Wassermangel in Sachsen-Anhalt Flüsse brauchen flaches Bett
Die Renaturierung von Bächen und Flüssen ist ein Mittel gegen den Dürre-Folgen, so Volker Lüderitz von der Hochschule Magdeburg-Stendal. Sie wird aber nur langfristig wirken.

Magdeburg - Etwas Deprimierendes zu Beginn: Nur drei Prozent der Flüsse in Sachsen-Anhalt sind in guter ökologischer Verfassung. Ein kleiner Trost: „Es wird nicht weniger Wasser, sondern es wird nur jahreszeitlich und regional anders verteilt.“ Das sagt Volker Lüderitz, Renaturierungs-Experte von der Hochschule Magdeburg-Stendal. Prekär sei die Lage dennoch überall.
Lüderitz nennt den Harz als Beispiel. „Durch die fast völlige Entwaldung ist die Temperatur in den Bächen um bis zu acht Grad innerhalb von zehn, zwölf Jahren angestiegen. Dadurch verabschiedet sich dort die ursprüngliche Flora und Fauna.“ Zu beobachten sei das am Wormsgraben und an der Holtemme oberhalb von Drei Annen Hohne.
Auch der Fläming sei stark betroffen. „Die Hagendorfer Nuthe bei Zerbst ist beispielsweise inzwischen als Gewässer ausgefallen.“ Aus der Altmark komme ein Hilferuf nach dem anderen – die Gewässer dort wie die obere Ohre würden über weite Teile des Jahres kaum noch fließen. Die Wasserqualität verschlechtere sich damit rasant. Ohne den nötigen Durchfluss sammelten sich organische Substanzen an, das Wasser fange an zu faulen.
„Es ist dann kein Platz mehr für anspruchsvolle Organismen“, sagt Lüderitz, der zahlreiche Forschungsprojekte betreut. Wie für Forellen, die früher auch in Tiefland-Bächen beheimatet waren. In der Ihle, der Jeetze oder der Dumme gebe es noch welche, in der Uchte und der Ohre nicht mehr, sagt der Experte – die Edelfisch-Fauna sei anspruchsvoll.
Die Austrocknung der Wasserläufe hat neben dem Klimawandel historische Ursachen: Um Land zu entwässern, wurden Bäche und Flüsse verstärkt zu tiefen Gräben umgebaut und begradigt. Ohne menschliche Eingriffe ströme das Wasser in seinem Bett bei fast allen Fließgewässertypen knapp unter dem Ufer. Danach müsse man heute lange suchen, ein Beispiel sei der Tangelnsche Bach bei Beetzendorf in der Altmark.
Der Vorteil der flachen Wasserläufe: Sie müssen, sofern sie durch die Ufervegetation beschattet sind, nicht aufwendig unterhalten werden und haben einen gleichmäßig hohen Wasserstand, der auch den Grundwasserstand stabilisiert. Nachteilig schlägt zu Buche, dass im direkten Umfeld keine intensive Landwirtschaft betrieben wird.
Ziel der Revitalisierung ist es, den guten ökologischen Zustand wiederherzustellen. Wichtig dafür ist ein annähernd natürliches Profil. Werden hingegen gut gemeinte Maßnahmen wie Totholz- und Kieseinbringung in einem tiefen Profil umgesetzt, hat das selten positive biologische Effekte – so im Goldbach am Hohen Holz bei Oschersleben oder im Schernebecker Mühlgraben bei Tangerhütte.
„Bei einem Projekt im Fläming machen wir das anders. Im Ratsbruch bei Zerbst soll ein Moor auf 300 ha Fläche wieder vernässt werden.“ Hierzu werde ein neues Gewässerprofil der Boner Nuthe geschaffen. Damit werde gleichzeitig der Grundwasserstand angehoben. „Dadurch wird ein Wasserspeicher geschaffen, der in Trockenzeiten auch nachliefert.“ Sinn sei es laut Lüderitz, den Wasserrückhalt zu verbessern, das Gewässer zu revitalisieren und das Lokalklima zu stabilisieren.
Der Wissenschaftler verweist auf einen weiteren Aspekt: „Wir brauchen einfach mehr Wald, und zwar Laubmischwald. Aber ehe der herangewachsen und hydrologisch wirksam ist, braucht es Zeit, so, wie für die Wirksamkeit der meisten Renaturierungsmaßnahmen.“ Zudem sei das Pflanzgut knapp: Es gebe kaum Eichen und Linden. „Doch in Bächen in reinen Nadelforsten kommen keine Forellen und auch sonst kaum Fische vor, sie finden dort keine Nahrung.“
„Der Umgang mit Gewässern muss sich grundsätzlich ändern“, findet Lüderitz. Die Revitalisierungsmaßnahmen in Sachsen-Anhalt seien zu über 90 % sehr kleinteilig und kaum ökologisch wirksam. Ganzheitliche Projekte wurden bisher nur an der Havel, an der Rossel und an der Alten Elbe Lostau umgesetzt.