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Erfinder-Preis Sachsen-Anhalter in Bestform

Am Donnerstagabend sind in Dessau-Roßlau die Bestform-Preise vergeben worden. Der Sieger kommt aus Magdeburg.

22.06.2017, 23:01

Magdeburg l Vier Ideen sind am Donnerstagabend in Dessau-Roßlau mit den Bestform-Preisen ausgezeichnet worden. Der Wettbewerb prämiert zum dritten Mal die aussichtsreichsten Projekte zwischen kreativen Köpfen und Unternehmen in Sachsen-Anhalt. Das Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung setzt auf diese Kooperationen: „Ohne die Zusammenarbeit von Etablierten mit jungen, kreativen Unternehmen wären solche herausragenden Ideen nicht umsetzbar gewesen“, sagte Jürgen Ude, Staatssekretär im Ministerium bei seiner Laudatio.

Die Weltgesundheits-Organisation WHO geht davon aus, dass noch immer fast zehn Prozent der Welt-Bevölkerung keinen ausreichenden Zugang zu Trinkwasser hat. Besonders in einigen Gebieten Afrikas ist die Not groß: Das Kongobecken ist zwar von zahlreichen Flussläufen durchzogen, dennoch kommt etwa die Hälfte der Einwohner nicht an sauberes Wasser.

Eine Erfindung aus Sachsen-Anhalt könnte das bald ändern. Der Ingenieur Martin Drewes hat gemeinsam mit dem Industrie-Designer Martin Deutscher eine Wasseraufbereitungsanlage entwickelt, die es so kein zweites Mal auf der Welt gibt. Die Jury des Bestform-Wettbewerbs prämierte die Idee mit dem ersten Platz.

Drewes, der an der Hochschule Magdeburg-Stendal studiert hat, will das Gerät Hilfsorganisationen anbieten. Bis zu 4000 Liter Trinkwasser soll die Anlage jeden Tag produzieren können. Diese Menge reicht theoretisch zur Versorgung von 2000 Menschen, sagt Martin Drewes. Seine Erfindung funktioniert so: Ein Wasserrad treibt eine Pumpe an, die dreckiges Wasser aus Flüssen oder Seen ansaugt. Fünf Filter bereiten es zu Trinkwasser auf. „Das Gerät funktioniert komplett ohne Strom und fossile Brennstoffe“, sagt Drewes, der für die Bestform-Auszeichnung 10.000 Euro Preisgeld erhält.

Das Design ist minimalistisch, folgt der Funktion der Anlage. „Große und klare Flächen sollen reines, sauberes Trinkwasser symbolisieren“, erklärt Desginer Deutscher.

Dreck im Rohr kann auf den Magen schlagen. Besonders gefährlich: sogenannte Biofilme. Lösen sich die Verunreinigungen im Inneren der Leitung ab, landen sie mitunter im Trinkwasser. Einer Studentengruppe der Universität Magdeburg ist es nun gelungen, eine Armatur zu bauen, mit der die Ablagerungen in Leitungen ganz einfach aufgespürt werden können. Die Jury des Bestform-Wettbewerbs zeichnete die Idee mit dem zweiten Preis aus.

Die Studenten haben die Vorrichtung „Simple Sample“ getauft. Der Clou: Die handgroße, würfelähnliche Apparatur wird zwischen zwei Rohre angebracht. „Die Entnahme von Proben ist dann kinderleicht“, sagt Studentin Laura Augustin. Bislang war das Testen von Biofilmen ein Kraftakt. Rohre mussten zerlegt werden, Unternehmen kostete das viel Zeit und Geld. Vier Monate haben die Studenten des Masterstudiengangs Integrated Design Engineering an der Lösung gearbeitet. „Die neue Idee ist für viele Firmen interessant“, sagt Projektbetreuer Björn Kokoschko. Darauf hofft auch Lars Teichmann. Der Geschäftsführer der Magdeburger Firma Lagotec hatte ähnliche Pläne lange in der Schublade liegen. „Die Studenten haben der Technik zum Durchbruch verholfen“, sagt Teichmann, der mit seinem Unternehmen Messsysteme herstellt. Der Barleber Fertigungsspezialist Citim baut vom „Simple Sample“ derzeit den finalen Prototyp. Danach ist der Weg zur Marktreife nicht mehr weit.

