furcht vor weiteren Überflutungen Drängwasser staut sich in Barbys Straßen

19.06.2013, 01:22

Der moderne Elbe-Deich hat den Fluten standgehalten. Trotzdem stehen rund 160 Häuser in Barby in einer braunen Brühe. Alte Dämme an der Saale haben zu viel Drängwasser durchgelassen.

Barby l Trockenen Fußes erreicht Kerstin Enderlein ihr Haus in der Bahnhofstraße nur noch über einen Holzsteg. Zur Sicherheit trägt sie auch Gummistiefel, sollte sie doch mal ihr Gleichgewicht verlieren und in die faulig riechende Algen-Brühe treten müssen. "Das haben wir hier noch nie erlebt", sagt die 49-Jährige. "Der Landgraben und die Kanalisation haben alles überschwemmt." Weil Enderlein im Haus keinen Strom hat, ist sie mit ihrem Mann zur Schwiegermutter gezogen, lediglich tagsüber schaut sie nach dem Rechten.

Um das Schicksal von Kerstin Enderlein weiß auch Barbys Bürgermeister Jens Strube. "Seit Wochen befinden wir uns im Dauerstress", klagt der 61-Jährige. 20 Hochwasser habe er in Barby schon erlebt, doch seit den 90er Jahren werde es immer schwieriger, gegen die Fluten anzukommen. "Der neue Deich an der Elbe hat geholfen, um Barbys Innenstadt vor dem Wasser zu schützen", erklärt er. Die Deiche der Saale seien aber "löchrig wie ein Schweizer Käse". Drängwasser sei deshalb von Tornitz aus über den Landgraben nach Barby hineingerauscht.

"160 Familien sind nun abgeschnitten von Strom und Abwasser", erläutert Strube. Er hofft, dass die Flut in den kommenden Tagen abfließen kann. Voraussetzung hierfür wäre jedoch, dass die Pegel der Elbe weiter sinken. Der Landgraben, der die Flut nach Barby brachte, mündet gewöhnlich in der Elbe bei Schönebeck. Weil der Fluss aber eben auch dort über die Ufer getreten ist, hat sich das Wasser im Landgraben aufgestaut. Und so kann es wohl noch einige Zeit dauern, bis sich die braune Brühe aus den Straßenzügen in Barby zurückzieht. "Momentan sinkt der Pegel der Elbe leider nur um einen Zentimeter pro Stunde", so der Bürgermeister. Dafür nimmt der Gestank zu. Denn die Sonne brennt pausenlos auf die Schmutzbrühe, in der sich Algen explosionsartig vermehren. Weil durch die Hitze ein Teil des Wassers verdampft, zeichnen sich auch grüne Streifen an Häuserwänden ab.

Wie etwa an dem Haus von Stefan Otte in der August-Bebel-Straße. Er steht an manchen Stellen noch immer knietief in der Brühe. "Mein Arbeitgeber ist kulant und hat mich freigestellt, damit ich mich um das Haus kümmern kann", erzählt der 42-Jährige. Seine Frau und seine beiden Kinder hat er in Sicherheit gebracht: "Die machen Urlaub an der Ostsee." Otte bewegt vor allem die Frage, wann es wieder Strom gibt. "Ohne Strom muss ich mit Notstromaggregaten das Wasser aus dem Haus pumpen." Doch Bürgermeister Strube kann auch ihm nicht sagen, wann es wieder Energie aus der Steckdose gibt. "Wenn sich die Flut zurückgezogen hat, muss der Energieversorger erst alle Sicherungskästen prüfen", erläutert er.

Sorgen bereitet Strube aber noch ein anderes Problem: Steigendes Grundwasser könnte trotz sinkender Elbe- und Saalepegel zu weiteren Überschwemmungen beitragen. "In der ganzen Region haben wir kiesige Böden mit einem hohen Grundwasserspiegel", erklärt er. Das Hochwasser habe zuletzt das Grundwasser aufgestaut. Es könnte nun an die Erdoberfläche pressen.

Kommunale Vertreter aus Barby und Schönebeck haben deshalb einen Offenen Brief an die Landesregierung und Bundeskanzlerin Angela Merkel geschrieben. Darin fordern sie, die Region großflächig stärker zu entwässern, um den Grundwasserspiegel zu senken. Vorerst haben die Einwohner Barbys aber noch mit der stinkenden Hochwasserbrühe zu kämpfen.