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Harz Abspeckkur für Wanderwege

Im Harz gibt es 10.000 Kilometer Wanderwege. Erstmals soll das Netz jetzt ausgedünnt werden.

Von Alexander Walter 30.08.2017, 09:41

Magdeburg l Schon die Dichter Johann Wolfgang von Goethe und Heinrich Heine schwärmten von den malerischen Pfaden des Harzes. Seither zog das nördlichste Mittelgebirge Deutschlands Jahr für Jahr stetig mehr Ausflügler in seinen Bann. Weil die meisten von ihnen zum Wandern kamen und kommen, ist in den vergangenen Jahrzehnten ein einmaliges Netz von Wanderwegen entstanden. Bis zu 10.000 Kilometer können Wanderer heute auf ausgewiesenen Routen zurücklegen.

Mit dem stetigen Ausbau der Strecken ist es nun allerdings vorbei. Weil das Wegenetz unüberschaubar geworden ist, soll es mithilfe von EU-Projekten zunächst im Westharz, später auch im Ostharz ausgedünnt werden. „Von den derzeit 10.000 Kilometern Strecke könnten am Ende noch 7500 Kilometer übrig bleiben", schätzt Christian Resow vom Harzklub in Clausthal-Zellerfeld (Niedersachsen). Die Organisation, der heute 13.000 Mitglieder in 90 Zweigvereinen angehören, kümmert sich seit 1890 ehrenamtlich um Instandhaltung und Beschilderung der Harz-Wanderwege.

Bei vielen Pfaden stünden Aufwand und Nutzen in keinem Verhältnis mehr, betont Resow. Bei Quedlinburg etwa gibt es einen Rad- und einen Wanderweg um die Stadt, der teils parallel verläuft. Solche Doppelstrukturen könnten künftig verschwinden. Ein weiterer Grund für das Vorhaben sei die Überalterung in den Zweigvereinen. „Bei einem Durchschnittsalter von 60 bis 70 Jahren in vielen Vorständen sind die Mitglieder mit der Wegepflege schlicht überfordert."

Rückendeckung kommt vom Harzer Tourismusverband. Durch die Ausdünnung des Wegenetzes, würden die Hauptwege attraktiver, sagt Geschäftsführerin Carola Schmidt. Beliebte Routen wie der Hexenstieg, der Selketalstieg oder der Karstwanderweg im Südharz blieben unangetastet. „Für sie gibt es eine Bestandsgarantie", betont Schmidt.

Auch die Mehrzahl der Städte am Harz unterstützt die Pläne. „Das Vorhaben ist eine Korrektur", sagt Marcus Weise, Bürgermeister von Harzgerode. Angst abgeschnitten zu werden, hat Weise nicht. Der Selketalstieg führt direkt am Ort vorbei. „Wir haben 150.000 Übernachtungen jährlich", sagt er.

Thales Bürgermeister Thomas Balcerowski verspricht sich zudem einen positiven Nebeneffekt vom Projekt. Immer wieder komme es vor, dass Waldbesitzer Wanderer mit Schildern wie „Vorsicht Zeckenbefall" vergraulen wollen, berichtet er. Balcerowski hofft, dass die Akzeptanz der Waldbesitzer für Wanderwege durch die Beschränkung auf Hauptrouten steigt. „Mit dem Projekt kommen wir den Besitzern entgegen."

Skeptischer bewertet der Deutsche Alpenverein die Pläne. „Ich finde das schade", sagt Lutz Marschner von der Sektion Magdeburg. Marschner leitet eine Gruppe von 40 aktiven Wanderern. „Mindestens einmal im Monat sind wir im Harz und gehen dabei auch Nebenwege", sagt er.

Ganz verschwinden dürften auch die für überflüssig befundenen Wege vorerst aber ohnehin nicht. Im Ostharz stehe man erst ganz am Anfang des Projekts, sagt Bärbel Meyer vom Magdeburger Zweigverein des Harzklubs. Die Pläne sähen zudem lediglich vor, dass überflüssige Wege nicht mehr gepflegt und in neuen Wanderführern nicht mehr aufgeführt werden. Passionierte Wanderer können also vorerst weiter ohne Beschränkungen auf Goethes Spuren wandeln.