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Harzer Seilbahn Einstiger BUND-Landeschef wechselt die Seiten

Der Ex-BUND-Landesgeschäftsführer und Seilbahn-Gegner Oliver Wendenkampf berät jetzt den Seilbahn-Investor in Schierke.

Von Dennis Lotzmann 22.08.2018, 01:01

Magdeburg l Der Schock kommt am Montag. BUND-Landeschef Ralf Meyer und zwei Mitarbeiter treffen sich zu einem Gespräch bei Seilbahn-Investor Gerhard Bürger in der Harzer Glasmanufaktur in Derenburg. Das Vorhaben ist hoch umstritten, es droht eine Klage der Umweltschützer – die will der Unternehmer abwenden und lässt daher nichts unversucht, den BUND gnädig zu stimmen. Doch dann trauen Meyer und seine Leute ihren Augen nicht: An der Seite des Investors sitzt ein Mann, den die Umweltschützer nur zu gut kennen.

Oliver Wendenkampf. Seit den 1990er Jahren war er bis 2016 Landesgeschäftsführer des BUND. Landesweit bekannt und zuweilen berüchtigt als knallharter Gegner von Autobahnen, Elbausbau – und der Schierke-Seilbahn. Da Wendenkampf prinzipienfest, juristisch fit und politisch kampferprobt schien, wurde er seinerzeit vom BUND-Vorstand beauftragt, sich auch das Seilbahn-Vorhaben am Schierker Winterberg vorzuknöpfen. Um es zu verhindern – oder wenigstens zu verzögern.

Doch es kam alles anders.

Ende 2016 entließ BUND-Chef Meyer den langjährigen Geschäftsführer Wendenkampf. Gemocht hatten sich beide nie. Wendenkampf wollte Meyer mal als Landesvorsitzenden verhindern. Meyer störte sich irgendwann an Wendenkampfs Stil. Hinter vorgehaltener Hand ist davon die Rede, dass Wendenkampf immer mehr auf Ego-Touren unterwegs war und er alles war, nur eben kein Teamplayer. Doch setzt man einer solchen fachlichen Koryphäe deshalb den Stuhl vor die Tür?

Eine Gelegenheit, die Investor Bürger sofort zu nutzen wusste: „Er hat mich gefragt, ob er weiter auf meinen Sachverstand zählen kann. Das mache ich“, so Wendenkampf. Früher „habe ich als BUND-Geschäftsführer Herrn Bürger erklärt, wo er mit seinen Projektplänen mit dem Gesetz kollidiert. Jetzt mache ich im Prinzip genau dasselbe.“ Nur mit dem feinen Unterschied, dass Wendenkampf dafür Honorar kassiert und im Gegenzug Konfliktpotenzial aus den Plänen des Investors bügelt.

Die Folgen liegen nun auf dem Tisch: Der Investor änderte – auch auf Druck der Landesregierung – die Route der Seilbahn, so dass die europarechtlich streng geschützten Moorwälder nicht mehr tangiert werden.

Bereits im Juni trat Wendenkampf bei einer Veranstaltung auf, lobte die neue Trassenführung und meinte, der neue Plan sei nun „sicherlich genehmigungsfähig“. Am Dienstag wollte sich BUND-Chef Meyer zur Personalie nicht äußern. Zur Sache schon: „Der BUND lehnt das Vorhaben weiter ab.“ Trotz neuer Trassenführung. Aber Kunstschnee, Wasserverbrauch und Klimaschutz – das passe nicht zusammen.

Im Verband aber brodelt es. Von „erstaunt“ bis „entsetzt“ reichen die Kommentare. „Es gibt verschiedene Stufen von Verrat“, heißt es. Das ist wohl Hochverrat.

Wendenkampf, mit Greenpeace-Erfahrung ausgerüstet, kam Mitte der 1990er Jahre zum BUND nach Sachsen-Anhalt. Als Geschäftsführer machte er sich vor allem einen Namen als unerbittlicher A-14-Gegner. Mehrere Klagen führte der Verband unter seiner Federführung gegen Abschnitte zwischen Magdeburg und Altmark. Wendenkampf suchte und fand Planungsmängel. Mal stimmten die Abschnitte nicht, mal war es der Piepmatz Ziegenmelker, dem es vielleicht zu laut werden könnte.

Sein großes Ziel war es, die Autobahn als pure Geldverschwendung zu entlarven und gerichtlich zu Fall zu bringen. Stattdessen wollte er den Bau einer dreispurigen Bundesstraße durchsetzen. Der große Sieg vor Gericht blieb aus. Die A 14 verhindern konnte Wendenkampf nicht, ihren Bau aber über viele Jahre verzögern. 2016 – die Grünen waren mittlerweile mit am Ruder – strebten Landesregierung und BUND einen Kompromiss an, um die zähen und teuren Autobahnprozesse zu beenden.

Der Kampf-Modus passte da nicht mehr in die Zeit. Im Oktober 2016 wurde Wendenkampf entlassen. Im Dezember vereinbarten Regierung und BUND den Kompromiss. Die Regierung spendiert zusätzliche Millionen für Lärm- und Umweltschutz, dafür verzichtet der Verband auf weitere Klagen.

So viel Frieden gibt es beim Seilbahn-Projekt im Harz noch nicht. Erst Anfang des Jahres lieferten sich Umweltministerin Claudia Dalbert (Grüne) und Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) eine harte Auseinandersetzung. Schließlich wies Haseloff die Ministerin an, den Verkauf von Waldflächen freizugeben, um dem Projekt keine weiteren Steine in den Weg zu rollen.

Zugleich wurde dem Investor klargemacht, er möge die Seilbahntrasse so anpassen, dass sie eine Chance haben, die hohen Hürden des EU-Umweltrechts zu nehmen. Erst dann sieht sich das Verkehrsministerium von Thomas Webel (CDU) in der Lage, das aktuell ruhende Raumordnungsverfahren fortzusetzen.

Zum Kommentar "Genialer Schachzug vom Seilbahn-Investor" von Jens Schmidt