334 Karambolagen im Jahr 2023 Immer mehr Unfälle mit Polizeiautos: Fehlt den Beamten die Fahrpraxis?
Die Zahl der Unfälle mit Polizeiautos in Sachsen-Anhalt steigt. Gründe sind oft mangelnde Fahrpraxis und junge Beamte hinter dem Steuer der Streifenwagen. Experten fordern mehr Sicherheitstrainings.

Magdeburg. - Sachsen-Anhalts Polizisten sind immer häufiger bei Einsätzen in Verkehrsunfälle verwickelt. Das ergibt eine aktuelle Erhebung des Innenministeriums.
So waren im vergangenen Jahr 334 Polizeifahrzeuge an Unfällen beteiligt. Im Jahr 2019 lag die Zahl noch bei 284. Das ergibt einen Anstieg um 18 Prozent. Damit war von den insgesamt 1.780 Dienstfahrzeugen der Landespolizei statistisch etwa jedes fünfte im vergangenen Jahr betroffen.
Mehr Unfälle durch junge Polizisten?
Bei den selbst- und fremdverschuldeten Karambolagen entstanden in den vergangenen fünf Jahren Schäden von rund 4,85 Millionen Euro. Während die Reparaturen der Dienstwagen im Jahr 2019 noch 740.000 Euro kosteten, waren es 2023 schon knapp 1,2 Millionen Euro. Insgesamt gab es bei den Zusammenstößen in den fünf Jahren 47 Verletzte. Karina Wessel vom Innenministerium erklärt: „Etwa die Hälfte der Unfälle wurde als ,eigenverschuldet’ erfasst.“
Den Anstieg der Zahlen führen die Polizisten auch auf die oft noch fehlende Fahrpraxis der immer jünger werdenden Beamten hinterm Steuer zurück. Seit 2019 ist die Zahl der Polizisten durch die Neueinstellungsoffensive trotz hoher Altersabgänge von 5.800 auf 6.400 erhöht worden.
Mangelnde Fahrpraxis junger Beamter als Ursache?
Der positive Effekt hat aber offenbar Auswirkungen. Olaf Sendel, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft: „Das Alter der Einsatzbeamten spielt eine wesentliche Rolle. Natürlich ist es ein Unterschied, ob ein erfahrener Polizist am Steuer sitzt oder ein sehr junger. Das ist im normalen Straßenverkehr auch so.“
Sein Kollege Uwe Bachmann von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert angesichts der Entwicklung, regelmäßige Fahrsicherheitstrainings auszubauen. Polizeihauptkommissar, Michael Kraska, Leiter der Landesfahrschule der Polizei, erklärt: „Uns ist das bekannt. Viele junge Kollegen haben noch nicht die Fahrpraxis.“
Neue Forderungen nach mehr Sicherheitstraining für Polizisten
Man müsse aber berücksichtigen, dass die Beamten zwar alle einen Pkw-Führerschein mitbringen, im Einsatz aber ganz anderen Herausforderungen gegenüberstehen als normale Kraftfahrer. „Auf einer Streifenfahrt strömen enorm viele Reize auf den Fahrer ein. Der Verkehr läuft da sozusagen nebenbei.“ Sie müssten auf den Funk achten, sich nach Straftaten umsehen und vieles mehr.
Das Risiko potenziere sich bei den Blaulichtfahrten. Das spiegelt sich auch in den Zahlen wider. Fast jeder siebte Unfall passierte laut Innenministerium mit eingeschaltetem Sondersignal. Kraska: „Dabei müssen die Kollegen besondere Sorgfalt üben, und es darf nie zur Gefährdung anderer kommen. Unser oberstes Gebot ist, nur wer ankommt, kann auch helfen.“
Herausforderungen im Einsatzverkehr für Polizeifahrer
Alle Dienstanfänger absolvieren je nach Laufbahngruppe ein vier- bis fünftägiges Fahr- und Sicherheitstraining mit anschließender Prüfung unter anderem im Fahrsicherheits-Trainingszentrum an der Motorsport-Arena Oschersleben. Erst wenn die Prüfung bestanden ist, erhalten die Polizisten auch ihre Dienstfahrberechtigung. Unsichere oder durch Unfälle aufgefallene Fahrer würden zudem ein extra Sicherheitstraining erhalten.