"Mit Blech will man uns ruhigstellen": Wütende Stadt-Obere schlagen Ehrennadel aus Eklat um Akener Fluthelfer
Die Elbstadt Aken verschärft ihren Konfrontationskurs gegen die
Landesregierung. Bürgermeister und Feuerwehrchef werfen dem Land vor, es
habe die Stadt während der Elbflut im Juni im Stich gelassen.
Aken l Nur wenige Gramm wiegt die kleine Nadel, mit der die Staatskanzlei derzeit Fluthelfer auszeichnet. Das symbolische Gewicht ist aber gewaltig - vor allem, wenn drei Männer, die an vorderster Front gegen die Wassermassen gekämpft haben, die Nadel ausschlagen. Der Bürgermeister und der Stadtwehrleiter von Aken sowie ihr wichtigster Hochwasser-Berater wollen sich nicht ehren lassen. Nicht vom Land. "Erst muss alles aufgearbeitet werden, was damals passiert ist", sagt Bürgermeister Hansjochen Müller (SPD).
Die Vorwürfe sind schwerwiegend. Die Akener Stadtspitze sieht ihre Anstrengungen während des Hochwassers geradezu sabotiert. Mehr noch: Die Regierung unterbinde die Wahrheit und verhöhne die Akener.
Die Darstellungen stehen sich unversöhnlich gegenüber. Es geht zum einen um die Geschehnisse im Dessauer Busch. In der Nacht zum 8. Juni stellt die Polizei dort fest, dass Elbwasser über die Landesstraße 63 strömt. "Das kam volle Hütte", erinnert sich Feuerwehrchef Danilo Licht. Die Akener Einsatzleitung ist sicher: Hier ist ein Damm gebrochen. Sie lässt einen Sperrriegel errichten, dann bahnt sich die Feuerwehr einen Weg zum Leck und verschließt es. "Wir haben die Stadt vor der Überflutung gerettet, das waren wir selbst", sagt Bürgermeister Müller, "das wollen die aber nicht wahrhaben."
Sogar ein Stück Holz flog in Richtung Innenminister
"Die" - das sind Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) und seine Leute. Aus Sicht der Landesregierung gab es im Dessauer Busch gar keinen Deichbruch, sondern lediglich eine Überströmung des Hochufers. Der eilends errichtete Notdamm war wirkungslos - und die Einströmstelle wurde auf Betreiben der Dessauer Einsatzleitung geschlossen. So steht es in einer Beschlussempfehlung, mit der der Petitionsausschuss des Landtags eine Eingabe aus Aken beantworten will. Das Gremium folgt damit der Einschätzung der Landesregierung.
Höchst umstritten ist auch das Akener Schöpfwerk. Bürgermeister Müller hatte immer wieder versucht, die Anlage in Gang zu setzen, um Wasser zurück in die Elbe zu pumpen. Innenminister Stahlknecht lehnte ab. Hauptgrund: Bei einer Überflutung der Trafostation hätte für das Personal Lebensgefahr bestanden.
Schon damals erntete er dafür höhnisches Gelächter anwesender Akener, sogar ein Stück Holz flog in seine Richtung. Stahlknecht verteidigt noch heute seine Entscheidung, zu der ihm der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) geraten hatte. "Die Experten haben mir gesagt, dass eine sofortige Inbetriebnahme des Schöpfwerkes unter keinen Umständen zu verantworten sei", sagt Stahlknecht.
3000 Akener fordern vom Landtag Aufklärung
In Aken sind seither viele auf den LHW schlecht zu sprechen. Sie haben die Petition unterzeichnet, um Aufklärung zu fordern. Nach Angaben von Initiator Siegfried Schnuppe kamen 3000 Unterschriften zusammen - mit der Antwort dürften die meisten Unterzeichner nicht zufrieden sein. Erbost sind sie auch darüber, dass Stahlknecht die Kritiker Anfang Juli in einem Zeitungsinterview als "selbsternannte Experten" bezeichnet hat.
Auch die Flutnadel bringt da keine Versöhnung. "Meine Leute haben ihr Äußerstes geleistet, da müssten andere ihren Hut ziehen", findet Feuerwehrchef Licht. Stattdessen verweigere das Land die Anerkennung. "Mit einem Stück Blech will man uns ruhigstellen." Deshalb wird der Stadtwehrleiter morgen nicht zur Verleihung nach Magdeburg fahren. "Wir wollen ein Zeichen setzen", sagt Licht.
Uwe Schulze, Landrat von Anhalt-Bitterfeld, bedauert den Eklat. Er hat die Männer zur Auszeichnung vorgeschlagen. "Sie haben hart gekämpft und die Auszeichnung verdient", sagt er. Welche Seite Recht hat, will er nicht entscheiden, unter Hinweis auf seine unfallbedingte Abwesenheit im Juni. "So eine Flut ist aber immer eine Ausnahmesituation, wo auch die Emotionen hochschlagen."