1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Mutter der toten Babys verurteilt

Gerichtsprozess Mutter der toten Babys verurteilt

Im Fall der getöteten Babys von Benndorf ist das Urteil gefallen. Die 46-Jährige Angeklagte muss für neuneinhalb Jahre ins Gefängnis.

Von Bernd Kaufholz 05.04.2018, 11:37

Halle l Im Prozess vor dem Landgericht Halle, bei dem sich eine 46 Jahre alte Frau aus Benndorf im Burgenlandkreis wegen Totschlags verantworten muss, wurde am Donnerstag das Urteil gesprochen. Dier 1. Große Strafkammer schickte die Angeklagte, die ihre zwei Neugeborenen getötet und viele Jahre in einer Tiefkühltruhe aufbewahrt hatte, wegen Totschlags in zwei Fällen für neuneinhalb Jahre hinter Gitter.

Dem Vorsitzenden Jan Stengel fiel es sichtlich schwer bei der Urteilsbegründung die richtigen Worte zu finden. "Wir haben das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung - mehr nicht. Einen Fall wie diesen zu erklären, ist kaum möglich. Gibt es für so etwas überhaupt eine gerechte Strafe?"

Auf den ersten Blick sei das Geschehen "nicht nachzuvollziehen: äußerlich eine intakte Familie, zwei Kinder, ein Mann, der Arbeit hat." Und dann "über Jahre das Geheimnis, wie es die Angeklagte beschrieben hat".

Die Antwort auf das Warum sei eine Mischung aus einem Partner, dem sie sich nicht anvertrauen konnte, aus Schulden und der eigenen Person.

Die erste Baby-Tötung 2004 sei ein minderschweren Fall gewesen, so Stengel mit Blick auf die Lebensumstände und Ängste der Angeklagte. "Vier Jahre später sieht das Gericht Verdunklung. Und aufgrund dieses Tatmerkmals sind sie ganz knapp am Mord vorbeigeschrammt."

Am Donnerstagvormittag waren die Plädoyers gehalten worden. Staatsanwalt Hendrik Weber forderte wegen Totschlag in zwei Fällen eine Gesamthaftstrafe von zehn Jahren, Verteidigerin Carolin Greiner Mai sah zwei minderschwere Fälle von Totschlag und beantragte eine Gesamtstrafe von sechs Jahren.

Steffi S. hatte beim Verhandlungstag am 22. März eingeräumt, 2004 in der heimischen Badewanne ein Kind geboren, es sofort in eine Plastiktüte gepackt und in den Tiefkühlschrank gelegt zu haben. Dasselbe habe sie 2008 mit ihrem zweiten Kind getan, das sie in die Toilette entbunden hatte. Weil ihr Lebensgefährte im Nebenzimmer schlief, habe sie das Neugeborene, nachdem es mehrere Minuten in der Toilette gelegen hatte, jedoch zuerst in einem Wäschekorb versteckt.

Der Partner der Angeklagten, Uwe W., hatte Monate, nachdem er eines der toten Babys in der Kühltruhe entdeckt hatte, die Polizei verständigt. Das geschah, nachdem ihn die gemeinsame Tochter aufgrund eines länger schwelenden Zerwürfnisses aus der Wohnung geworfen hatte.

Die Obduktion der Babys - ein Junge und ein Mädchen - hatte ergeben, dass sie voll entwickelt und lebensfähig waren.

Staatsanwalt Weber hatte in seinem 45-minütigen Plädoyer besonders auf den Umstand hingewiesen, das die Angeklagte beide Taten vorbereitet hatte, indem sie Plastiktüten und im zweiten Fall auch Handtücher mit ins Bad genommen hatte, um die Babys zu "entsorgen". Im zweiten Fall habe sich S., die vor den getöteten Babys bereits zwei gemeinsame Kinder mit W. hatte, "noch besser auf die Situation vorbereitet". Nach dem Motto: Was einmal geklappt hat, klappt auch ein zweites Mal. Die Tötung beider Babys sei beabsichtigt gewesen. "Die Angeklagte hat ihre persönliche Situation, zum Beispiel die Auseinabdersetzungen mit W. und die Geldschwierigkeiten, über das Lebensrecht ihrer Kinder gestellt."

Rechtsanwältin Greiner Mai sah besonders in dem "umfassenden Geständnis" ihrer Mandantin und der Tatsache, dass sie schwer erkrankt ist, einen Grund dafür die Strafe geringer zu halten. Auch, dass ihr Lebensgefährte die Angeklagte sexuell genötigt habe, nachdem er eine Baby-Baby-Leiche in der Kühltruhe entdeckt hatte, indem er sagte, dass er sie bei der Polizei anzeigen werde, wenn sie sich ihm verweigere, rechnete die Anwältin S. strafmildernd an. S. habe unter einem permanenten Druck durch W. gestanden, der sie "kleinhalten" wollte und sie immer wieder als "Versagerin" beschimpft habe.

Steffi S. bat das Schwurgericht abschließend um ein "gerechtes Urteil".