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Regierungsbildung Haseloff umgarnt die SPD

Nach dem Scheitern der Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition, setzt Sachsen-Anhalts Ministerpräsident auf die SPD.

Von Michael Bock 21.11.2017, 00:01

Volksstimme: Herr Ministerpräsident, Sie sind immer von erfolgreichen Sondierungen ausgegangen. Dann ist die FDP ausgestiegen. Haben es die Liberalen auf das Scheitern angelegt?
Reiner Haseloff:
Das Aussteigen der FDP ist für mich nicht nachvollziehbar. Wir waren auf der Zielgerade. Es lagen konsensfähige Papiere vor, mit denen jeder – auch die FDP – an der Parteibasis hätte bestehen können. Jeder konnte Profil-Elemente vorweisen. Viele Kompromisse und Lösungen waren ausverhandelt. Viele FDP-Forderungen sind in den Papieren berücksichtigt worden. Die Grünen haben sich deutlich bewegt, zum Beispiel in der Flüchtlingspolitik. Die Maghreb-Staaten sollten zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. Vereinbart war auch, die Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus zu verlängern. Sicherlich hätte es dabei humanitäre Ausnahmen gegeben. Das Ganze verbunden mit einem modernen Zuwanderungsgesetz.

Dennoch ist die FDP ausgestiegen.
Die FDP hatte offensichtlich die Befürchtung, dass es ihr nicht gelingt, von einer Jamaika-Koalition langfristig zu profitieren. Da steckt den Liberalen wohl noch das Jahr 2013 in den Knochen, als sie aus dem Bundestag flogen. Die FDP meint immer noch, dass ihr die vorangegangene Koalition mit der CDU geschadet hat. Über die eigenen Fehler hat die FDP weniger gesprochen.

Wie geht es jetzt weiter?
Es gibt eine Verantwortung für die Stabilität der Bundesrepu­blik. Ich plädiere dafür, dass die SPD noch einmal in sich geht und überlegt, inwieweit es jetzt nicht doch ihre staatspolitische Verantwortung und Pflicht ist, sich um eine stabile Regierung zu kümmern. Ich zitiere da gern Willy Brandt: Erst kommt das Land, dann kommt die Partei. Vorbild kann Sachsen-Anhalt sein: Hier hat die SPD in ganz schwieriger Zeit gestanden und politische Verantwortung übernommen.

Erste Reaktionen aus der SPD sind ablehnend.
Das ist jetzt die Aufgabe des Bundespräsidenten. Er hat die höchste Autorität im Land und kommt selbst aus der Sozialdemokratie. Ich glaube, dass er in dieser Frage noch einmal Anstrengungen unternehmen wird.

Diskutiert wird auch über eine schwarz-gelbe Minderheitsregierung. Wie stehen Sie dazu?
Davor kann ich nur dringend warnen. Auch nach den schlechten Erfahrungen, die wir in Sachsen-Anhalt mit einer von der PDS tolerierten Minderheitsregierung gemacht haben. Wir brauchen eine eigene, stabile Mehrheit, die die Regierung und die Kanzlerin stützt.

Rechnen Sie letztlich doch mit Neuwahlen?
Auszuschließen ist das nicht. Neuwahlen können aber nur die ultima ratio sein.

Wie geschwächt ist Bundeskanzlerin Angela Merkel nach den geplatzten Sondierungsgesprächen?
Gar nicht. Die letzten Wochen waren sicherlich sehr schwierig für uns alle. Aber die Kanzlerin hat es vermocht, einen tragfähigen Konsens auf den Weg zu bringen. Ein umsetzungsfähiges Koalitionspapier liegt faktisch im Entwurf vor. Leider ist die FDP jetzt ausgestiegen. Dennoch: Die Kanzlerin ist aus den mühseligen Prozessen der vergangenen Wochen gestärkt hervorgegangen. Und sie hat es geschafft, dass CDU und CSU wieder zusammenstehen.

Zum Kommentar von Chefredakteur Alois Kösters.