Carl steigt jeden Morgen auf seinen Thron in der Küche. Von dort oben schaut er, was los ist, frühstückt, nascht Teig oder schleudert Salat. Und obwohl er sich dabei viel bewegt, ist der hölzerne Stuhl keine wacklige Angelegenheit. Denn Carl steht auf dem weltweit ersten Kinderhochstand. Seine Eltern Saskia (50) und Andreas (48) haben das Möbelstück entworfen und gebaut. Am Donnerstagabend sind die Tüftler aus Halle dafür mit dem dritten Platz im Bestform-Wettbewerb ausgezeichnet worden.

Seit fast zwei Jahren können auch andere Eltern den Hochstand kaufen, den Saskia und Andreas nach ihrem Sohn benannt haben: Carl. Das Möbelstück für Kinder kostet fast 300 Euro. Im ersten Jahr sind bereits 60 Bestellungen verschickt worden, sagt Saskia Richter-Haase. Die Bauteile für Carl werden in den Behindertenwerkstätten Halle gefräst, geschliffen und geölt – und später von Saskia und Andreas verpackt. Saskia, gelernte Kostümbildnerin, und Andreas, Architekt und Tischler, haben für die Vermarktung ihrer Möbel das Unternehmen Prinzenkinder gegründet.

Neben dem Hochstand haben die Hallenser auch eine Garderobe, einen Hocker und einen Sandkasten für Kinder entworfen. „Die Ideen für unsere Möbelstücke entstehen in unserem Familienalltag“, erklärt Saskia Richter-Haase. Die Garderobe Dete war ein Tauf-Geschenk für Freunde. Den Sandkasten Jo baute Andreas aus Materialresten im Keller, weil der Baumarkt zu hatte. Die Bestform-Jury bescheinigt den Prinzenkinder-Gründern „mit den Augen der Kinder“ zu denken. Die größten Kritiker lauern aber in den eigenen Reihen: Jedes neue Möbelstück wird von Sohn Carl und Tochter Lene akribisch unter die Lupe genommen.

Als Student bekam Sven Regener (27) von seinem Professor die Aufgabe, ein Alltagsprodukt auf den Kopf zu stellen und den Materialeinsatz neu zu denken. Seit Anfang des Jahres ist die Design-Revolution auf dem Markt: Der Magdeburger hat ein Küchenmesser entwickelt, das zu 97 Prozent aus Holz und zu drei Prozent aus Stahl besteht. Für seine Vision sammelte Regener auf Crowdfunding-Plattformen 55 000 Euro ein. Mittlerweile hat er 450 Messer verkauft. Die Bestform-Jury zeichnete diese Erfolgsgeschichte mit dem dritten Preis aus.

Holz ist seit Kindesbeinen Teil des Lebens von Sven Regener, er stammt aus einer Tischlerfamilie. „Skid ist das erste Chefmesser aus Holz und bietet eine ökologisch nachhaltige Alternative zu den industriell gefertigten Messern“, sagt Regener. Für seine Entwicklung verwendet Regener nur nachwachsende und zertifizierte Holzarten wie Robinie, Walnuss oder Mahagoni. Weil nur für die Klinge Stahl verwendet wird, ist die Umweltbilanz des Küchenhelfers deutlich besser als bei herkömmlichen Messern. Sven Regner rechnet vor: Bei der Produktion eines konventionellen Chefmesser werden rund zwei Kilogramm Kohlenstoffdioxid-Emissionen ausgestoßen. Bei Regeners Skid-Messer sind es hingegen nur 67 Gramm. Für jedes verkaufte Messer pflanzt der Magdeburger in Kooperation mit einer Münchener Initiative zudem einen Baum.

Bei 369 Euro geht das Einsteiger-Modell los. Zwischen 25 verschiedenen Varianten können Kunden wählen. Die Klingen werden von dem Magdeburger Schmied Michael Ganz hergestellt. Die Bestform-Jury lobte das ausgereifte Produkt-Konzept. „Der gemeinsame kreative Prozess von beiden Partnern und die Überlegung, dass Skid das Bewusstsein für mehr Nachhaltigkeit im Haushalt schärfen soll, ist schlüssig und preisverdächtig“,  lobte die Jury.