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Führerschein Fahrprüfung nach fast 50 Jahren

Sachsen-Anhalt hat überdurchschnittlich viele Fahrschüler, die durch die Prüfungen fallen. Ein Redakteur wagt den Selbsttest.

Von Bernd Kaufholz 25.04.2019, 01:01

Magdeburg l 1970 habe ich die Fahrprüfung gemacht. Mein Fahrschulauto vom VEB Kraftverkehr Magdeburg war ein Moskwitsch 412. Fast 50 Jahre später sitze ich noch einmal hinter dem Steuer eines Autos mit der Aufschrift „Fahrschule“. Neben mir Jochen Kamieth von der Magdeburger Sunny-Fahrschule.

Warum fallen in Sachsen-Anhalt so viele Prüflinge durch? Schaffe ich den theoretischen Test (ohne mich vorbereitet zu haben) und bricht mir vielleicht die praktische Prüfstrecke das Genick?

Zuerst der Prüfbogen mit 30 ausgewählten Fragen zum Grundstoff und zehn Zusatzstofffragen, die auch Fahranfänger für die Klasse B (Auto) beantworten müssen.

Im ersten Abschnitt geht es um Gefahrenlehre, Vorfahrt, Umweltschutz, Verhalten im Straßenverkehr und Verkehrszeichen. Die Zusatzfragen fühlen den Prüflingen zudem in Sachen Technik, Vorschriften über den Betrieb der Fahrzeuge sowie die Eignung und Befähigung von Kraftfahrern auf den Zahn.

30 Fragen. Das müsste für mich alten Fahr-Hasen doch zu wuppen sein. Zumal jeweils drei Antworten schon vorgegeben sind. Aber Vorsicht! Zumeist ist nicht nur eine Antwort die richtige, in einigen Fällen sind es zwei oder sogar alle drei. Pro Antwort gibt es zwei bis fünf Punkte. Bei den Fragestellungen muss man aufpassen wie ein Schießhund. Das, was auf den ersten Blick klar und logisch erscheint, erweist sich bei der Auswertung oft als Fehlschluss. Ein Zeitlimit gibt es nicht. Ruhe macht den Meister – sollte man meinen.

Nach 25 Minuten bin ich durch. Eine A-4-hohe „Messlatte“, vom Prüfer an die Antworten gelegt, wird zum Pendel der Wahrheit. Zehn Fehlerpunkte kann ich mir leisten. Nur nicht zwei der „Fünf-Punkte-Fragen“.

Das Kopfschütteln vom Fahrschul-Chef Hans-Peter Kamieth lässt nichts Gutes ahnen. Dann der Schlag ins Kontor: „Durchgefallen!“ Bei sieben Fragen hat es gehakt, 82 von 104 Punkten – zwölf zu wenig.

Da ist es auch kein Trost für mich, dass ich nur zwei der 20 Grundstoff-Fragen unbefriedigend beantwortet habe. Zum Beispiel:

In welchen Fällen dürfen Straßenbahnen links überholt werden?
A: Wenn die Fahrbahn (keine Einbahnstraße) rechts neben der Straßenbahn durch andere Fahrzeuge versperrt ist.
B: In Einbahnstraßen.
C: Wenn die Schienen zu weit rechts liegen.

Meine Antwort: B. Aber auch C wäre richtig gewesen.

Eine vergeigte Zusatzfrage bezog sich auf einen Tempomaten:

Was sollten Sie bei der Benutzung einer adaptiven Geschwindigkeitsregleranlage beachten?
A: Auch bei längerer Benutzung muss ich stets aufmerksam bleiben.
B: Durch starken Regen oder Schneefall kann das System beeinträchtigt werden.
C: Durch die Benutzung von Gas- und Bremspedal kann das System jederzeit übersteuert werden.

 

Alle drei Antworten sind richtig. Ich hatte allerdings B und C ausgeschlossen.

Wolfgang Prescher, Chef des Fahrlehrerverbandes Sachsen-Anhalts, explodiert beinahe bei der Frage nach den Gründen für die hohe Durchfallquote: „Da platzt mir doch der Kragen. Dümmer als in anderen Bundesländern sind unsere Fahrschüler auch nicht, aber vielleicht fauler. Für viele gibt es Wichtigeres, als sich auf die theoretische Prüfung gründlich vorzubereiten.“ Und bei der praktischen Prüfung sei es wohl die wirtschaftliche Lage. „Fahrschüler wollen mit nur wenigen Stunden in die Prüfung gehen, weil sie Geld sparen wollen. Und manche Fahrlehrer lassen sich eben darauf ein."

Der Sprung ins kalte Wasser beginnt in Magdeburg-Stadtfeld. Mist, der Audi Q 3 hat ein Schaltgetriebe. Ich fahre seit Jahren Automatik. Beim Anfahren aus der Parklücke geht es schon los: Kein Schulterblick, nicht geblinkt. Nach null Metern wäre im Ernstfall schon Schluss.

Kleinere Fehler auf dem Weg zur Tangente. Mit 60 auf die Schnellstraße. Gleich die Ermahnung: „Nicht mit 60 Stundenkilometern und sofort auffahren. Bis zum Ende beschleunigen und mit 80 am Schluss der Spur einfädeln.“

Einparken: Ich blicke in die Rückspiegel und fahre rückwärts. Rotes Licht von Kamieth: „Umdrehen, nicht nur in den Spiegel gucken!“ Erneut ein K.o.-Fehler.

Doch es kommt noch dicker: Mit 45 km/h durch eine 30er Zone. Schild übersehen. (Reiß dich doch zusammen!) Und schon mit knapp 50 in der nächsten 30er. Schon wieder hätte ich aussteigen können. 100 Euro Prüfungsgebühr für die Fahrschule und knapp 95 Euro für die Dekra futsch.

Die beiden nächsten Rot-Fehler spielen eigentlich keine Rolle mehr: Zu schnell in der verkehrsberuhigten Zone (im ersten Gang rollen lassen, 4 bis 7 km/h) und als Linksabbieger in einer Einbahnstraße ganz links einordnen und nicht rechts, wie ich es getan habe. Aus nach 45 Minuten!

„Bei vielen ist es die Prüfungsangst“, weiß Jochen Kamieth. „Bei Frauen schlimmer als bei Männern.“ Eines gebe es bei ihm nicht: „Es wird so lange geübt, bis ich mit gutem Gewissen die Prüfung beantragen kann. Ich lasse doch keinen nur aus Gutmütigkeit auf die Menschheit los, der vielleicht am nächsten Tag einen schweren Unfall baut.“ Wohl auch deshalb sei die Durchfalleequote bei seinen Fahrschülern so niedrig.

Als Lehrer müsse man auch Psychologe sein, so der Mann, der seit 26 Jahren Fahrschüler trainiert. „Anschreien geht gar nicht. Man muss die Schüler aufbauen und wenn es sein muss, auch mal in die Arme nehmen.“ Na dann los!