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Elektro-Auto Verliebt in alternativ angetriebenes Fahrzeug

Der Altmärker Sebastian Hering ist mit seinem E-Auto zufrieden. Aber er kennt Faktoren, die es Alternativantrieb-Fahrern schwer machen.

Von Bernd Kaufholz 04.01.2018, 09:48

Magdeburg l Sebastian Hering zieht auf dem Parkplatz des Verkehrsministeriums die „Stromtank-Pistole“ aus dem Anschluss in der Mitte der Fronthaube. Am Morgen, nachdem er die knapp 90 Kilometer von seinem Wohnort in der Altmark bis nach Magdeburg gefahren ist, hat er seinen Elektro-Renault an der E-Tanksäule angestöpselt. Jetzt ist der Akku des „ZOE“ wieder voll für gut 150 Kilometer.

Allein rein ökologische Erwägungen hätten bei ihm keine Rolle gespielt, ein Fahrzeug zu kaufen, das nicht herkömmlich angetrieben wird. „In erster Linie waren es finanzielle Überlegungen“, räumt Hering ein. „2000 Euro Zuschuss, steuerbefreit, die meisten Ladepunkte unentgeltlich, keine Ausgabe für Sprit, preiswertere Versicherung, keine Abgasuntersuchung, kein Ölwechsel.“

„Bevor ich nach Gardelegen gezogen bin, habe ich in Großstädten gewohnt. Da habe ich gar kein Auto gebraucht, aber in der Altmark, die langen Wege ...“

Ein Bekannter vom Kfz-Fach habe ihm vom zuerst favorisierten Erdgas-Auto abgeraten – der Tank roste schnell durch. „Da habe ich vor zwei Jahren den ,ZOE‘ aus zweiter Hand gekauft.“

Dass er sich in einer „rollenden Spule“ als Exot fühle, damit habe er kein Problem. Im Gegenteil: „Wenn sich E-Car-Fahrer auf der Straße begegnen, winken sie sich freundlich zu.“

Dass passiert allerdings nicht sehr oft, denn Autos mit Elektro-Antrieb sind in Sachsen-Anhalt immer noch die große Ausnahme. Insgesamt gab es Ende 2017 ganze 232 elektrogetriebene Pkw. Dass sich deren Fahrer alle namentlich kennen, ist allerdings nur ein Witz.

Weniger spaßig hingegen ist die Tatsache, dass der mit 600 Millionen Euro prall gefüllte Fördertopf für „Stromer“ kaum genutzt wird. Lediglich knapp 46.900 Zuschuss-Anträge für den Kauf eines Elektro-Autos wurden seit Einführung des sogenannten Umwelt-Bonusses Anfang Juli 2016 gestellt. Der Präsident des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, Andreas Obersteller, nennt die Zahl: „Es wurden 65 Millionen Euro, also etwas mehr als zehn Prozent des Fördertopfes, abgerufen.“

Ein Knackpunkt ist – da sind sich alle Experten einig – die im Gegensatz zu herkömmlichen Motoren geringe Reichweite eines Batterie-Fahrzeuges und das unterentwickelte Netz von Ladestationen.

Auch Sebastian Hering kann ein Lied davon singen. „Eine weitere Fahrt, zum Beispiel an die Ostsee, ist ein echtes Abenteuer. Man kann sich zwar vorher informieren, ob es auf dem Weg ausreichend viele E-Tankstellen gibt, aber die Angaben sind oft nicht zuverlässig.“

Dass es neben seinem Arbeitsplatz im Bereich des Verkehrs- und Sozialministeriums gleich zwei Stationen gibt, habe entscheidend dazu beigetragen, dass er sich für ein E-Mobil entschieden hat, sagt er. „Zu Haus habe ich mir für insgesamt 2000 Euro eine eigene Elektro-Tankstelle eingerichtet.“ 

Die EU stellt spezielle Anforderungen an den Aufbau einer Ladeinfrastruktur. Grundgedanke ist, „dass batterieelektrische Fahrzeuge mindestens in Ballungsräumen und dicht besiedelten Gebieten verkehren können.

Für Sachsen-Anhalt besagt die Richtlinie, dass es ausreichend ist, das „Transeuropäische Verkehrsnetz“, die Autobahnen in Sachsen-Anhalt, bis zum 31. Dezember 2025 aufzurüsten“.

