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Forderung Buffett-Verbot aufheben

Dienstag redet die Landesregierung über weitere Corona-Lockerungen. Die Volksstimme sprach mit Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD).

Von Jens Schmidt 15.06.2020, 01:01

Herr Willingmann, ab 2. Juli kommt für Sachsen-Anhalt die nächste Corona-Lockerungsrunde. Was strebt der Wirtschaftsminister an?

Armin Willingmann: Ich werde mehrere Themen vorschlagen, lassen Sie mich drei herausgreifen. Erstens: Wir müssen die Bus-Touristik wieder flott bekommen. Das geht meiner Ansicht nach nur, wenn die starre 1,50-Meter-Abstandsregel auch in Reisebussen aufgehoben wird. Wie beim ÖPNV sollte ein Mund-Nasen-Schutz reichen.

Zweitens: Veranstalter brauchen mehr Planungssicherheit. Ab 1. Juli sind in Sachsen-Anhalt Veranstaltungen mit bis zu 250 Gästen wieder erlaubt. Bis 31. August sind jedoch große Veranstaltungen ab 1000 Besuchern deutschlandweit ausgesetzt. Wir müssen deshalb klären, wie es ab 1. September weitergeht. Und drittens: Das Buffett-Verbot in der Gastronomie sollte aufgehoben werden. Essen und Getränke bei jeder Veranstaltung an die Tische zu bringen, ist sehr personalaufwändig und für viele Betriebe nicht finanzierbar.

Der Bund plant ein weiteres Finanzpaket für die Wirtschaft. Wie hilfreich ist das für die Betriebe in Sachsen-Anhalt – und wo passt es noch nicht?

Positiv ist zunächst, dass nach der Soforthilfe vom März nun mit der Überbrückungshilfe ein weiteres Paket geschnürt wird. Dieses Mal werden auch größere Unternehmen mit bis zu 249 Mitarbeitern berücksichtigt. Der Bund plant jetzt einen Zuschuss von maximal 50 000 Euro monatlich, wenn der Umsatz im April und im Mai 2020 im Vergleich zu den Vorjahresmonaten um 60 Prozent und mehr geschrumpft ist.

Doch nun kommen die Wermutstropfen: Ursprünglich waren die Hilfen bis Jahresende geplant, jetzt aber nur noch für die drei Monate Juni bis August. Zudem ist die Antragstellung aufwändiger und soll über Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer erfolgen. Und: 60 Prozent Umsatzeinbußen sind eine ziemlich hohe Hürde. Ich möchte sie senken - auf 50, vielleicht 40 Prozent, damit mehr Unternehmen in kritischer Lage Hilfen erhalten.

Wie stark sind die Einbußen im Schnitt?

Laut Konjunkturumfrage liegen sie zum Beispiel im Handwerk bei 53 Prozent im Mittel. Ganz aktuell meldet unser Statistisches Landesamt bei den Industrieumsätzen für April einen Rückgang von 21 Prozent. Autozulieferer und andere Branchen werden die Krise zudem mit einer gewissen Verzögerung sicherlich auch noch stärker spüren.

Im verarbeitenden Gewerbe und im Bergbau hatten wir im April nach einer ersten Übersicht 32 Prozent Rückgang im Export sowie heftige Einbrüche bei Tourismus und Gastronomie. Das zeigt auch unser Rettungsschirm: 41 Millionen Euro der insgesamt 280 Millionen Euro Soforthilfe gingen allein ans Gastgewerbe. Das waren fast 5000 Betriebe. Die Gaststätten und Hotels sind zwar wieder geöffnet: Aber entgangene Einnahmen der vergangenen Wochen lassen sich nicht nachholen. Zudem werden die Einnahmen jetzt noch geschmälert, da nur ein Teil der Tische und Betten ausgelastet werden darf und die Hygienemaßnahmen zusätzliches Geld kosten.

Was ist mit Unternehmen, die es 2019 noch nicht gab?

Das ist eine weiterer Schwachpunkt. Start-Ups sind bislang nicht berücksichtigt. Das darf nicht sein. Für sie brauchen wir ein anderes Kriterium als den Umsatz-Vergleich.

Firmen bekommen die Gelder nur für reine Betriebskosten Wie steht es um einen Unternehmerlohn? Sie forderten mal 1200 Euro im Monat.

Meine Forderung zielte auf ein Optionsmodell ab: Entweder sollten Unternehmer Grundsicherung beantragen – oder einen Zuschuss zur Lebenshaltung im Rahmen der Sofotrhilfe erhalten können. Der Bund lehnt dieses Modell und einen Unternehmerlohn weiterhin ab.

Für Künstler hat jetzt bereits Kulturminister Robra ein Hilfsprogramm aufgelegt. BUnter bestimmten Voraussetzungen können sie ein Vierteljahr lang monatlich 1000 Euro bekommen. Ich möchte auch für andere Selbständige solch eine Hilfe; jedenfalls dann, wenn sie keinen Zugang zu Grundsicherung und Wohngeld haben.

Kann das Land mit eigenen Mitteln helfen? Bei den Soforthilfen dürfte doch noch Geld in der Kasse liegen, da größere Firmen weniger abgerufen haben als gedacht.

Das stimmt. Wir hatten ursprünglich mit 150 Millionen Euro Landeshilfen für die Wirtschaft gerechnet, und so wuerden sie im Nachtragshaushalt auch beschlossen. Davon sind 49 Millionen abgeflossen. Mit den verbliebenen Geldern sollten wir die Bundeshilfen aufstocken. Ich sehe dafür drei Felder: einen Unternehmerlohn; eine Senkung der Umsatzhürde bei der Überbrückungshilfe und mehr Fördergelder für Investitionen von Unternehmen – die sogenannten GRW-Zuschüsse.

Was steckt dahinter?

Der Bund will den Ländern mehr Gelder geben, um damit neue Ansiedlungen oder die Erweiterung von Betrieben zu fördern. Wir haben diese Gelder zum Beispiel beim Batterieprüftstand-Hersteller Horiba in Barleben oder der Papierfabrik Sandersdorf-Brehna erfolgreich eingesetzt. Allerdings müssen die Länder die Bundesmittel mit 50 Prozent aus eigener Kasse kofinanzieren.

In den vergangenen Jahren haben wir die Bundesmittel leider nie voll ausgeschöpft. Dieses Jahr wären gut 160 Millionen Euro möglich, mangels Kofinanzierung haben wir aber nur 120 Millionen Euro zur Verfügung. Das möchte ich künftig ändern, um weitere Zukunftsinvestitionen zu ermöglichen. Um alle Bundesmittel zu binden, müsste das Land 2020 und 2021 insgesamt rund 50 Millionen Euro zusätzlich bereitstellen.