Gutachter im Köthen-Prozess: Tod durch akutes Herzversagen
Was geschah genau, als im vergangenen September ein 22-Jähriger in Köthen starb? Das Landgericht Dessau-Roßlau steht vor widersprüchlichen Aussagen.
Dessau-Roßlau (dpa/sa) - Im Prozess um den Tod eines 22 Jahre alten Kötheners hat ein Rechtsmediziner akutes Herzversagen als Todesursache angegeben. Es spreche auch einiges dafür, dass der schwer herzkranke Mann den Herzstillstand schon erlitt, bevor er umfiel und sich eine Wunde am Hinterkopf zuzog, sagte der Sachverständige Steffen Heide von der Universität Halle am Donnerstag im Landgericht Dessau-Roßlau. Eine Blutung an der Lippe könne auf einen Schlag zurückgehen.
In dem Verfahren müssen sich zwei junge Afghanen wegen schwerer Körperverletzung und Körperverletzung mit Todesfolge verantworten. Zum Tatzeitpunkt waren sie 17 und 18 Jahre alt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, den Köthener im September 2018 während eines Streits geschlagen und ihn, als er am Boden lag, getreten zu haben. Der herzkranke Deutsche starb wenig später. Die Angeklagten bestreiten die Attacke. Der Fall löste in der Kleinstadt Köthen rechtsgerichtete Demonstrationen und Gegenproteste aus.
Hinweise auf starke Tritte wie etwa Schuhabdrücke oder starke Verletzungen seien bei der Obduktion nicht gefunden worden, hieß es von dem rechtsmedizinischen Sachverständigen weiter. Zeugen hatten sehr unterschiedliche Angaben zum Geschehen gemacht, teils war von heftigen Tritten die Rede gewesen.
Es sei aber naheliegend, dass das akute Herzversagen im Zusammenhang mit vorausgegangenem Schubsen, Schlagen oder leichteren Tritten sowie dem Stress stehe, sagte Heide. Er betonte zugleich, die Herzschädigung des 22-Jährigen sei so weit fortgeschritten gewesen, dass ein Herzinfarkt jederzeit hätte geschehen können.
Der psychiatrische Sachverständige Bernd Langer gab seine Einschätzung zu den beiden Angeklagten ab. Für den älteren der beiden empfahl er die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, weil er alkoholabhängig sei. Es sollte Jugendstrafrecht angewendet werden.
Beide gaben laut Langer im Gespräch an, dass ihre Familien in Afghanistan bedroht und verfolgt wurden. Beide seien in den Jahren 2015 und 2016 nach Deutschland gekommen, hier sollen sie sich kennengelernt haben. Während der jüngere Angeklagte angegeben habe, nicht in die Schule gegangen zu sein, habe der ältere bis zur 10. Klasse in Afghanistan eine Schule besucht, berichtete Langer. In Deutschland besuchten beide Sprachkurse.
Dem 17-Jährigen attestierte der Psychiater, klar reflektiert, sehr anpassungsfähig und selbstbewusst zu sein. Er könne das Unrecht der Tat einsehen und sei strafrechtlich verantwortlich. Dass er zum Tatzeitpunkt Alkohol getrunken habe, spiele für das Geschehen im Kern keine Rolle. Der seit kurzem 19-jährige Angeklagte hingegen bescheinigte Langer jugendliche Unreife. Grundsätzlich habe er einen Hang, Gewalt zu legitimieren, es fehle ihm an Opferempathie.
Der Prozess wird am 7. Mai fortgesetzt. Dann soll laut der Vorsitzenden Richterin Uda Schmidt mit den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Nebenklage begonnen werden. Für den 14. Mai sind die Plädoyers der Verteidigung geplant. Das Urteil könnte dann am 17. Mai gesprochen werden.