Die Landesregierung will allerdings einen Schritt weitergehen. „Wir beabsichtigen, eine landesweite Grundversorgung mit öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur auch abseits der Bundesautobahnen zu gewährleisten“, sagt Verkehrsminister Thomas Webel (CDU). „Es werden Ballungsräume und ländliche Räume gleichermaßen betrachtet.“ Sachsen-Anhalt erstelle derzeit ein Konzept bis 2020. „Die Bedarfsermittlung ergab einen Gesamtbedarf von 432 öffentlich zugänglichen Ladepunkten.“ Gegenwärtig listet die Karte auf den Elektroauto-Internetseiten von „GoingElectric“ erst 138 E-Tankstellen auf.

„Problematisch wird es immer dann, wenn die Temperaturen sinken“, weiß E-Auto-Fahrer Hering. „Dann sinkt die Reichweite messbar.“ Er schaut auf die linke Seite seines Fahrzeugsdisplays mit dem Batteriesymbol. Alles im grünen Bereich. „Der Computer berechnet ständig die Kilometer, die mit dem jeweiligen Ladezustand noch gefahren werden können. Ab zwölf Kilometer wird‘s rot, danach piept es unangenehm.“ Hering freut sich über jede neue Strom-Zapfsäule. „Prima, dass das neue Ikea-Haus in Magdeburg schnell reagiert hat.“ Sein Wunsch wäre, dass jeder neue Markt auf seinem Parkplatz gleich eine Strom-Tankstelle einrichtet.

„Grundsätzlich unterstützt auch der ADAC die Förderung umweltfreundlicher Fahrzeugkonzepte“, betont Bettina Hierath. Der Automobilclub bevorzuge dabei aber eine „technologieneutrale Ausgestaltung“. Das heißt: Kein ausschließliches Festlegen auf E-Autos. Letztlich gehe es um die Verringerung des Schadstoffausstoßes und der Abhängigkeit von begrenzten Ressourcen, „nicht um die Förderung einer konkreten Fahrzeugtechnik“.

Dass E-Autos ein Reichweiten-Problem haben, ist kein Geheimnis. Ein wichtiger Punkt, warum die Akzeptanz dieses umweltfreundlichen Antriebs von vielen skeptisch beäugt wird und den traditionell konservativen deutsche Autofahrer zum Verharren auf fossilen Antriebsarten bewegt. Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Betriebs- und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg, legt den Finger in die Wunde. „Wir müssen Akzeptanz und Vertrauen in das Produkt schaffen.“ Und das gehe nicht allein durch materiellen Anreiz. Der Autofahrer müsse sich an die neue Technik erst gewöhnen. Und das dauere seine Zeit. Der Experte rät zum Beispiel, mehr Taxis mit E-Antrieb auszurüsten, „um mehr Berührungspunkte zu schaffen“.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Von den knapp 46 Millionen Autos, die über Deutschlands Straßen rollen, sind nur gut 34.000 elektrobetrieben.

Allerdings kommt auch der Auto-Professor zu dem Schluss, dass die „Ladesituation in Deutschland katastrophal“ ist. „Besonders im Winter geht es rapide abwärts mit der Reichweite“, sagt auch Hering und sein schaltungsloser Pkw lässt an der Kreuzung schon wieder einen Diesel hinter sich zurück. „Bei Temperaturen um die null Grad muss ich schon nach etwa 120 Kilometern an die Steckdose.“ Wird es noch kälter, kann sich die Reichweite sogar bei der Hälfte einpendeln.

Christian Buric vom ADAC rät deshalb, das Elektro-Auto bereits beim Laden vorzuheizen. „Das kann meist in den Fahrzeugeinstellungen oder einfacher per App programmiert werden. So kommt die Heizenergie über das Ladekabel aus dem Stromnetz und nicht aus der Antriebsbatterie.“ Sebastian Hering stellt seinen Renault wieder an der Ladestation ab. Das Auto bleibt dort angestöpselt, bis der Ministeriumsmitarbeiter zurück in die Altmark fährt.

„Ich bin sehr zufrieden. Der Kofferraum ist ordentlich, weil die Batterie unter der Rückbank verbaut ist, und das Auto ist für fünf Personen zugelassen.“ Der Altmärker, der einräumt, dass man seine Fahrweise beim Umstieg vom herkömmlichen auf Elektro-Antrieb umstellen muss, überlegt gerade, ob er sich vielleicht „als Zweitwagen das Nachfolgemodell“ anschafft. „Da hält die Batterie fast doppelt so lange.“ Weg vom E-Antrieb will er auf keinen Fall.