Dommuseum Eine Schatztruhe geht bald auf
Restauratoren bearbeiten mittelalterliche Objekte für das Dommuseum Magdeburg. Im November 2018 wird es eröffnet.
Magdeburg l Eva Düllo geht äußerst behutsam zu Werke, als sie die weißen Tücher auseinanderklappt. Auf dem Arbeitsplatz vor ihr, im warmen, trockenen Keller des Kulturhistorischen Museums Magdeburg, kommen zwei Mitrafragmente zum Vorschein. Düllo hält etwas die Luft an. Wohl aus Ehrfurcht, denn das, was da vor ihr liegt, ist auf das 12. Jahrhundert datiert. „Niemand kann heute in dieser Qualität noch weben“, sagt die Textilrestauratorin.
Es sind Fragmente aus dem Grab des Dietrich von Portitz, der um 1300 geboren sein soll. Kaiser Karl IV. hat den Mann mit der steilen Karriere einst protegiert. Mit seiner Hilfe wurde von Portitz 1361 Erzbischof von Magdeburg. Bei Grabungsarbeiten im Jahr 1896 stieß man auf das Grab des einstigen Kirchenfürsten. Laut Claus-Peter Hasse, Kurator der Abteilung Mittelalter am Kulturhistorischen Museum, hätten Skelett und Kleidung – inklusive der Mitra aus Goldbrokat – all die Jahrhunderte gut überstanden. Bis der Zweite Weltkrieg kam und damit Auslagerung und Brand. Zwei kleine Teile wurden aus dem Schutt geborgen. Seitdem passen die Erzbischof-Dietrich-Hinterlassenschaften in einen kleinen Pappkarton.
Auf dem Kistchen obenauf steht „Achtung, sehr fragil“. Was vom mittelalterlichen Grabfund blieb, restauriert Düllo nun. Die freiberufliche Restauratorin, die auch den Domschatz von Halberstadt mit seinen kostbaren romanischen Bildteppichen betreut, reinigt und konserviert die Goldborte, die von Löwen und Greifen geziert wird, und den Rest der Vittae, Teil des Kopfschmuckes, mit den unglaublich zarten goldenen Fäden um das Gewebe. Sie spricht von „ganz hoher Textilkunst“, die heute nach all den Hunderten Jahren nur noch spröde und brüchig ist. „Wie Knäckebrot“, sagt die Fachfrau. Sie will Glanz zurückbringen und das Muster wieder besser lesbar machen.
Entstanden ist das Gewebe vermutlich im Mittelmeerraum. Bis heute wisse die Forschung nicht, wie diese Metallfäden hergestellt worden sind, erzählt Düllo. Dass die Stoffreste bald in einer gut verschlossenen Vitrine im neuen Dommuseum ein Stück Geschichte erzählen, ermöglicht dessen Förderverein. 2900 Euro haben die Mitglieder für die Restaurierung gesammelt.
Schon einmal anlässlich der großen Otto-Ausstellung 2006 aus dem Depot geholt, werden die beiden Stoffe ab 3. November 2018 dauerhaft ausgestellt. Sie gehören zu den insgesamt rund 100 Objekten des neuen Dommuseums Ottonianum, das Kaiser Otto (912–973) mit seiner Bedeutung für die Stadt sowie die deutsche und europäische Geschichte in den Mittelpunkt rückt. Die Exponate stammen aus dem 10. bis 15. Jahrhundet und erzählen ab kommendem Herbst in drei Abteilungen die Geschichte des Herrschers und seiner Frau Editha, der Großbauten auf dem Domplatz und des Erzbistums Magdeburg. Manche Kostbarkeit wurde bereits in den Werkstätten des Landesamtes für Archäologie Halle restauriert.
Der Domhügel galt als Lieblingsort Ottos des Großen. Dort, erhöht über der Elbe, herrschte Mitte des 10. Jahrhunderts eine äußerst rege Bautätigkeit, hatten doch Otto und Editha 937 das Mauritiuskloster gegründet. Zudem ließ der Herrscher nach der legendären Schlacht am Lechfeld (955) eine Kirche errichten, nicht nur groß, auch äußerst prachtvoll in der Ausstattung. Beim großen Stadtbrand 1207 wurde die Architektur so zerstört, dass sich Erzbischof Albrecht II. zu einem Neubau entschied, dem heutigen Dom, der als frühester Bau der Gotik auf deutschem Boden gilt. Verbaut wurden dort auch wertvolle Materialien wie Marmor, Granit und Porphyr, die aus der Vorgängerkirche stammten. Vieles aber blieb verschüttet, wurde erst durch aufwendige jahrelange Grabungsfunde auf dem Domplatz und in der Kathedrale freigelegt. So auch eine steinerne Grablege aus dem 10. Jahrhundert, die seit 2002 im Kulturhistorischen Museum ausgestellt war und vor zehn Monaten in den Rohbau umzog. Der 3,5 Tonnen schwere Koloss ist damit das erste Exponat.
Das Dommuseum Ottonianum (man einigte sich nach langen Diskussionen auf diesen Namen) zieht ins Erdgeschoss der einstigen Reichs- und späteren Staatsbank ein, in direkter Nachbarschaft zum Dom, wo Kaiser Otto I. begraben liegt und nur wenige Meter weiter im Chorgang auch Königin Editha (910–946). Der Bleisarkophag von Editha – sie stammte aus England, war erste Gemahlin von Otto, verstarb in Magdeburg und wurde mehrfach umgebettet – gehört zu den bedeutenden Exponaten im neuen Museum. Um das Auffinden des Sarges mit den Gebeinen hatte es 2009 mächtig Zerwürfnisse zwischen Magdeburg und Halle gegeben.
Ausgestellt werden zudem kostbare Beigaben aus den Gräbern der Erzbischöfe Wichmann von Seeburg (1115–1192) und Otto von Hessen (1301–1361) sowie antik-römische Teile der ottonischen Ursprungsbauten. Um das Mittelalter ins rechte Licht zu rücken, wird die einstige Schalterhalle mit ihren Säulen in den kommenden Monaten neu inszeniert. Das Büro Holzer Kobler Architekturen aus Zürich/Berlin hatte den Wettbewerb mit der Idee gewonnen, im zukünftigen Ausstellungsbereich mit der vorhandenen Architektur zu brechen. Das Innenleben des Museums wird zur Achse des gotischen Domes ausgerichtet.
Ab 3. November 2018 wird es dann nur noch ein Katzensprung sein von den steinernen Herrschergräbern in der Kathedrale zum museal aufbereiteten europäischen Mittelalter.